Mein Priestersein: mein Beruf oder meine Berufung?
Am 19. August 1995 wurde ich zum Priester in meiner Heimatdiözese Awka in Südost Nigeria geweiht. In diesen 27 Jahren kann ich aus Erfahrung nämlich behaupten, wenn einem ein Beruf so Spaß macht, wird er zum Hobby, dann wird der Beruf zur Berufung! Ja, ein Hobby ist eine Aktivität, die man aus Leidenschaft macht und nicht hauptsächlich um einen Lebensunterhalt zu verdienen. Natürlich ist es umso besser, wenn man einen Lebensunterhalt dabei verdienen kann. So ist mir das Priestertum zum Hobby bzw. zur Berufung geworden.
Als ich mit 12 Jahren ins Knabenpriesterseminar (wie das Petrinum hier in Österreich) eintrat, fühlte ich mich dort wohl, trotz aller Entbehrungen, die ich erlebte. Das Knabenpriesterseminar war ein Internat, das wir kaum verlassen durften, außer für Urlaube am Ende jedes Trimesters. Einmal im Monat gab es einen Besuchstag, meist am 1. Sonntag des Monats. So einen Besuch von meiner Familie hatte ich bis zum Schulabschluss (wie die Matura) nie. Trotzdem war ich nicht traurig. Acht Jahre Priesterseminar, wo ich Philosophie und Theologie studierte, verliefen auch nicht anders als das Knabenpriesterseminar, außer, dass wir nur einmal in der Woche (maximal zweieinhalb Stunden) das Priesterseminar verlassen durften, was für Kollegen in den normalen Secondary Schools unvorstellbar war. Trotzdem fühlte ich mich im Priesterseminar wohl und daheim. Dies waren die ersten Zeichen zur Berufung.
Dann kam die Priesterweihe. Im Laufe der 15-jährigen Ausbildung (1980-1995) zum Priester wurde oft betont, was es für Priester bedeuten würde, nach der Priesterweihe für immer in Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit zu leben. Ehrlich gesagt, wer die Ausbildung und Trainings im Knabenpriesterseminar und Priesterseminar ernst genommen und ehrlich durchgemacht hat, war schon durchtrainiert bzw. vorbereitet, diese Gelübde zu leben. Es sei denn man hatte sich getäuscht und nur mitgemacht, um Priester zu werden. Aber warum sollte man sich so etwas antun? Denn in Nigeria ist der Gehorsam gegenüber dem Bischof und den Obrigkeiten fast absolut; Armut ist sowieso angenommen, denn die Priester erhalten keinen Lohn, sondern nur Taschengeld von etwa 50.000 Naira (ungefähr 80 Euro) pro Monat – sie müssen sich ausschließlich auf die Großzügigkeit der Pfarrgemeinden verlassen; last but not the least, die größte Sünde ist, sich in eine Frau zu verlieben!
Trotzdem fühle ich mich wohl und erfüllt, indem mir dieser Beruf sehr Spaß macht, denn er ist mir zur Berufung geworden.
Wie er zu dieser wurde, kann ich aber nicht mit aller Klarheit erklären. Ich würde es wagen mit Liebe bzw. Verliebtheit zu erklären. Die Liebenden bzw. Verliebten machen oft Dinge, die sie vorher für unmöglich halten. Dabei denken sie kaum daran, was sie geopfert bzw. versäumt hätten, nur weil die Liebe so groß ist. Im übertragenen Sinne ist derjenige ein unglücklicher Priester, der sich nicht in seinen Beruf als Priester verliebt hat. Der sudert nur herum, was ihm nicht passt, im Gegensatz zu Liebenden und Verliebten, die sich nur anmerken lassen, was passt und was sie glücklich macht. Dieses Glück bzw. Unglück überträgt natürlich jener Priester bewusst oder unbewusst auf die Pfarrbevölkerung.
Ein paar Rückmeldungen und Komplimente zeigen, dass die Pfarrbevölkerung mein Glück und meine Begeisterung als Priester teilt. Zum Beispiel, als mir eine alte Dame, der ich auf der Straße in Steyr-Tabor begegnete, sagte: „Ich freue mich auf den Sonntag zum wieder Auftanken.“ Oder als eine Oma, die neulich am Gründonnerstag in den Gottesdienst mit einer Enkelin kam, erzählte: „Nach dem Gottesdienst sagte mir meine Enkelin, ‚Oma, heute war der Hl. Geist da.‘“ Solche Anmerkungen ermutigen nicht nur, sondern zeigen, dass wir nur Werkzeuge der Hände Gottes sind!
Pfarrer Dr. Paulinus Anaedu
Pfarradministrator von Hartkirchen, Aschach/Donau und Haibach
Pfarrmoderator von Alkoven und Schönering
Pfarrprovisor von Prambachkirchen und Stroheim
Erschienen in: Unsere Brücke. Juni 2022 bis Dezember 2022, hg. v. Priesterseminar der Diözese Linz, 18f.