Mit Zutrauen neue Wege gehen – Infonachmittag zur neuen Pfarrstruktur
Fünf fachlich Verantwortliche waren bei der Veranstaltung im Linzer Priesterseminar anwesend, um über die Pfarrreform zu informieren und Fragen zu beantworten. In ihren einleitenden Worten fasste Mag.a Christa Ramsmaier, Leiterin des Instituts für pastorale Fortbildung (IPF), das zentrale Anliegen der Reform zusammen: „Es geht um Veränderung, aber nicht um der Veränderung willen, sondern weil man etwas bewahren will.“ Daraufhin moderierten Christa Ramsmaier und Mag. Stefan Dorninger, Referent am IPF, eine kleine Kennenlernrunde, in der es spontan Applaus für die zahlreichen anwesenden Ehrenamtlichen gab. Der restliche Nachmittag gestaltete sich im Wechselspiel zwischen Statements der Verantwortlichen, angeregten Tischgesprächen und Rückfragen aus dem Plenum an die „Expert:innen“.
Neue Strukturen, damit die Kirche der Zeit entspricht
Als erster referierte Generaldechant KonsR Dr. Sławomir Dadas, der die ursprüngliche Intention der Pfarrreform ins Bewusstsein rief: „Der Ausgangspunkt für die Vorgabe, neue Strukturen zu schaffen, ist die Frage: Wie können die Menschen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass sie immer weniger den Zugang zu Gott in den Pfarrgemeinden suchen, in unserer Zeit wieder an die Kirche andocken?“ Er machte deutlich, dass es die Bindung an eine Pfarre in der Selbstverständlichkeit wie vor einigen Jahren nicht mehr gibt: „Es stellte sich die Frage, welche Strukturen es braucht, damit wir dieser Realität entsprechen. Dabei gibt es zwei wichtige Pole: Einerseits den Menschen, die noch Heimat in der Pfarre finden, diese Heimat zu geben und andererseits denjenigen, die diese Heimat in der Pfarre nicht mehr finden, pastorale Knotenpunkte anzubieten.“ Dafür ist es notwendig, in einem Miteinander einen größeren Raum (mit dem dazugehörigen Personal) in den Blick zu nehmen. Wobei es das Ziel sei, dass bei Bedarf in jeder Pfarrteilgemeinde eine hauptamtliche Ansprechperson greifbar ist. „Gleichzeitig muss nicht jede Pfarrgemeinde alles machen, vielmehr sollen die Gemeinden das anbieten, was ihnen liegt und sich entsprechend ihrer Charismen spezialisieren“, so Sławomir Dadas. Der Generaldechant machte bei der Gelegenheit nochmals deutlich, dass das Modell nicht fix und fertig ist, sondern vielmehr als Richtlinie zu verstehen ist, der man versucht zu folgen.
Seelsorgeteams übernehmen Verantwortung
Daraufhin fasste Mag. Reinhard Wimmer, Leiter des Fachbereichs Ehrenamt und Pfarrgemeinde, die zentralen Veränderungen für die Ehrenamtlichen zusammen und leitete sogleich mit der Feststellung ein, dass sich für die meisten Ehrenamtlichen nichts verändern werde. So können alle, die derzeit im Pfarrgemeinderat (PGR) engagiert sind, dort bis zur nächsten Wahl tätig sein. Auch die Funktion der Fachausschüsse bleibt gleich, auch wenn sich die Bezeichnung ändert. „Das Neue ist, dass ein Seelsorgeteam (SST) die Leitung einer Pfarrgemeinde übernimmt. Das war bereits bisher in manchen Pfarren möglich, nun wird dieses Konzept für alle Pfarrgemeinden umgesetzt. Dieses SST übernimmt wiederum die Leitung des PGR.“
Veränderung bedarf Veränderung im Denken
Mag. Martin Füreder, Leiter des Fachbereichs Priester und Diakone, begann in seinem Statement mit den Tatsachen, die bereits jetzt Realität sind: „Schon jetzt sind manche Pfarrer für viele Pfarren zuständig. Weiters gibt es viele Priester, die schon emeritiert sind, dennoch weiterhin in der Liturgie mithelfen, aber froh sind, wenn sie diese Verantwortung abgeben können. Dazu kommen die Priester in ihren ersten Dienstjahren, die bereits so eingesetzt werden, dass sie nicht jeden Sonntag in der gleichen Gemeinde feiern können. Umso wichtiger ist es, dass wir uns den Veränderungen stellen.“ So wird es in Zukunft einen Pfarrer für einen größeren Raum geben, der in erster Linie dort Pfarrer ist und in zweiter Linie in einer Teilgemeinde liturgisch tätig sein wird. Mit der Struktur verändert sich auch die Rolle der Priester: „Der Priester ist in Zukunft vor allem Begleiter der Seelsorgeteams, die er liturgisch unterstützt. Gleichzeitig ist es das Ziel, die Pfarrer mit Blick auf die Verwaltung zu entlasten.“ Die neuen Pfarrleitungsteams, bestehend aus Pfarrer, Pastoralvorstand und Verwaltungsvorstand, machen es notwendig, sich betreffend der jeweiligen Aufgaben gut abzusprechen und auch Aufgabenbeschreibungen vorzunehmen. „Die Veränderung bedarf einer Veränderung im Denken, weg von ‚Ich bin der Pfarrer, ich kann alles bestimmen‘, hin zu einem Miteinander von Ehrenamtlichen, hauptamtlichen Seelsorger:innen, Diakonen und Priestern, von Männern und Frauen.“
Alle mit ins Boot holen
Der Leiter der Stabsstelle zur Umsetzung der Pfarrstruktur, Mag. Martin Schachinger, berichtete über den derzeitigen Stand der Pionierpfarren: Mit 1. Jänner 2023 werden bereits die ersten fünf Pfarren gegründet und es wird sieben neue Umstellungspfarren geben. „Die Prozesse haben eine spannende und positive Dynamik. Es geht nicht nur um eine neue Struktur, der Umbau soll vielmehr auch ein inhaltlicher Impuls sein. Entscheidend in den Übergangsprozessen ist jedenfalls, dass sie Prozesse sind, das heißt auch, dass nicht alles von Anfang an geschafft sein muss.“ Auf die Frage nach den Schwierigkeiten in den Pionierpfarren antwortet Martin Schachinger: „Zu den größeren Herausforderungen gehört die Frage, ob wir alle mit ins Boot bekommen – auch die Skeptiker:innen, was durchaus gelingt. Schwierigkeiten machen dazu sowohl die Aufteilung der Arbeiten der Hauptamtlichen als auch die Frage nach dem Finden der Personen für die Seelsorge-Teams. Dazu kommen konkrete Fragen wie: Wo wird das Pfarrbüro sein?“
Neue Berufsbezeichnung Seelsorger:in
Mag.a Irmgard Lehner, Leiterin des Fachbereichs Seelsorger:innen in Pfarren, thematisierte als erstes eine Veränderung, die sofort auffällt: „Neu ist schon die Bezeichnung Seelsorger:innen. Diese Veränderung ist für die Berufsgruppe sehr wichtig und drückt aus, dass es mehr um das Miteinander gehen wird. Wir brauchen alle und noch mehr.“ Neu ist außerdem, dass die Seelsorger:innen in Zukunft bei der Pfarre, also dem größeren Ganzen, angestellt sind und gleichzeitig Aufgaben bekommen, die den einzelnen Pfarrgemeinden oder auch Projekten zugeordnet sind. „Der Blick aufs Ganze wird in Zukunft wichtiger werden. Daher kann es manchmal gut sein, im Gebiet des bisherigen Dekanats zu bleiben und sich dort innerhalb der Pfarre neu mit seiner Expertise auf den Weg zu machen. Für manche kann es aber auch gut sein, die Pfarre zu wechseln, weil es manchmal nicht so einfach ist, in die neue Rolle zu finden.“
Die veränderte Rolle der Seelsorger:innen
Die neue Rolle der Seelsorger:innen bedeutet in Zukunft, mehr Begleiter:in zu sein, so Irmgard Lehner: „Ähnlich wie bei den Priestern wird es nicht mehr möglich sein, alles selber zu machen. Vielmehr geht es in Zukunft darum, zu ermöglichen und die Ehrenamtlichen zu begleiten bzw. zu unterstützen. Auch wird es vermehrt so sein, dass die Seelsorger:innen nicht mehr nur für eine einzelne Pfarrgemeinde zuständig sein werden. Das kann durchaus anstrengend sein, aber auch die Chance bieten, vernetzter zu denken und mehr zu koordinieren. Wichtig ist, die Aufgaben gut zu vereinbaren und sich nicht zu überfordern.“ Dazu sei es notwendig, auch zu überlegen, was die Ehrenamtlichen übernehmen können und was es zusätzlich noch braucht. Zu den Veränderungen in der Rolle der Seelsorger:innen kommt die neue Funktion Pastoralvorstand bzw. Pastoralvorständin, die von hauptamtlichen Laien übernommen wird. Weiters wird es in Zukunft sogenannte Grundfunktionsbeauftragte für Liturgie, Verkündigung, Caritas und Gemeinschaft geben. Pastoralvorstand/Pastoralvorständin und Grundfunktionsbeauftragte haben die Aufgabe, auf das Ganze in der Pfarre zu schauen. Irmgard Lehner: „Neu sind zudem die Innovationsbeauftragten. Deren Auftrag ist es, herauszufinden, wo es innerhalb der Pfarre spezielle Bedarfe und Charismen gibt und entsprechend neue Schwerpunkte zu setzen. Was bleibt, das ist die Buntheit der Berufsbilder. Es wird weiterhin Seelsorger:innen für bestimmte Zielgruppen geben, aber auch die Beauftragten für Jugendpastoral, Krankenhausseelsorger:innen usw.“ Zum Abschluss ermutigte sie die Anwesenden: „Es ist eine besondere Herausforderung, aber auch eine Chance. Die Rollen werden sich verändern, hin zu einem Ermöglichen und zur Beteiligung aller in der Pfarre. Dabei haben wir einen großen Bedarf an der theologisch-spirituellen Kompetenz der Seelsorger:innen. Die Chance des Neuen ist es, nicht alle Fäden selbst in der Hand halten zu müssen, sondern sich mit Vertrauen und Zutrauen auf einen neuen gemeinsamen Weg zu machen.“
Seelsorger:in sein – eine attraktive Aufgabe
Auf die Frage, wie attraktiv die Arbeit als Seelsorger:in in Zukunft sein wird, antwortete Irmgard Lehner: „Seelsorge ist etwas Breites, wo viel dazu gehört, nicht nur das seelsorgliche Gespräch und das Leiten von liturgischen Feiern. Es ist ein buntes Potpourri, das an Charismen und Bedarfen orientiert ist. Denn dort, wo Charismen sind, dort ist auch Lachen und Strahlen. Attraktiv kann außerdem sein, dass in Zukunft ein Teil der administrativen Arbeiten an die Pfarr- und Pfarrgemeindesekretariate übergehen wird. Die Seelsorgearbeit bleibt jedenfalls weiterhin interessant und bietet viele Möglichkeiten, wie auch die Leitung im Dreierteam und die Teilhabe an der Hirtensorge.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA