Der Professor schaut dem Studierenden während der Prüfung ins Schlafzimmer. Die Presse veröffentlicht Fotos von der digitalen Bischofskonferenz, die einen Blick in die Privaträume der Bischöfe erlauben. Was ist privat? Was öffentlich? Und wann ist es an der Zeit zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter“?
Beim heurigen Tag der Linzer Hochschulen am 13.10.2021 wurde das Thema „Privatsphäre im Zeitalter von Digitalisierung und Homeoffice“ von unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. In seiner Begrüßung berichtete der Vorsitzende des Forum St. Severin, Paul Grünbacher bereits von Beispielen aus seinem Alltag als Universitäts-Professor und dass die Studierenden den Eingriff in ihre Privatsphäre durch digitale Kommunikationstools gezwungenermaßen zustimmten, um ihr Studium in der Corona-Zeit fortsetzen zu können.
Auch die Hauptreferentin, Dr. in Barbara Krumay, machte ähnliche Erfahrungen während Corona. In ihrem Forschungsprojekt zum Thema Homoffice wurde klar, dass es für Menschen oft schwierig ist, einzuschätzen, was sie bei digitalen Meetings durch den Einblick in ihre privaten Räumlichkeiten oder durch das Teilen eines privaten Bildschirmes in der Öffentlichkeit preisgeben. Kaum jemand überlegte sich vorher die Wirkung auf die anderen und vielen wurde erst in der Regelmäßigkeit von Online-Meetings durch Rückmeldungen bewusst, wie tief dadurch in die eigene Privatsphäre eingedrungen wird. Dr.in Krumay wies aber auch darauf hin, dass die Privacy-Forschung kein neues Thema ist, sondern dass es erste Studien bereits 1890 beim Aufkommen der Fotografie als neue Technologie gab. Auch, dass man gewisse Daten anderen zur Verfügung stellt, ist per se nichts Schlechtes, die Frage ist immer nur, wer die Kontrolle darüber hat und die weitere Ebene des Digitalen macht es schwieriger abzugrenzen was privat und was öffentlich ist.
Zuvor gab Superintendent Gerold Lehner schon eine theoretische Einführung in das Thema der Privatsphäre und gab zu Bedenken, dass laut Francis Bacon „Wissen, Macht sei“ und dass man, wenn man jemandem Wissen über sich selbst gibt, dieser Person auch Macht gibt. Bei all den problematischen Tendenzen der Digitalisierung muss uns aber immer auch klar sein, dass alle diese Phänomene menschengemacht und menschengewollt sind und dass wir daher auch nicht ohnmächtig ihnen gegenüber sind, sie sind weder unentrinnbar, noch umumkehrbar.
Auch Dr.in Krumay wies in ihrem Vortrag auf Ähnliches hin, nämlich dass Privatsphäre grundsätzlich ein Menschenrecht ist, doch dass unsere Herangehensweise und unsere sozialen und moralischen Normen aus der vor-digitalen Zeit nicht mehr reichen. Dies ist eine Lücke, die im gesellschaftlichen Diskurs geschlossen werden muss.
Bischof Manfred Scheuer ergänzte den Vortrag mit seinen Gedanken und wies darauf hin, dass Religion ihren Teil dazu beitragen kann, dass Menschen nicht von der Digitalisierung überfordert werden. Die Aufgabe der Religion ist es, auf die Wichtigkeit von Unterbrechungen und Zeitstrukturen hinzuweisen und Rituale anzubieten.
Schwungvoll ging es dann zu jazzigen Klängen von Lukas Lahninger und Elisa Lapan zum gemütlichen Ausklang beim Abendessen, dass das Team der KHG-Mensa wieder hervorragend vorbereitet hatte.