"Schreiben hilft" - Fachtagung Onlineberatung
Diese Tagung war eine Kooperationsveranstaltung von BEZIEHUNGLEBEN.AT, Caritas Oberösterreich und der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142.
Die Vorträge am Vormittag konnten via Live-Stream online besucht werden.
Sie können die Präsentationen der Vorträge von Petra Risau zum Thema „Blended Counseling“ und von Mag. Gerhard Hintenberger zum Thema „Onlineberatung 2.0: Die Zukunft ist jetzt“ hier nachlesen:
Ein vielfältiges Workshopangebot am Nachmittag rundete die Tagung ab und vertiefte die Gedanken der Vorträge.
Blended Counseling – Die Beratungsform der Zukunft
Petra Risau begann ihren Vortrag mit einem Blick auf die Zeit vor, während und nach Corona. Lange war face-to-face der Goldstandard in der Beratung, mittlerweile geht der Weg hin zur Institutionalisierung überwiegend textgebundener Beratungsformate. Die Onlineberatung hat viele Menschen durch die Corona-Krise begleitet und ist zum Erfolgsmodell geworden. Es gibt eine Entwicklung neuer Beratungspraktiken, vor allem im Bereich der Videoberatung – der Wechsel des Settings ist möglich, wenn er bewusst, reflektiert und individuell geschieht. Wann welches Format für welches Anliegen sinnvoll ist, ist sehr individuell. Schreiben schafft Beziehung – es wird eine Vertrauensbasis geschaffen. Bei den verschiedenen Formaten gibt es die folgenden Spezifika zu beachten:
- Bei der Mailberatung ist keine unmittelbare Krisenintervention möglich, da sie asynchron erfolgt und “das Wesentliche zwischen den Sitzungen passiert“.
- Die Chatberatung ermöglicht oft ein sehr fokussiertes Arbeiten an einem bestimmten Thema
- Die Messengerberatung ist multimedial und intermedial, es gibt viele Möglichkeiten (Smileys, Links, Fotos, Sprachnachrichten, …) mit besonderen Wirkmechanismen und es ist eine latente Konversation möglich (scrollbar)
- Bei der Videoberatung ist ein safe place wichtig - es ist kein Augenkontakt möglich über die Kamera, sie ist vor allem für Bestandsklientinnen eine gute Möglichkeit.
- Blended Counseling bedeutet die Kombination von Beratungskanälen innerhalb eines Beratungsprozesses, durch eine(n) Berater:in
Bereits durch die Auswahl des Kanals geschieht eine Intervention. Evaluationen zeigen, dass die Effektivität steigt durch bewusstes Blended Counseling. Covid gab hier wichtige Entwicklungsimpulse, eine Rückkehr zu vorher ist nicht mehr möglich.
Im zweiten Vortrag des Vormittags präsentierte Mag. Gerhard Hintenberger einen Ausblick auf die Zukunft der Onlineberatung in sechs Thesen:
Onlineberatung 2.0 - Die Zukunft ist jetzt
These I: Durch die Vielfalt digitalisierter Kommunikationsumgebungen erhält die Settingwahl zunehmend den Stellenwert einer Intervention.
Beratungsbeziehung online bedeutet auch, dass Ratsuchende mit sich selbst in Kontakt kommen (Selbstreflexives und zeitautonomes Schreiben)
Vorteil: Wenn die Veränderung passiert, ist das Gefühl von Selbstwirksamkeit größer als in der Präsenzberatung, da der Klient/die Klientin allein im Raum ist. Die Sinneskanalreduktion und Anonymität ermöglicht ein rascheres Sich-öffnen und eine Reduktion von Scham bzw. Angst.
These II: Messenger ist die Zukunft
Messengerdienste sind niederschwellig und gleichzeitig hochfrequent, ein bedarfsorientierter Einsatz unterschiedlicher Kommunikationskanäle ist möglich. Die Herausforderung: Rahmen und Frequenz müssen gut geklärt und abgestimmt werden.
THESE III: Blended Counseling (in seinen unterschiedlichen Ausformungen) wird den Beratungsalltag prägen.
THESE IV: Onlineberatung wird (muss) auch auf Social-Media-Kanälen stattfinden.
Onlineberatung auf Social-Media: Kontaktaufnahme erfolgt über die jeweilige Social Media Community, Chats können auf Facebook oder Whatsapp auch isoliert werden.
THESE V: Onlineberatung wird eine Erweiterung durch „hybride Praktiken“ (Weinhardt) erfahren.
THESE VI: Der Einsatz künstlicher Intelligenz wird im Kontext der Onlineberatung als selbstverständlich angesehen werden.