Gelebte Freundschaft mit Gott
Teresa von Avila beschreibt den geistlichen Weg des Menschen als freundschaftliche Beziehung. „Meiner Meinung nach ist inneres Gebet nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“ (V 8,5). Diese Beziehung gestaltet unser Leben aus der Liebe und bewirkt eine Entwicklung vom „Macher“ zum „Empfänger“. „Ich möchte nur, dass ihr euch bewusst seid, dass es nicht darauf ankommt, viel zu denken, sondern viel zu lieben.“ (4M 1,7).
Ihren Schwestern schreibt sie: „Ich bitte euch ja gar nicht, dass ihr an ihn denkt … ich will, dass ihr ihn anschaut“. (CE 42,3) Das Anschauen einer Christusdarstellung heilte nach fast 20 Jahren Klosterleben ihre innere Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht nach Gott und den Ablenkungen durch die „Freuden der Welt“ (V 8,11). Im Anschauen dieses Bildes begriff sie, dass sie mit ihren Unvollkommenheiten geliebt ist!
Johannes vom Kreuz spricht vom „schönmachenden Blick Gottes“. Der Mensch ist seinem Wesen nach schön, weil er von Gott erschaffen, angesehen und geliebt ist. Die Bekehrung des Menschen ist, den schönmachenden Blick Gottes zu erwidern.
Wenn Menschen die Gottsuche ernst nehmen, so nur, weil „der große König, der in der [innersten] Wohnung dieser Burg (Seele) weilt, (...) sie wie ein guter Hirte mit einem so zarten Pfeifen, dass sie es kaum selber merken, seine Stimme hören lässt, damit sie … in seine Wohnung zurückkehren.“ (4M 3,3). Gott hat unendliche Sehnsucht nach der Freundschaft mit uns Menschen und es gibt kaum eine Situation in unserem Leben, die wir nicht als Liebeswerben Gottes verstehen könnten.
Beten und Leben als Einheit
Geistliches Leben meint, das ganze Leben von Gott her und auf ihn hin zu leben. „Es wäre schlimm, wenn man nur in den Schlupfwinkeln inneres Beten halten könnte! Die Liebe hat sich nicht in Schlupfwinkeln zu zeigen, sondern mitten in den alltäglichen Gelegenheiten“ (F 5,16.15). Darauf spielte Teresa an, als sie schrieb: „Wenn euch der Gehorsam Beschäftigung mit äußeren Dingen aufträgt, dann versteht, dass der Herr zwischen den Kochtöpfen weilt, …, und euch innerlich und äußerlich hilft“ (F 5,8).
Arbeit und Einsatz schmälern zwar die Zeit der ausschließlichen Pflege der Freundschaft mit Gott, nicht aber die Freundschaft mit Gott selbst. Die Sehnsucht, im Gebet bei Gott zu sein, ohne den Einsatz für das Reich Gottes zu vernachlässigen, ist ein Zeichen für eine gesunde Spiritualität. Kontemplation schließt ein, dass wir unsere Aufgaben im Alltag erfüllen und den Menschen mit unseren Fähigkeiten dienen. Die Strahlkraft unseres apostolischen Einsatzes kommt aus der Verwurzelung des eigenen Selbst in Gott.
Teresa weist für das Gebet auf drei Grundhaltungen hin. „Bevor ich über das innere Beten etwas sage, will ich ein paar Dinge nennen, die für alle, …, notwendig sind. Der erste Punkt ist die gegenseitige Liebe, ein weiterer das Loslassen alles Geschaffenen, und noch ein weiterer wahre Demut, die der wichtigste ist und alle anderen umfasst.“ (CE 5,3; 6,1)
Demut, Loslassen und Nächstenliebe sind nicht Vorleistungen sondern Konsequenzen der Beziehungsqualität inneren Betens. Demut ist Wahrheit. Wenn wir Gott näher kommen, kommen wir auch der eigenen - unbequemen, aber zutiefst befreienden - Wahrheit unserer Existenz näher. „Ich halte einen Tag demütiger Selbsterkenntnis, auch wenn er uns viele Nöte und Mühen gekostet hat, für eine größere Gnade des Herrn als viele Tage inneren Betens.“ (F 5,16). Und sie ermutigt: „Möge es Gott gefallen, …, uns die Gnade zu schenken, dieser Selbsterkenntnis nie davonzulaufen!“ (6M 10,7), denn auch diese Erfahrung war ihr nicht fremd. Wenn wir uns „im Spiegel Christi anschauen“ (7M 2,8), erkennen wir unsere unvergleichliche Würde als Gottes Geschöpf.
Die Nächstenliebe - auch zu jenen Nächsten, die mir ‚auf den Wecker gehen’ - ist der Prüfstein für unsere Gottesliebe. „Ob wir Gott lieben, kann man nie wissen …, die Liebe zum Nächsten erkennt man aber sehr wohl.“ (5M 3,8). Andererseits ist Teresa überzeugt „dass wir nie so weit kommen werden, die Nächstenliebe in Vollkommenheit zu haben, wenn sie nicht nach und nach aus der Wurzel der Gottesliebe erwächst“ (5M 3,9).
Sr. Michaela Pfeiffer-Vogl, Generaloberin der Marienschwestern vom Karmel
Erschienen in: Unsere Brücke. Juni 2017 bis Dezember 2017, hg. v. Priesterseminar der Diözese Linz, 22f.