Wie hast du den Weg in die Seelsorge gefunden? Gab es für deinen Weg in die Seelsorge ein prägendes Erlebnis?
Ich bin kirchlich sozialisiert aufgewachsen. Nachdem ich in der Hauptschule ein super Vorbild hatte, fiel früh die Entscheidung, Religionslehrerin zu werden. Nach der Matura habe ich an der Religionspädagogischen Akademie in Linz die Ausbildung gemacht und danach sieben Jahre lang an Volks- und Hauptschulen unterrichtet. Mit der Zeit wuchs der Wunsch, mich beruflich breiter aufzustellen. Zum Glück war es am Seminar für kirchliche Berufe möglich, als Religionslehrerin eine verkürzte pastorale Ausbildung zu absolvieren. Diese zwei Jahre waren eine richtig schöne Zeit! Mit 30 Jahren habe ich als Pastoralassistentin in meiner Heimatpfarre Perg zu arbeiten begonnen und weiterhin einige Stunden unterrichtet. Weil es sich mit meinen privaten Verpflichtungen besser vereinbaren ließ, bin ich dann schrittweise zuerst in die Krankenhaus- und später in die Altenheimseelsorge umgestiegen. Glücklicherweise ist es in der Diözese Linz unkompliziert möglich, sich beruflich weiterzuentwickeln und zu verändern. Das schätze ich sehr!
Was zählt zu deinen Aufgaben?
Im Altenheim geht es um die Gestaltung der letzten Lebensphase. Mein Fokus liegt dabei vorrangig auf dem Leben, nicht auf dem Sterben. Der Alltag ist durch die Feste im Jahreskreis und Brauchtum strukturiert. Ich bin gut in die Abläufe in den Häusern integriert und fester Bestandteil der Weihnachtsfeier oder des Sommerfestes. Für die genaue Schwerpunktsetzung habe ich einen großen Gestaltungsspielraum: Ich bringe gerne verschiedene Menschen in einer Gemeinschaft zusammen, egal ob Bewohner:innen, Angehörige oder Pflegepersonal. Meine pädagogischen Berufserfahrungen sind dafür das richtige Handwerkszeug, die funktionieren in jedem Lebensalter.
Mir ist es wichtig, meine Gottesdienste gut vorzubereiten und meine Anliegen in einfachen, gehaltvollen Worten auszudrücken. Die Feiergemeinden sind bunt zusammengewürfelt: Manche haben sich vor Jahrzehnten von der Kirche entfernt und sagen nach dem Gottesdienst: „Das war schön, gar nicht so wie früher als Kind.“ Manche sind kognitiv fit, die wollen etwas hören, das sie nährt und in ihrer Situation wahrnimmt. Und manche können aufgrund einer Demenzerkrankung dem Inhalt nicht mehr folgen, aber sie nehmen sich trotzdem den Gebetszettel mit der extragroßen Schrift mit: Lesen geht noch, also lesen sie den dann immer wieder durch.
Die beiden Altenheime, in denen ich arbeite, unterscheiden sich in einigen Punkten: Im Franckviertel in Linz gibt es weniger kirchlich geprägte Menschen, sowohl bei den Bewohner:innen als auch beim Therapie-, Pflege- und Reinigungspersonal. Hier ist es wichtig, die „Hemmschwelle“ niedrig zu halten und z.B. nicht vorauszusetzen, dass alle über Wortgottesfeiern oder Krankensalbung Bescheid wissen. Deshalb nehme ich mir bewusst Zeit und pflege einen guten Austausch mit allen im Team – das macht sich hundertfach bezahlt!
In Perg bleibt die Pfarre als religiöser Bezugspunkt für die Menschen stärker bestehen, dadurch kommt mir eher eine Rolle als Koordinatorin und Begleiterin zu. Hier gestaltet sich die Seelsorge als Bindeglied zwischen dem Altenheim und der Pfarre. Es gibt viele Gruppierungen, die sich selbstverständlich einbringen, z.B. wenn die Kinder der Pfarre eine Maiandacht im Haus gestalten.
Zusätzlich habe ich als Pastoralassistentin im Dekanat Perg drei Wochenstunden Zeit dafür, eigene Ideen und Anliegen rund um Spiritualität umzusetzen. Das ist für mich Arbeit und Auftanken zugleich.
Was ist dir einmal richtig gut gelungen?
Als großes Gesamtpaket an positiven Erfahrungen kann ich das enge, wertschätzende Miteinander im Seniorenzentrum Franckviertel zusammenschnüren – auch wenn die Mehrheit keine Kirchenmitglieder sind. Alle sechs Wochen finden Team-Sitzungen statt. Zwar betreffen mich viele Themen nicht direkt, aber ich bekomme mit, was die anderen beschäftigt. Einmal wurde während einer Kaffeepause die Idee für das Projekt „Dankbarkeit ins Leben weben“ geboren: Die Ergotherapeutin hat mit den Bewohner:innen Schnüre gehäkelt und daraus Bilder gewebt. Dann waren alle eingeladen, auf Stoffstreifen aufzuschreiben, wofür sie dankbar sind in ihrem Leben. Diese Streifen wurden in die Bilder eingewebt. Diese 13 Bilder hängen immer noch im Haus. Da sieht man, wie wichtig und fruchtbringend gemeinsame Pausen sind – und das spontane Aufgreifen und Weiterentwickeln von Einfällen!
Was sind deine Top 3 Tipps für angehende Seelsorger:innen?
- Man muss sich mit alten Menschen wohlfühlen und auf sie einlassen. Es bedarf einer Seelsorge der Langsamkeit, der Deutlichkeit, der Achtsamkeit. Ich bin oft erstaunt, wie tolerant alte Menschen sind. Sie lassen sich unvoreingenommen auf Neues ein und sind einfach dankbar für die gemeinsame Zeit.
- Manchmal gehe ich bewusst unverplant in die Arbeit und lasse auf mich zukommen, wer meiner Zuwendung bedarf. Durch dieses absichtslose Dasein wird Seelsorge in genau dem richtigen Tempo für die letzte Lebensphase möglich.
- Begegnungen und Gemeinschaft werden situationsabhängig gestaltet: mit den Bewohner:innen das Leben, mit den Angehörigen der Abschied. Die Gesamtheit der Seelsorge trägt zu einer besseren Atmosphäre für alle im Haus bei.
Was sind deine spirituellen Kraftquellen? Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Ich nehme mir regelmäßig Auszeiten für Pilgertage, Meditationswochenenden usw. Natur und Kultur sind für mich ebenfalls wesentliche Tankstellen für neue Energie. Und jeden Tag mit allen Sinnen wahrzunehmen – und zu genießen.
Gespräch mit Magdalena Welsch