Dienstag 23. Juli 2024

Fastenhirtenbrief 2015

 

Hirtenbrief des Bischofs zur Fastenzeit: Gedanken zum Gebet

 

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Mit der Bitte „Herr, lehre uns beten!“[1] traten eines Tages die Jünger an Jesus heran, lesen wir beim Evangelisten Lukas. Jesus hat ihnen daraufhin das Vater Unser gelehrt. Auch wir Christinnen und Christen heutzutage wünschen uns, mit Gott angemessen sprechen zu können. Jeder und jede von uns hat unterschiedliche Erfahrungen mit Gebetsformen und Gebetszeiten. Manchmal tut es aber gut, das eigene Gebetsleben zu überdenken. In diesem Hirtenbrief zu Beginn der Fastenzeit möchte ich Ihnen einige Gedanken mitteilen:

 

Gebet stiftet Beziehung zu Gott

 

Wenn ich bete, führe ich keine Selbstgespräche – nein ich spreche mit Gott, zu dem ich „Du“ sagen darf. So wie es uns Jesus im Vater Unser lehrt. Wir dürfen uns vertrauensvoll an ihn als unseren Abba – Vater[2] wenden. Diese Anrede drückt die große Nähe Gottes aus, dem wir ein großes Anliegen sind. Der hl. Augustinus hat in seinem Psalmenkommentar einmal das Wort gebraucht: „Gott hat sein Ohr an deinem Herzen“[3]. Der heilige Papst Johannes Paul II spricht davon, dass wir uns im Gebet zum „engsten Vertrauten“ Christi machen. [4] Im Gebet können wir die Nähe Gottes spüren.

 Wie jede zwischenmenschliche Beziehung muss auch die Beziehung zu Gott im Gebet gepflegt werden. Es muss auch Zeit und Hingabe investiert werden. Ich weiß von vielen berufstätigen Menschen, die sagen, dass ihnen zum Gebet schlicht die nötige Zeit fehle. Schließlich müsse man Familie, Beruf und Freizeitaktivitäten unter einen Hut bringen. Das Gebet soll aber keine Konkurrenz sein, sondern den Alltag bereichern. Es ist gewiss nicht einfach, die nötige Zeit zu finden. Versuchen Sie es aber immer wieder, suchen Sie sich einen passenden Gebets-Ort, schaffen Sie für sich eine Gebetsatmosphäre, die für Sie stimmig ist. Oder sprechen Sie auf dem Weg zur Arbeit ein kurzes Gebet. Auch wenn es nicht immer gelingen mag – Gott weiß um den guten Willen und es kann das Wort Trost geben: „Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles“[5]. Lassen Sie sich ein auf Gott, er ist schon da und wartet auf Sie!

 

Gebet in Gemeinschaft

 

Wir Christinnen und Christen sind keine Einzelgänger. Nein, wir versammeln uns Sonntag für Sonntag, um unseren Glauben gemeinsam zu feiern. Im Gebet ist in verdichteter Form diese Gemeinschaft im Glauben erfahrbar: Welche Kraft geht doch von einem Vater Unser aus, das von einer ganzen Gottesdienstgemeinde gebetet wird. Gemeinschaftsformen des Gebets gibt es aber auch in kleinem Kreis, besonders in der Familie. Ich kenne viele Menschen, die sich treffen, um Gott zu loben, zu danken, zu bitten und für andere zu beten. Menschen, die den Rosenkranz beten, die wallfahren, die Gott in Gesängen oder in stiller Meditation die Ehre erweisen. Die Formen der Spiritualität sind mitunter sehr unterschiedlich. Aber alle sollen sie von der Kraft der Gemeinschaft getragen sein. Und die Betenden haben die Gewissheit, dass Gott mitten unter ihnen ist.

 

Gebet als Einübung in den Glauben

 

Wie lernen Menschen das Beten? Es geschieht durch Vorbilder und Menschen, die uns das Beten lehren und selbst beten. Wie auch sonst in der religiösen Erziehung tragen die Eltern die Hauptverantwortung, dass Kinder das Beten lernen. Es ist eine schöne, aber auch herausfordernde Aufgabe. Kinder spüren sofort, was Eltern wichtig ist. Das gilt auch für das Gebet.

Wichtig ist dabei auch, eine gewisse Regelmäßigkeit und gute Rituale einzuhalten. Diese werden von Kindern ohnehin gerne eingefordert: Ein Gebet vor der Mahlzeit und vor dem Einschlafen, ein Kreuzzeichen auf die Stirn bevor das Kind außer Haus geht. Mit diesen Gebeten und Ritualen wird ausgedrückt, dass Gott in unserem Alltag anwesend ist. Er vergisst uns nicht und wir vergessen ihn nicht. Gebet ist so etwas wie sprechender Glaube[6]. Deshalb möchte ich alle Eltern und auch Großeltern ermutigen, mit den Kindern zu beten und sie mit den biblischen Geschichten vertraut zu machen. Feiern Sie im Kreis der Familie die Feste im Kirchenjahr mit der Hauskirche. Kinder üben sich so in den Glauben ein. Ein Glaube, der ihnen von uns Erwachsenen vorgelebt werden muss.[7]

 

Wir haben einen reichen Gebetsschatz

 

Aus der Bibel sind uns viele Arten des Betens vertraut. So finden wir in den Psalmen einen reichen Gebetsschatz vor, den wir benützen können. Die Sprache dieser alten Gebete wirkt vielleicht auf den ersten Blick fremd. Doch in ihnen wird uns in kräftigen Bildern die Vielfalt menschlichen Betens vor Augen geführt: Gott wird gepriesen und gelobt, er hört aber auch die Klagen, das Hadern und die Nöte. Auch heutige Theologen und Schriftsteller haben eine Unzahl an guten und wichtigen Gebeten geschrieben, auf die wir zurückgreifen können. Nehmen Sie nur beispielsweise das neue Gotteslob zur Hand, das neben den Grundgebeten und Psalmen eine Vielzahl moderner Gebete enthält. Wir müssen also nicht jedes Gebet neu erfinden.

Liebe Schwestern und Brüder! Für die nun beginnende österliche Bußzeit wünsche ich uns allen, dass wir uns immer wieder neu auf das Gebet einlassen können. Es möge auf unser Leben als Christin und als Christ in der Welt ausstrahlen, so wie Papst Franziskus es in einer Kurzbotschaft zur Fastenzeit formulierte: „Das christliche Leben hört nicht beim Gebet auf.“[8]

 

Linz, am 31. Jänner 2015, dem 200. Todestag des heiligen Johannes Bosco

 

Dr. Ludwig Schwarz SDB

Bischof von Linz

 

 



[1] Lk 11,1

[2] vgl. Mk 14,36; Röm 8,15; Gal 4,6

[3] Augustinus, Psalmenkommentar zu Ps 148, zit. n. C. Schütz, Art. „Gebet“, 438, in: ders. (Hg.), Lexikon der Spiritualität, Freiburg i. Br. 1988.

[4] Vgl. Johannes Paul II, Apostolisches Schreiben „Novo Millennio ineunte“, Nr. 32.

[5] 1 Joh 3,20

[6] G. Greshake, Beten im Angesicht des drei-einen Gottes, in: W. Lambert/M. Wolfers (Hgg.), Dein Angesicht will ich suchen. Sinn und Gestalt christlichen Betens, Freiburg i. Br. 2005, 48-63. S. 57.

[7] Vgl. Instrumentum Laboris zur III. außerordentlichen Generalversammlung der Bischöfe zu den pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung 2014. Nr. 134.

[8] Papst Franziskus, Twitter-Botschaft vom 27.3.2014.

 

 

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