Dr.in Brigitte Loderbauer, Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck i. R., begrüßte die zahlreichen Ehrengäste und freute sich sehr über das Kommen der Kinder des verstorbenen Gründers Dr. Siegfried Sittenthaler und die Anwesenheit des Mitgründers DDr. Walter Hauptmann.
Zur Gründung kam es im Jahr 1973, weil nach dem brutalen Mord an einem Kind in Linz und angesichts der bevorstehenden Strafrechtsreform die Frage des Umganges mit psychisch abnormen oder geisteskranken Rechtsbrechern gesetzlich gelöst werden sollte. Dazu sollten Vorschläge erarbeitet und vor allem die Kommunikation zwischen Justiz, Exekutive und Psychiatrie verbessert werden. Die im Rahmen dieser Diskussionen entstandene Plattform blieb auch nach der Strafrechtsreform und fand in Räumlichkeiten des Diözesanhauses einen neutralen Boden für breite interdisziplinäre Diskussionen. Unterstützt wird der Arbeitskreis dabei seither sowohl organisatorisch als auch personell durch das Forum St. Severin.
Die Leitung hat Brigitte Loderbauer 2003 nach dem Tod von Siegfried Sittenthaler übernommen. Sie betonte in ihren Eingangsworten die große Bandbreite der regelmäßig teilnehmenden Institutionen und die dadurch repräsentierten Berufsgruppen, die von Justiz, Polizei, Medizin über Wissenschaft, soziale Arbeit in ihrer großen Vielfalt bis zu Pädagogik und vielen anderen Berufsfeldern reicht.
Auch die Themen des Arbeitskreises sind vielfältig, an die jeweiligen aktuellen Erfordernisse angepasst und waren oft sehr vorausschauend und am Puls der Zeit. Beispiele sind die Beschäftigung mit dem Jugendstrafvollzug 1978 oder das Thema Cybermobbing 2015. Darauf verwies auch Dr. Alexander Pirker, der in Vertretung der Justizministerin Dr.in Alma Zadić Grußworte sprach und das interdisziplinäre Format des Arbeitskreises lobte. „Vom gemeinsamen Diskurs über Themen profitieren nicht nur Strafvollzugsbehörden, sondern die gesamte Gesellschaft kann so weiterentwickelt werden.“
Bischof Dr. Manfred Scheuer erinnerte sich in seinen Grußworten, dass er Dr.in Loderbauer noch in seiner Zeit als Bischof in Innsbruck bei einem Weihnachtsessen in der Justizanstalt kennenlernte und sie ihm damals stolz vom Arbeitskreis in Linz erzählte. Auch er betonte, dass Kriminalpolitik immer auch Gesellschaftspolitik ist, und zitierte Dietrich Bonhoeffer, dem es um den Schnittpunkt einer in moralischer Verantwortung übernommenen Vergangenheit und einer verantwortungsvollen Gestaltung der Zukunft in der Gegenwart geht. „Die Güter der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der Schönheit ... brauchen Zeit, Beständigkeit, ‚Gedächtnis’, oder sie degenerieren.“ Dem Arbeitskreis dankte er für dieses Gedächtnis und die Diskussionen zu Freiheit, Recht, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde.
Weitere Grußworte kamen von Roland Baumann, Gemeinderat der Stadt Linz, der auf die gemeinsamen Ziele der Stadt Linz und dem kriminalpolitischen Arbeitskreises bei der Gewaltprävention vor allem bei häuslicher Gewalt hinwies und von Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, der sich für die beratende Funktion des Arbeitskreises bedankte, die auch bei zukünftigen Herausforderungen, wie der Regulierung der Anwendung von Künstlicher Intelligenz, wichtig sein wird. „Dass der Kriminalpolitische Arbeitskreis in Zeiten, die gerade nicht von einem Miteinander geprägt sind, verlässlich für ein solches Miteinander sorgt, ist ein großes Qualitätsmerkmal,“ lobte Stelzer.
Nach den Grußworten folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Zukunft der Kriminalpolitik“, hervorragend moderiert von der Strafrechtsprofessorin Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Reindl-Krauskopf. In der Diskussion wurden viele Aussagen der vorangegangenen Grußworte wieder aufgegriffen, wie die fortgeschrittene Digitalisierung, die erst Eingang in die Strafprozessordnung finden müsse. Die Diskutant:innen waren sich einig, dass die Politik durch den Druck von außen dazu neigt, in eine Anlassgesetzgebung abzugleiten. Mag.a Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, pochte vor allem darauf, dass es in der Praxis für eine Gesamtschau nach bestimmten Ereignissen Zeit brauche. Würden anlassbezogen nur Strafrahmen geändert, passe das gesamte Strafrecht nicht mehr zusammen. Richter Dr. Oliver Scheiber sieht im Kriminalpolitischen Arbeitskreis ein gutes Modell für das gesamte Land. Hier könne man Themen der Zukunft diskutieren und aktuelle Herausforderungen sichtbar machen. Gemeinsam sprachen sich der Antikorruptionsexperte Mag. Martin Kreutner und Mag.a Koller in ihren Wünschen am Ende der Diskussion für einen breiten, parteiübergreifenden Diskurs aus, um eine ganzheitliche Strafprozessreform anzustoßen. Außerdem brauche es auch, wie von Univ.-Prof. Alois Birklbauer aus dem Publikum angesprochen, eine bessere Bildungs-, Migrations- und Sozialpolitik, damit die Kriminalpolitik hier nicht Lückenfüller sein müsse.
Zum Abschluss bedankte sich Dr. Paul Grünbacher, Vorsitzender des Forum St. Severin, herzlich bei Dr.in Brigitte Loderbauer, ohne deren Engagement der kriminalpolitische Arbeitskreis nicht so ein Erfolg wäre, und wünschte alles Gute für die Zukunft.
Der Abend wurde musikalisch vom Duo "Flora & Lukas" umrahmt.
Zum anschließenden Buffet lud der Landeshauptmann.
Rede von Bischof Manfred Scheuer im Wortlaut:
https://www.dioezese-linz.at/institution/9008/wort/database/10811.html