Wie hast du den Weg in die Seelsorge gefunden? Gab es für deinen Weg in die Seelsorge ein prägendes Erlebnis?
Ich bin katholisch sozialisiert in einer Familie mit sechs Kindern in Vorderweißenbach aufgewachsen. Als Teenager hat mich eine Jungschargruppenleiterin eingeladen, mit aufs Jungscharlager zu fahren. Dort habe ich die starke Erfahrung gemacht, so angenommen zu werden, wie ich bin; da ich nicht den klassisch männlichen Stereotypen entsprochen habe, war das sehr wohltuend. Vorderweißenbach wird vom Zisterzienserstift Wilhering betreut, daher dachte ich lange, dass man nur als Priester Religionslehrer werden kann. Ich habe nach dem Poly die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert und in der Zeit durch Mitglieder der Dekanatsjugend erfahren, dass es auch andere Wege gibt, um Religionslehrer zu werden. Ich habe daher nach meiner Lehrzeit die Studienberechtigungsprüfung in Graz abgelegt. Zu dem Zeitpunkt habe ich überlegt, wohin ich mein Leben steuern möchte, und bin unter dem Ordensnamen Matthäus ins Stift Wilhering eingetreten. Die klösterlichen und kirchlichen Strukturen waren zu der Zeit jedoch zu eng für mich, daher bin ich nach drei Jahren wieder ausgetreten. Ich habe die Religionslehrerausbildung in Linz abgeschlossen und in der Praxiszeit meine Frau kennengelernt. Die folgenden Jahre habe ich an verschiedenen Schulen unterrichtet, unterbrochen durch je ein Jahr Elternkarenz bei unseren zwei Kindern. Nach dem plötzlichen Tod eines Bekannten habe ich die Hinterbliebenen in der Trauerbegleitung unterstützt und gemerkt, dass ich Menschen in existenziellen Situationen beistehen kann. Damit rückte das Thema Diakonat, das mich seit meinen Jugendjahren beschäftigt hat, wieder in den Fokus und ich wurde am Matthäustag 2003 in Hagenberg zum Ständigen Diakon geweiht. Damit war ein erster Schritt in die pfarrliche Seelsorge getan und es war kein weiter Weg mehr zur berufsbegleitenden Ausbildung und meiner ersten Stelle als Pastoralassistent in Hagenberg und Pregarten. 2010 habe ich als Pfarrassistent in Kefermarkt begonnen und 2013 zusätzlich die Pfarrleitung in Hagenberg unter der Voraussetzung übertragen bekommen, in beiden Pfarren Seelsorgeteams aufzubauen. Das war damals ein neues Konzept und mir hat diese Pionierarbeit viel Freude bereitet. 2019 habe ich mich deshalb als Referent für Seelsorgeteam und Gemeindeentwicklung beworben. Ich habe beim Aufbau von Seelsorgeteams und in den Pionierpfarren viele loyale, kritische Menschen kennengelernt – das ist eine starke Mischung, auf die wir in der Kirche bauen können. Die Referententätigkeit gebe ich mit Ende des Arbeitsjahres ab, um mich voll meiner Aufgabe als Pastoralvorstand in der Umsetzungspfarre Mühlviertel-Mitte, dem bisherigen Dekanat Gallneukirchen, zu widmen. Ich freue mich schon sehr darauf, gemeinsam das Pastoralkonzept auszuarbeiten, die Seelsorgeteam-Einführung zu begleiten und dann Schritt für Schritt aus den Worten Realität werden zu lassen.
Was zählt zu deinen Aufgaben?
Als Pfarrassistent liefen anfangs sämtliche Fäden in der Pfarre bei mir zusammen, wobei ich eng mit dem Pfarrgemeinderat zusammengearbeitet habe. Durch die Einführung des Seelsorgeteams hat sich die Verantwortung auf mehrere Personen aufgeteilt, wobei klare, abgegrenzte Zuständigkeiten der einzelnen Personen die Voraussetzung für eine gelingende geteilte Führung sind.
Als Pastoralvorstand werde ich den Blick auf das Gemeinsame sowie das Spezifische der zwölf Pfarrgemeinden legen. Seelsorge wird weiterhin etwa die Hälfte meines Aufgabenspektrums ausmachen, wobei auch Seelsorge für Seelsorger:innen und Ehrenamtliche ein wichtiger Aspekt ist. Das Prinzip des Servant Leadership gibt dabei den Rahmen vor: Wie kann ich meine Mitarbeiter:innen dabei unterstützen, dass sie ihre individuellen Charismen und Ressourcen entwickeln und für das Gemeinsame einsetzen? Bereits jetzt trifft sich unser dreiköpfiger Pfarrvorstand zum regelmäßigen Jour fixe. Gemeinsam mit Pfarrer Andreas Golatz werden Verwaltungsvorstand Thomas Forster und ich in geteilter Verantwortung als Team die neue Pfarre leiten. Dieses Konzept ist etwas absolut Neues in der Kirche!
Was ist dir einmal richtig gut gelungen?
Meine Highlights sind gelungene Begegnungen mit Menschen – egal, ob geplant oder ungeplant, kurz zwischendurch oder stundenlang, unter vier Augen oder in einer Gruppe. In solchen Situationen geben alle Beteiligten reichlich und gehen trotzdem noch reicher nach Hause. Das löst eine tiefe Dankbarkeit in mir aus.
Was sind deine Top 3 Tipps für angehende Seelsorger:innen?
- Das Fundament von Seelsorge ist die Liebe zu den Menschen.
- Sei selbstbewusst: Sei dir deiner eigenen Fähigkeiten ebenso wie deiner Grenzen bewusst.
- Paul Zulehner hat in Anlehnung an Bischof Jacques Gaillot das Wort geprägt: „Wer bei Gott eintaucht, taucht bei den Menschen auf.“ Eine gute Beziehung zu Gott ermöglicht eine gute Beziehung zu den Menschen.
Was sind deine spirituellen Kraftquellen? Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Von meiner Zeit im Kloster habe ich mir fixe Gebetszeiten am Morgen und Abend mitgenommen und aus meiner Ausbildung zum Meditationsleiter das Herzensgebet. Zur Ruhe komme ich in der Natur und am Wasser. Ich liebe es, wenn ich Zeit zum Lesen habe. Für meine Psychohygiene ist es wichtig, Dinge abschließen zu können – und ausreichend Schlaf. Mit meiner Familie pflege ich einfache, stärkende Rituale wie gemeinsames Kochen und Essen.
Gespräch mit Magdalena Welsch