Projektbeschreibung
Foto- und Audioinstallation in der Krypta der Ursulinenkirche
Allerheiligen und Allerseelen 2010
Die künstlerische Arbeit „La Danse Macabre“
von Christina Canaval
Im späten Mittelalter entstand der sogenannte Totentanz, ein Motiv, das die Unmittelbarkeit des Todes und die Nichtigkeit irdischer Güter vor Augen führen soll. Ausgehend von schriftlichen Versen, in denen Menschen verschiedenen Standes beklagen, dass sie sterben müssen, entwickelten sich langsam bildliche Umsetzungen, die die Aufgabe hatten, die Verse zu illustrieren, um das Thema für jeden verständlich zu machen. Die bildlichen Motive zeigten meist Menschen verschiedenen Standes, die von einer Todesgestalt, vorwiegend in Form eines Skelettes dargestellt, in einen Tanzreigen gezwungen und damit zum Tode verurteilt werden. Der Totentanz entstand auf die Folgen der Pestepidemien, die Mitte des 14. Jahrhunderts in ganz Europa ihr Unwesen trieben. Durch die Unmittelbarkeit und die Brutalität des Todes, die in jener Zeit zum alltäglichen Geschehen gehörten, manifestierte sich ein differenzierter Todesgedanke in der Gesellschaft, der die Menschen in ihrem Handeln stark beeinträchtigte.
Der veränderte Umgang mit dem Tod
Basis der künstlerischen Arbeit „La Danse Macabre“ bilden die ursprünglichen Formen des
Totentanzes sowie die Wirkung dieser auf die Gesellschaft. Die Beschäftigung mit der aktuellen Todesauffassung und die Neuinszenierung des Motivs durch zeitgenössische Medien stehen dabei im Vordergrund. Dabei interessiert mich besonders, ob der Totentanz nach wie vor von Bedeutung ist und wie die Menschen heute dem Thema Tod gegenüberstehen. Ist der Tod heute überhaupt noch ein Thema unserer Gesellschaft? Wie wird der Tod heute gesehen? Was hat sich seit Aufkommen des Totentanzes in Bezug auf Tod und Sterben verändert? Die künstlerische Arbeit „La Danse Macabre“ portraitiert verschiedene Menschen aus meinem persönlichen Umfeld. Dabei sind die Faktoren Zeit und Vergänglichkeit wesentliche Merkmale dieser Arbeit. Die Hauptaussagen sind die Unmittelbarkeit des Todes und die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens. Das Endergebnis ist eine Neuinterpretation des spätmittelalterlichen Totentanzes, die eine gegenwärtige Auffassung von Tod und Vergänglichkeit darstellen soll. Es geht um den veränderten Umgang mit dem Tod seit Aufkommen des Motivs und die Vergänglichkeit irdischen Lebens, die nach wie vor das gesellschaftliche Leben prägt. Der veränderte Umgang mit dem Tod unserer heutigen Welt äußert sich in einer Widersprüchlichkeit des Todes, die einerseits geprägt ist von den Medien, die uns tagtäglich mit Horrornachrichten aus Krisengebieten konfrontieren und andererseits von der Verdrängung des persönlichen Todes, die sich auf Grund von technischen und medizinischen Entwicklungen entfaltet hat.
„Tanzreigen des Todes“
In einem komplett verdunkelten Raum hängen an den Wänden Leuchtkästen, auf denen menschliche Figuren zu erkennen sind. Die einzelnen Portraits sind unscharf, beinahe unkenntlich und fordern den Rezipienten zur Konfrontation seiner eigenen Vergänglichkeit auf. Neben der Bildebene gibt es noch eine Geräuschkulisse, die Herztöne und Atemgeräusche der Portraitierten offenbart. Durch die drastische räumliche Wirkung der Präsentation wird der Betrachter in eine Art „Tanzreigen des Todes“ gezwungen.
Am Ende des Lebens löst sich jede menschliche Figur auf und Individualität und persönliche Erinnerungen gehen verloren. Wir alle sind Teil des Totentanzes, der tagtäglich erneut zur Aufführung kommt.