Dienstag 21. Januar 2025

5 Jahre Ökumenisches Sozialwort

Ansprache von Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz am 20. November 2008 in Betriebsseminar Linz.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Erscheinen des Ökumenischen Sozialwortes zu Adventbeginn 2003 ist ein großer Meilenstein in der ökumenischen Zusammenarbeit der christlichen Kirchen. Es ist ein Anspruch und ein Auftrag an uns, in der Gesellschaft Zeugnis dafür abzulegen, dass die Würde des Menschen unteilbar ist. Es ist ein Auftrag, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten und gemeinsam schon in dieser Welt etwas vom Reich Gottes darzustellen, das wir zwar nicht aus eigener Kraft errichten können, das uns aber zugesagt ist.

Mit dem Ökumenischen Sozialwort haben die Kirchen zu einigen Fragen der sozialen Gerechtigkeit, des Engagements von Christinnen und Christen, deutlich Stellung genommen. Sie haben kein politisches Programm formuliert, aber Sorge, Teilnahme, Änderung eingefordert, und auf der anderen Seite Lob, Ermutigung, Zustimmung zu vielen sozialen Engagements ausgesprochen. Wenn wir das Reich Gottes als Geschenk erwarten, so bedeutet das nicht, dass wir nichts tun sollen, sondern unseren Beitrag zum Aufbau einer gerechten Welt, den sollen wir leisten. Wir dürfen das tun im Vertrauen darauf, dass „die Erde genug für alle“ hat, und dass wir, wenn wir teilen, alle auskommen können. Es gibt keinen Menschen, der „zu viel“ oder „zu teuer“ ist oder der eigentlich nicht da sein sollte. Alle Menschen sind von Gott gewollt und sind ihm wichtig, das ist auch ein sozialer Auftrag an uns.

Einige der damals wichtigsten, und noch immer aktuellen Themen möchte ich kurz ansprechen: zum Beispiel das eindeutige Bekenntnis des Sozialwortes zu einem „umlagefinanzierten“ Sozialversicherungssystem. Das war in einer Zeit, lange vor den Börsenzusammenbrüchen des Herbstes 2008, nicht selbstverständlich: damals wurde den Menschen vollmundig versprochen, sie seien sicherer, wenn sie durch Kapitalanlage auf eigenes Risiko ihre Altersvorsorge (und am Ende vielleicht gar noch ihre Gesundheitsversicherung?) bauen würden. Wie schnell sich damit die Erwartung der eigenen Existenzsicherung an den Börsen von Hundert in Null verwandeln kann, das hören wir heute aus den USA.

Ich möchte auch auf das große Augenmerk hinweisen, das dem Stellenwert von Kindern im Sozialwort gegeben wird, oder dem von alten Menschen, von Pflegebedürftigen und Behinderten, von Menschen mit handicaps am Arbeitsmarkt, von Menschen, die das hohe Tempo unserer dahin rasenden Gesellschaft nicht mithalten können und deren Wert, Würde und gutes Leben oft nicht geachtet wird. Oder auf unsere Verpflichtung gegenüber der internationalen Verteilung der Güter: Uns geht es hier um das Teilen inmitten der Globalisierung, nicht nur um das Teilen der Risiken, sondern auch der Gewinne, Chancen und Früchte. Das Sozialwort hat eine deutliche Steigerung der Mittel für Entwicklungsförderung eingefordert – und zwar der kirchlichen ebenso wie der öffentlichen – zur Bekämpfung der absoluten Armut, zur Trinkwasserversorgung und medizinischen Hilfe für jene 1,5 Milliarden Menschen, die davon fast gar nichts haben. Die UNO-Vollversammlung hatte dies, auch mit der österreichischen Stimme, 2000 zur Feier des Jahrtausendjubiläums beschlossen, und bis heute ist es nicht umgesetzt.

Warum äußern sich die Kirchen zu all diesen Fragen? Es ist der Glaube an den lebendigen Christus, der in unserem Leben nur sichtbar werden kann, wenn wir uns den Nöten, der Armut, den Existenzsorgen der Menschen zuwenden. Wir können nicht von der Nächstenliebe sprechen, wenn wir satt sind und rund um uns Millionen in den täglichen Existenzsorgen fast umkommen, ja viele tatsächlich vor Hunger umkommen.

Das Sozialwort erinnert uns an eine zentrale Verpflichtung aus unserem Glauben und an unsere Verantwortung allen gegenüber, in einer Zeit, in der alle in einen gnadenlosen Wettlauf einzutreten scheinen, in dem es immer nur um das individuelle Glück geht. Wir sagen: das ausschließlich individuelle Glück gibt es nicht. Wie könnten wir glücklich sein, wenn wir nicht an den anderen denken, wenn wir nicht aus der Liebe leben? Weil Gott der eine Vater ist, der uns alle liebt und erlöst, deshalb ist auch keiner von uns letztlich höher, wichtiger oder mehr wert.

Wir sind überzeugt, dass es in allen Menschen dieses tiefe Verständnis für die Bedürfnisse des anderen gibt, und dass Gott diese Liebe und den Sinn für die Gleichwertigkeit aller Menschen in uns gelegt hat. Deshalb ist das Sozialwort ja auch keine pessimistische Botschaft, die nur mit erhobenem Zeigefinger auf die sozialen Sünden hinweist, sondern es ermutigt, versucht Wege aufzuzeigen, aber es benennt die Missstände und Ungerechtigkeiten auch mit Namen.

Eine Ermutigung, die vom Sozialwort ausgegangen ist, ist etwa die Unterstützung für die Kampagne „Gute Arbeit“ der KABÖ, oder die Unterstützung für Arbeitslosenprojekte, Stiftungen, Anerkennung für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen familienfreundlich behandeln, die Hervorhebung von gelungenen Entwicklungsprojekten … usw. An allen diesen Stellen wird nicht Kritik geübt sondern Vertrauen zugesagt: hier sind wir auf dem richtigen Weg! Wir dürfen vertrauen, dass unser Bemühen in diesen Dingen nicht wirkungslos bleibt und dass jede Form der Solidarität und Nächstenliebe, jede Verbesserung in den Gesetzen und jede Maßnahme der Unterstützung von staatlicher, kirchlicher Seite auch etwas in der Welt zum Guten verändert.

Fünf Jahre Sozialwort bedeuten nicht, dass die Arbeit getan ist. Sie sind Anlass, dankbar zu sein für vieles was geschehen ist, und andererseits Herausforderung für das viele, das noch getan werden muss: politisch, persönlich, in den Kirchen und zwischen den Menschen. Ich danke besonders unseren christlichen Schwesterkirchen in Österreich, die diesen Prozess mitgehen. Dem Nächsten nahe zu kommen, sich den Armen zu öffnen, für Gerechtigkeit, Frieden und die Schöpfung einzutreten, das müssen wir im Auftrag Christi tun. Wir Kirchen entdecken im sozialen Engagement, dass es keine ökumenischen Differenzen gibt: wer als Christ den Nächsten liebt, wer sich als Christ für Entwicklungsförderung, Hungerbekämpfung oder einen gerechten Sozialstaat einsetzt, der tut es nicht spezifisch katholisch, evangelisch oder orthodox, sondern wir tun es alle gemeinsam im Namen und in der Nachfolge Jesu Christi. Das vereint uns.

Bischof Dr. Ludwig Schwarz SDB
 

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