TelefonSeelsorge OÖ startet mit Beratungen in englischer Sprache
In Österreich leben aktuell 2,45 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, in Oberösterreich sind es 338.700. „So vielfältig ihre Hintergründe sind, so vielfältig sind auch ihre Ängste und Sorgen", sagt Silvia Breitwieser, die Leiterin der TelefonSeelsorge 142 – Notruf 142.
Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge © Diözese Linz | Kienberger
Wenn sie in einer Krisensituation Hilfe annehmen, kann allerdings die Sprache zur Hürde werden, denn: „Selbst, wenn alle über sehr gute Kenntnisse derselben Sprache verfügen, ist nicht gewährleistet, dass man sich inhaltlich versteht. Es kann zu Missverständnissen, Fehlinterpretationen, Verwirrung oder gar Konflikten kommen. Die Gesprächspartner:innen sind überzeugt, dass sie sich klar und unmissverständlich ausgedrückt haben – und reden doch aneinander vorbei", gibt Breitwieser zu Bedenken.
Telefonieren und chatten
Doch auch Menschen mit Migrationshintergrund verdienen – wenn sie sich einsam, traurig oder ängstlich fühlen – Ansprache mit Respekt. Da die Anfragen nach englischen Beratungen in den letzten Jahren gestiegen sind, startet die TelefonSeelsorge - Notruf 142 mit 17. November eine niederschwellige, englischsprachige Beratung, die unter der Notrufnummer 142 jeden Sonntag von 13.00 bis 17.00 Uhr zu erreichen ist. Für Menschen, die über ihre Ängste und Sorgen lieber schreiben, als darüber zu reden, gibt es unter www.onlineberatung-telefonseelsorge.at täglich von 16.00 bis 23.00 Uhr die Möglichkeit auf Englisch zu chatten und zu mailen.
Beratungen in englischer Sprache werden von den 103 ehrenamtlichen und sieben hauptamtlichen Mitarbeiter:innen schon länger durchgeführt - in Chats häufiger, als am Telefon, wie Breitwieser betont. Denn viele der Berater:innen sprechen so gut englisch, dass dies möglich war. Doch nun wird das Angebot fix verankert.
Caritas mit Dolmetschern erfolgreich
Langjährige Erfahrung in der Beratung und Unterstützung von zugewanderten Menschen hat auch die Caritas OÖ. „Somit ist auch Mehrsprachigkeit und Dolmetschen ein fester Bestandteil unserer Arbeit", betont Marion Huber, Vorstandsmitglied der Caritas OÖ. So etwa seien in den 15 Caritas-Sozialberatungsstellen, der Beratung und Hilfe für Menschen in existenziellen Notlagen, etwa 50 Prozent der Klient:innen nicht in Österreich geboren. Geht es um sehr komplexe Themen, muss (video-)gedolmetscht werden.
Marion Huber, Vorstandsmitglied der Caritas OÖ. © Diözese Linz | Kienberger
Herausfordernder ist es in der Grundversorgung bei den Asylsuchenden, da diese meistens über keine Deutschkenntnisse verfügen. „Hier arbeiten wir sowohl mit Dolmetsch als auch mit Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen. Jene Menschen, die einen positiven Asylbescheid bekommen und in Österreich bleiben dürfen, beraten wir im Projekt ICE. Hier bieten wir auch muttersprachliche Beratungen in Englisch, Arabisch, Kurdisch, Persisch/Farsi, Somali, Ukrainisch, Russisch, Georgisch und Serbokroatisch an. Bei den Beratungen geht es vor allem um Wohnungssuche, Mietverträge, Arbeitssuche und das Gesundheitssystem", sagt Huber.
Zudem gibt es Mitarbeiter:innen mit Fremdsprachenkenntnissen, etwa in der Kontaktstelle für Armutsmigrant:innen, beim Integrationszentrum Paraplü in Steyr oder beim Projekt Rückenwind.
Eine zunehmend wichtige Rolle bei Beratungen nimmt auch das Google-Übersetzungstool ein. Dass allerdings oftmals Kinder als Dolmetsch eingesetzt werden, erachtet Huber als problematisch, besonders, wenn es um Themen geht, die nicht altersgerecht sind oder mit denen Kinder üblicherweise nicht konfrontiert werden.
Leistbare Deutschkurse
Für Huber steht jedenfalls fest – bei all den mehrsprachigen Angeboten, die wir haben –, dass das Um und Auf das Erlernen der deutschen Sprache sei. Sie fordert daher den Ausbau von leistbaren Deutschkursangeboten auch in ländlichen Regionen. Zwar habe das Land in letzter Zeit dafür viel Geld in die Hand genommen, dennoch müssen die sehr teuren Kurse oftmals noch selbst bezahlt werden, etwa wenn es um den Familiennachzug geht. Zudem gebe es kaum fachspezifische Kurse.
Beratung in Muttersprache wichtig
Um die Wichtigkeit der Beratung in der Muttersprache weiß Mümtaz Karakurt, der Geschäftsführer von migrare OÖ, der 1979 aus der Türkei nach Österreich kam: „Gemeinsame Sprache schafft auf beiden Seiten Sicherheit, Vertrauen und Akzeptanz", sagt er. Das Reden in der Erstsprache werde direkter, emotional besetzter und werde unmittelbarer erlebt. Es gebe sogar Bereiche, die nur in der Muttersprache adäquat gefühlt, gedacht, ausgesprochen, erörtert und verstanden werden können.
Mümtaz Karakurt, Geschäftsführer von migrare OÖ,© Diözese Linz | Kienberger
migrare bietet seit 40 Jahren im Auftrag unterschiedlicher Fördergeber:innen oberösterreichweit inklusionsfördernde Beratungen und Projekte an. Etwa die niederschwellige Rechts-, Sozial- und Arbeitsmarktberatung, bei der es um den Zugang zum Arbeitsmarkt geht. Immer bedeutender werde die psycholsoziale Beratung. „Bei der kompetenzorientierten Intensivberaten merken wir, dass immer mehr arbeitslos gewordene Menschen Hilfe brauchen", sagt Karakurt. Unterstützung für gut ausgebildetes Personal bietet AST, die Anlaufstelle für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen. Dazu kommen noch die Bildungsberatung, ein Nachbarinnen-Projekt mit ausgebildeten Migrant:innen, Hilfe bei Erziehungsfragen (mama_stark) und Gruppentreffen (Zeit für Dich).
Immer mehr Armutsbetroffene
Auch bei migrare sieht man sich mit Herausforderungen konfrontiert: Die Armutsbetroffenheit sie in den letzten fünf, sechs Jahren stark angestiegen, weiß Karakurt. Ebenso Diskriminierung und Ausgrenzung sowie unsachliche gesellschaftliche und politische Diskurse, die diffamieren und diskriminieren. Dazu kommen erhöhte Arbeitslosigkeit und Teuerung.
Suche nach Berater:innen
Die TelefonSeelsorge ist zurzeit auf der Suche nach Menschen zwischen 24 und 65 Jahren, die belastbar sind sowie Einfühlungsvermögen und Interesse an einer ehrenamtlichen Aufgabe haben. Um gut vorbereitet in die Tätigkeit zu starten, startet im März 2025 in Oberösterreich eine 14-monatige Ausbildung. Weitere Informationen auf www.ooe.telefonseelsorge.at.