Montag 6. Januar 2025

Gedenkveranstaltung „Dr. Johann Gruber – Christ und Märtyrer“ am 25.10.2009

Referat zur Gedenkveranstaltung „Dr. Johann Gruber-Christ und Märtyrer“ am 25.10.2009 in St. Georgen an der Gusen

Grubers gelebte Christusnachfolge


Geschätzter Herr Paul Brusson!
Werte Damen und Herren, die Sie das gläubige und menschliche An-denken an Papa Gruber wach halten und in mühevollen Nachforschun-gen ans Licht gebracht haben.

Die Auseinandersetzung mit der Person des Priesters und Pädagogen Dr. Johann Gruber lässt einen nicht unberührt, sie geht unter die Haut, vor allem jene Zeit, die er als KZ-Häftling in Gusen verbringen musste, und wo er auch auf grausamste Weise zu Tode kam. Zeitzeugen wie Herr Paul Brusson, die ihm im Zwangs- und Vernichtungslager Gusen begeg-net sind, fühlen seit ihrer Befreiung aus der NAZI-Hölle den Drang, von Papa Gruber zu erzählen, der immer ein Wort des Trostes für sie hatte, der gegen jede Hoffnungslosigkeit Hoffnung schenkte, der für viele aus ihren Reihen zum Lebensretter wurde. Es freut uns und es ehrt Dr. Gru-ber, dass sich ein Mann wie Herr Brusson noch im hohen Alter auf den Weg in ein Land macht, in dem er in jungen Jahren als Opfer eines men-schenverachtenden Regimes in das KZ Gusen kam. Er tut dies für Papa Gruber, seinen Lebensretter.

Weder als Priester noch als Pädagoge war Dr. Johann Gruber ein typi-sches Kind seiner Zeit. Er war eine starke Persönlichkeit und für manche Leute, vor allem im Bereich der Blindenanstalt, der er als Direktor vor-stand, kein einfacher Zeitgenosse. Unbequem war er allerdings nicht in erster Linie gegen jemanden, sondern vielmehr für jemanden. Selbst als Waisenkind aufgewachsen, das das Glück erfahren durfte ein Gymnasi-um zu besuchen, erkannte er später, dass ihm die Bildung besondere Möglichkeiten für das Leben ermöglicht hatte. Es lag ihm als Lehrer mit Leib und Seele daran, diese Möglichkeit zur Bildung auch anderen be-nachteiligten Kindern zukommen zu lassen und dafür nahm er durchaus Konflikte mit Lehrern oder Erziehern in Kauf, die noch in einer Pädago-gik der Distanz und der Züchtigung verwurzelt waren. Dr. Gruber hatte ein gänzlich anderes Menschenbild. Ihm, der sicher immer auch sein ei-genes Waisenkind-Sein vor Augen hatte,  ging es vor allem um das Le-bensglück der Kinder. Aussagen von ehemaligen Schülerinnen und Schülern bestätigen, dass er höchst gebildet war, sein Unterricht an-schaulich und gut verständlich gewesen ist und er die Kinder fesseln konnte. Dazu hatte er Humor und Witz. Die Kinder mochten ihn. Und Dr. Gruber ging den Weg für das Lebensglück der Kinder, den er als richtig erkannte, kompromisslos.

Der Priester Dr. Johann Gruber hatte nicht ständig Jesus Christus auf den Lippen, aber er hatte ihn im Herzen. Seine Fürsorge, sein sich An-nehmen um jene, die ihm anvertraut waren - die Gott ihm anvertraut hat-te - ist Ausdruck seiner Christusnachfolge, seiner Gottes- und Nächsten-liebe.

Noch spürbarer und sichtbarer wird seine Christusnachfolge in seinem Verhalten, in seinem Handeln für Mithäftlinge im KZ Gusen. Das Inte-resse an Geschichte und Archäologie und sein Fachwissen darin führte dazu, dass er als KZ-Häftling die Verantwortung für Ausgrabungen in der Nähe des Lagers Gusen zugeteilt bekam. Dadurch konnte er sich viel außerhalb des Lagers aufhalten und hatte innerhalb eine privilegierte Stellung inne. Dr. Gruber hätte durch seine Position das Konzentrations-lager überleben können. Doch er war auch hier in Gusen kein Eigenver-sorger, sondern wiederum jener Fürsorger, der er bereits als Ältester für seine Geschwister nach dem frühen Tod der Eltern, für die Kinder im Waisenhaus sowie für die Mädchen und Buben in der Blindenanstalt gewesen war. Er konnte nicht Christus nachfolgen und dabei die ge-schlagenen, kranken, hungernden und hoffnungslosen Mithäftlinge ein-fach aus seinem Blickfeld verbannen, auch wenn dies doch wieder den eigenen Tod zur Folge haben konnte. Egal welcher Religion oder Natio-nalität die Gefangenen waren, Dr. Gruber kümmerte sich um die jungen Männer, die er als seine ihm anvertrauten Kinder empfand. Er litt mit ihnen mit. Mit seinen Möglichkeiten, seiner Intelligenz und dem nötigen Mut organisierte er für sie Essen – die Gruber-Suppe bewahrte viele junge Menschen vor dem sicheren Hungertod, was Überlebende immer wieder bestätigten - er besorgte Schuhe, Medikamente, für manche auch das Überleben sichernde leichtere Arbeit außerhalb des Lagers. Trotz aller Schilderungen, die wir heute von Konzentrationslagern generell und vom Lager Gusen im Speziellen kennen, das unter Häftlingen als das Schlimmste galt, können wir uns das tatsächliche Leid, die Grau-samkeit und Bestialität nur annähernd vorstellen. Dr. Gruber spendete in diese Hölle hinein Worte des Trostes und der Hoffnung. Die jungen Menschen waren für ihn seine Kinder, für sie war er wie ein umsorgen-der Vater, einfach Papa Gruber.

Berührend sind die Titel, die er von den Mithäftlingen bekam: Neben Papa Gruber nannte man ihn Schutzengel, Gesandter in der Nazi-Hölle, Christus in der Hölle oder Ebenbild Christi. Mit solchen Bezeichnungen geht man nicht leichtfertig um, und jene, die ihm diese Namen verliehen, waren gewiss nicht sentimental. Nein, sie fühlten diese Namen, die sie Papa Gruber gaben, am eigenen Leib, in der eigenen Seele.

„Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; …; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. (Mt 25,35f) Papa Gruber ist in seinem Mitleiden, in seiner Fürsorge um die Mithäftlinge Christus ab-solut nachgefolgt und ihm in dieser Nachfolge gleichzeitig selbst begeg-net.

Papst Benedikt XVI. hat in seiner Generalaudienz am Mittwoch dieser Woche eine Katechese über den hl. Bernhard von Clairvaux gehalten. Er sagte: „Die wahre Gotteserkenntnis besteht für Bernhard nicht in einer denkerischen Leistung, sondern in der persönlichen Erfahrung der Liebe Christi. Und das Geschöpf vermag mit seiner persönlichen kleinen Liebe dem Schöpfer zu antworten. Sie ist geringer als die göttliche Liebe, und doch ist sie vollkommen, wenn sie ganz geschenkt wird.“ Dr. Gruber muss die Liebe Christi ganz stark erfahren haben, nur so konnte er auch seine Liebe vollkommen weiterschenken. Papa Gruber hat Gott erkannt.
 
In seinem Für-die-anderen-da-Sein riskierte Dr. Gruber in all dieser Zeit im KZ Gusen ständig sein eigenes Leben. Papa Gruber wurde am Kar-freitag des Jahres 1944 durch die Hand des Lagerkommandanten - be-wusst an diesem Tag - grausam ermordet. Dem Peiniger war wohl nicht bewusst, dass der Karfreitag nicht das Ende bedeutet, sondern Verweis auf Ostern. Papa Gruber lebte als Mensch, Christ und Priester die Ma-xime des Evangeliums: „Niemand hat eine größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde.“ Danke.

(Manuskript der Ansprache – es gilt das gesprochene Wort)

+ Ludwig Schwarz SDB
Bischof von Linz
 

 

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