Von einer christlich-jüdischen Kultur der Erinnerung und geschwisterlicher Zusammenarbeit besonders im Zweiten Weltkrieg erzählt die Geschichte des Linzer jüdischen Friedhofs. Heute beherbergt er etwa 800 Grabstellen auf 5.405 Quadratmetern und gilt als denkmalgeschütztes "Juwel" im katholischen St. Barbara-Friedhof nahe der Westbahnstrecke. Seit Herbst 2021 wird er generalsaniert, die Arbeiten sollen bis Sommer dauern. Dabei werde auf die Erinnerungskultur geachtet, erzählte Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Linz, im Interview mit Kathpress: "Grabsteine, die durch Bombeneinschläge abgesplittert sind, werden soweit authentisch bleiben." Beide Friedhöfe werden derzeit aus historischer Perspektive neu erforscht.
Seit 1862 ist eine jüdische Bestattung in Linz möglich. Zuvor wurden Verstorbene ins böhmische Rosenberg (Rozmberk nad Vltavou) gebracht. Vor etwa 80 Jahren - 1942 - wurde in Linz christlich-jüdische Dialog-Geschichte geschrieben: Ein auf 99 Jahre angelegter Pachtvertrag mit der katholischen St. Barbara-Gottesackerstiftung verhinderte die Auflösung und Zerstörung des jüdischen Friedhofs während des Zweiten Weltkrieges. 1945 wurde der Pachtvertrag einvernehmlich gelöst, mit Wirksamkeit 1947. Eine Zusammenarbeit existierte bereits im Ersten Weltkrieg, Jahrzehnte vor dem II. Vatikanischen Konzil, das die Katholische Kirche zum Judentum unwiderruflich neu positionierte. Sie ist unterschiedlich detailreich von christlicher und jüdischer Seite dokumentiert. Charlotte Herman zeigte sich sichtlich bewegt: "Dieser Zusammenhalt ist etwas Schönes, Besonderes."
In die aktuellen jüdischen Sanierungsarbeiten ist die Stiftung bedingt eingebunden, erzählte deren Verwalter für Friedhof und Liegenschaften, Clemens Frauscher: "Wir waren bei Vorbesprechungen, ersten Baubesprechungen als Nachbarn, Hilfeleister, Zufahrtgeber dabei." Auf Anregung der Stiftung werden Bäume nachgesetzt, die durch Sturm und Alter vernichtet wurden, erklärte Frauscher zuletzt im Interview mit Kathpress weiter: "Weil das innerhalb des Barbara-Friedhofs, der mit 1.200 Bäumen dicht grün ist, ein leerer Fleck wäre."
Generalsanierung mit Bundesgeldern
Ein Teil der erforderlichen Mittel stammt aus dem "Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich". Der Bund bringt dort über 20 Jahre jährlich eine Million Euro ein. Bei der Sanierung der Leichenwaschhalle etwa werde Schimmel beseitigt, das Fundament trocken gelegt und isoliert. Neue Fenster sollen eine bessere Lüftung ermöglichen. Grabsteine werden stabilisiert. Für die Restaurierung der Inschriften müsse die Gemeinde selbst aufkommen. Ebenso für mehr als 100 Grabstellen, die aufgrund von Bombeneinschlägen ohne Grabstein sind. Sie sollen mit Namen, Geburts- und Sterbedatum versehen werden, erklärte Herman: "Wir wissen, wer dort begraben ist. Jetzt suchen wir nach einer Lösung, die sich ästhetisch gut im Friedhof einfügt." Diesen Verstorbenen so bald wie möglich ein würdiges Gedenken zu geben, sei der IKG wichtig.
Für Herman liegt die Einzigartigkeit jüdischer Friedhöfe in ihrer Schlichtheit und im nicht auflösbaren Grab: "Wenn es einmal steht, ist es für die Ewigkeit." Dass der jüdische Friedhof in Linz von christlichen Gräbern umgeben ist, findet sie "eigentlich schön". Wichtig sei ihr, die "hervorragende" Kooperation fortzusetzen: "Das macht Spaß und ich glaube, da hat jeder was davon."
Als "schönes Juwel im Barbara-Friedhof" bezeichnete Clemens Frauscher den jüdischen Friedhof: "Für uns mutet er besonders an, weil es unterschiedliche Riten in der Begräbniskultur, in der Grabkultur gibt." Aufgrund der Schoah und der "fast kompletten Eliminierung" der jüdischen Gemeinde sei es zudem "Verantwortung der Gesamtgesellschaft", dort so gut wie möglich zu unterstützen.
In die zeremonielle Begräbnisgestaltung sei die Stiftung nicht eingebunden. Jedoch werden Grabungsarbeiten und das Hinunterlassen des Sarges organisiert und durchgeführt, ebenso das Verschließen des Grabes. Nach einem Sturm werde beim Absichern und Aufräumen geholfen. Das Miteinander mit der IKG sei "eine besondere Ehre und Verpflichtung", betonte Frauscher. In städtebaulichen Zukunftsplänen an der Ostseite des St. Barbara-Friedhofs sieht er eine Chance für mehr Bewusstseinsbildung. Gegen Ende des Jahrzehnts solle eine neue Bahnstation nahe dem jüdischen Friedhof in Betrieb gehen. Derzeit ist er aus Sicherheitsgründen, auch wegen Vandalismus, geschlossen. Wer ihn besuchen möchte, kann sich an das Sekretariat der Kultusgemeinde wenden.
Der St. Barbara-Friedhof befindet sich im Eigentum der St. Barbara-Gottesackerstiftung, deren Vorsitzender Pfarrer der Stadtpfarre Linz ist. Aufsichtsbehörde dieser Bischöflichen Stiftung ist der Wirtschaftsrat der Diözese Linz. (Infos: www.ikg-linz.at, www.barbarafriedhof.at)
Weitere Beiträge zum Themenpaket "Gebetswoche für die Einheit der Christen" und "Tag des Judentums" sind unter www.kathpress.at/oekumene abrufbar.