Freitag 13. Dezember 2024

ORF-Weihnachtsansprache 2009

Ansprache im ORF-Radio am 24. Dezember 2009

Liebe Hörerinnen, liebe Hörer,

ich grüße Sie alle am Beginn dieser Heiligen Nacht ganz herzlich. Heute ist Heiliger Abend und es gibt wohl kaum einen anderen Tag im Jahr, der mit so vielen Gefühlen, Erinnerungen, Erwartungen und manchmal auch mit Enttäuschungen verbunden ist, wie dieser 24. Dezember. Wahrscheinlich werden auch Sie diesem Tag heute ein ganz besonderes Gepräge gegeben haben. Vielleicht haben Sie alleine oder mit ihrer Familie den Christbaum geschmückt. Viele Menschen nehmen sich am 24. Dezember Zeit, die Gräber ihrer Verstorbenen zu besuchen. Vielleicht sind sie am Nachmittag mit ihren Kindern oder Enkelkindern in eine der vielen Kinderandachten gegangen, die in den Pfarren gefeiert wurden und haben das Friedenslicht mit nach Hause genommen. Viele von Ihnen werden am Vormittag noch zur Arbeit gegangen sein, weil sie als Verkäuferin oder Verkäufer arbeiten. Ich möchte an dieser Stelle auch jene erwähnen, die in diesen Stunden nicht zu Hause sein können, weil sie jetzt gerade ihren Dienst tun: In den Krankenhäusern und Altenheimen, auf den Polizeistationen oder in den Betrieben für den öffentlichen Verkehr. Auch für mich ist der Heilig Abend mit vielen Erinnerungen verbunden.

In den Wochen des Advents und am heutigen Tag werden gerne Geschichten erzählt. Auch ich habe heute eine kurze Geschichte mitgebracht. Sie stammt von Astrid Lindgren und handelt vom Michel aus Lönneberga. Auf den ersten Blick ist es keine explizite Weihnachtsgeschichte, aber beim zweiten Hinsehen kann sie uns doch helfen das Geheimnis des Weihnachtsfestes besser zu verstehen. Der fünf oder sechsjährige Michel aus Lönneberga erlebt viele Abenteuer mit seiner Schwester, seinen Eltern, dem Knecht und der Magd. Eine Szene ist mir in besonderer Erinnerung:  Eines Tages ist es soweit und der kleine Michel kommt in die Schule. In einer der darauffolgenden Schulstunden passiert nun folgendes. Die Lehrerin holt den Michel an die Tafel, damit er die angeschriebenen Rechnungen löst. Das macht der Michel auch geschickt, denn er ist ein guter Schüler; und nach dem Michel an der Tafel zu Ende gerechnet hat, bleibt er still neben der Lehrerin stehen. Die Lehrerin fragt ihn: Michel, was ist, du kannst dich wieder auf deinen Platz setzen. Michel bleibt noch einen kurzen Augenblick stehen -  und -  er gibt dann der Lehrerin einen Kuss. Die Lehrerin fühlt sich natürlich vollkommen überrumpelt und fragt den Michel: Ja, Michel warum hast du das getan: Und Astrid Lindgren lässt dann den Michel antworten: Das habe ich aus meiner großen Güte heraus getan.

Mit dem Weihnachtsfest feiern wir Christen die Geburt Jesu, wir feiern, dass Gott Mensch wurde in Jesus von Nazareth; und, um mit dem Bild des Kusses zu sprechen, könnten wir auch sagen: Mit dem Fest Weihnachten feiern wir, dass Gott - der Welt – die Liebe und Zuneigung gezeigt hat. Das ist das große Geschenk das Gott uns gemacht hat und das wir in dieser Heiligen Nacht feiern: In Jesus von Nazareth ist Gottes Liebe, ist seine Güte in einmaliger Weise sichtbar geworden.

Vielleicht hat es in diesem Jahr Ereignisse gegeben, die es Ihnen schwer gemacht haben, an diese Liebe und der Zärtlichkeit, die Gott uns schenkt, zu glauben: Ich denke an jene, die einen lieben Menschen verloren haben und eine Zeit der Trauer erleben müssen. Ich denke an alle, die in diesem Jahr durch die Wirtschaftskrise ihren Arbeitsplatz verloren haben und sich sorgen um ihre Zukunft. Ich denke an Menschen, die in diesem Jahr in ihren Beziehungen und Familien Krisen durchstehen mussten und die sich vielleicht gerade heute alleine und enttäuscht fühlen. Manchmal tragen wir als Kirche, die auch Fehler macht selber dazu bei, dass der Blick auf die Liebe und Güte Gottes verstellt wird.

Das Weihnachtsfest erinnert uns, dass wir den Blick wenden können. Weg von dem was uns belastet und niederdrückt hin zum Kind in der Krippe im Stall, das uns Hoffnung und Zuversicht schenkt. In diesem Kind leuchtet uns die Zusage Gottes auf, dass er diese Welt nicht alleine lässt. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren.“ Mit diesen Worten verkünden die Engel den Hirten die Heilsbotschaft von der Geburt Jesu. Aufgrund dieser göttlichen Zusage dürfen wir dem Leben trauen. Alfred Delp, ein Jesuit, der von den Nationalsozialisten ermordet wurde, drückte dieses Vertrauen und diese Gewissheit mit den Worten aus: „Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“

Menschen, die Gott und dem Leben trauen, besitzen die Fähigkeit sich auch mutig für das Leben einzusetzen. Viele Heilige sind dafür ein gutes Beispiel.  Die gesellschaftlichen Herausforderungen auf die wir zugehen, verlangen nach Frauen und Männern, die mutig und couragiert Zukunft gestalten. So werden wir beispielsweise Menschen in unserer Gesellschaft brauchen, die den Weg des Zusammenhalts und nicht der Ausgrenzung suchen. Wir brauchen Menschen, die uns Wege zu einem nachhaltigen Lebensstil bahnen, der das gute und gerechte Leben aller Menschen dieser Erde ermöglicht.

Gott hat unsere Welt nicht alleine gelassen. Das ist die tröstende Botschaft dieser Heiligen Nacht auf die wir unser Leben bauen können, denn Gott betrügt uns nicht.

So darf ich für Sie alle Gottes reichen Segen erbitten und wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtfest.  
 

(mp)

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