Warum ich gerne Priester bin?
Manchmal frage ich mich, wie das gegangen ist, 42 Jahre Priester zu sein. Wie war es und wie war es manchmal zum Aushalten? Ich frage mich: Kann ich einen roten Faden entdecken, der sich durchgezogen hat? Solche Fäden haben es an sich, dass sie unterschiedlich stark sind, manchmal stark wie ein Seil und dann wieder dünn wie ein Zwirnsfaden, oft sogar verborgen. Dann taucht die Unsicherheit auf, ob ich nicht verloren habe. Ich will es probieren, meinen „Faden“ mit einem Gedanken zu umschreiben: „leidenschaftliches Interesse am Alltag der Menschen“
Der Jesuit Christoph Theobald macht dies in seinem Buch „Hören, wer ich sein kann. Einübungen“ zum zentralen Thema in den Berufungsgeschichten.
Wenn ich an meinen Weg zum Priester denke, dann waren es immer wieder Menschen, die an mir Interesse hatten. Sie haben mich gehört, auch wenn ich als Kind bescheiden und unsicher war. Sie haben mir Mut gemacht, haben mir etwas zugetraut.
Wenn ich heute auf die Zeit im Gymnasium und im Priesterseminar zurückblicke, dann erinnere ich mich an das „Einüben der Stille“. Dies ist mir leicht gefallen. Was ich mir rückblickend gewünscht hätte, das wären Menschen gewesen, die sich stärker für mich interessiert hätten, die mich gefragt ja gefordert hätten. Leicht war es ja offenbar nicht, einen eher verschlossenen Menschen aus seinem „Schneckenhaus“ herauszulocken.
Ich denke an ein Gespräch mit einem Ehepaar, ich war damals schon vier Jahre Priester, bei denen ich dies unmittelbar erlebt habe. Christl und Hannes haben mir zugehört, haben einfühlsam nachgefragt, wenn ich ins Stocken gekommen bin. Bei ihnen merkte ich, dass sie mich nicht beurteilen, mich nicht auf ein Priesterbild festlegen. Ich konnte sogar davon erzählen, wie unsicher ich war als ich langsam die Haare verloren habe. Gerne denke ich an dieses Gespräch zurück.
Leidenschaftliches Interesse am Alltag des anderen. Ich merke, dass ich mich selbst befreien muss von allen möglichen „man müsste“, „man sollte“,…um sorgfältig hinzuhören. Wenn ich mich von Gott getragen weiß, dann kann ich für andere da sein. Die regelmäßige Feier der Eucharistie, ob mit fünf Leuten während der Woche oder bei großen Festen, ist eine wesentliche Kraftquelle. Hier spüre ich, dass ich von einem anderen getragen bin, aufgehoben in einem größeren Ganzen. Dies ermutigt mich auf Leute zuzugehen, mich von ihrem konkreten Leben berühren zu lassen. Dazu eine Begegnung aus der letzten Zeit:
Ein Ehepaar kommt mit ihrem Kind wegen der Taufe. Bei der Aufnahme der Daten merke ich ihre Unsicherheit. Kirchenaustritt, große Distanz zum Glauben,… Ich bleibe nicht bei diesem Thema, sondern frage sie, wie die Geburt des Kindes war. Sie erzählen von der Angst nach der schwierigen Entbindung um ihr Kind. Sie erzählen, wie sie die ersten Tage erlebt haben. Alles war schwierig. Jetzt sind sie da und wir reden von der Taufe, von der Freude über ihr gesundes Kind. Es ist ein Fest des Lebens, das wir dann miteinander feiern. Was gibt es Schöneres, als mit den Eltern das Geschenk des Kindes zu feiern. Nicht nur die Eltern und Paten, oft bin ich da selber den Tränen nahe – so hautnah am Leben zu sein. - Da bin ich gerne Priester.
Mag. Johann Hammerl
Pfarrer in Bad Goisern
Expositus in Obertraun
Pfarrprovisor in Gosau
Erschienen in: Unsere Brücke. Juni 2022 bis Dezember 2022, hg. v. Priesterseminar der Diözese Linz, 24f.