„Probieren ist nicht defizitär, sondern biblisch.“ – Fortbildung Innovationslabor
Die Fortbildung wurde von zwei Referent*innen geleitet: Pfr. Dr. Patrick Todjeras ist evangelischer Pfarrer und Praktischer Theologe mit Schwerpunkten im Bereich Kirchenentwicklung und der Frage nach Transformationen in der Kirche, zudem ist er in der Abteilung zur Erforschung von Evangelisation und Kirchenentwicklung der Uni Greifswald tätig. Maike Ritzer M.A. ist Sozialwissenschaftlerin und an derselben Abteilung wie Patrick Todjeras tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklungshilfe und Politikwissenschaft.
Wirksames kirchliches Handeln – ein zweischneidiges Schwert
Den ersten Tag gestaltete Patrick Todjeras unter dem Titel „Wirksames/erkennbares kirchliches Handeln – ein zweischneidiges Schwert“ und stellte dieses Thema in das Spannungsfeld zwischen der grundsätzlichen Planbarkeit von Projekten und der Unverfügbarkeit Gottes. Ein Problem, das sich laut Todjeras auch in jeder Predigt stellt: Als kirchliche Mitarbeiter*in versucht man das seinige, um die Botschaft verständlich an die Zuhörer*innen zu bringen, gleichzeitig entzieht sich aber das Gelingen der eigenen Verfügbarkeit.
Von diesem zweischneidigen Schwert kann man an beiden Seiten herunterfallen, wie Todjeras an verschiedenen Thesen und Nicht-Thesen deutlich gemacht hat. Um es dennoch in Verbindung zu bringen, bot der Referent verschiedene Klärungen an: Einerseits ist göttliches Handeln und menschliches Tun unterschieden, aber dennoch aufeinander bezogen. Andererseits unterscheidet er zwischen dem Notwendigen, also etwa der menschlichen Fürsorge, für eine nachhaltige Gemeindeentwicklung und dem Hinreichenden, also der göttlichen Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang zitierte er aus der Predigtlehre des evangelischen Theologen Rudolf Bohren: „Der Geist Gottes ist ein Geist der Synergie, der gar nicht gerne ohne des Menschen Mit-Wirken wirkt, sondern der am liebsten in, mit und unter menschlichem Tun wirkt und jenes Ereignis hervorbringt, dass das Geheimnis der Kirche ist.“
Differenzierungen
Des Weiteren unterschied Patrick Todjeras zwischen der Ebene der Institution, die mit Arbeit und Planung, begrenzten Ressourcen, Professionalität und Qualität konfrontiert ist, und der Ebene des Ereignisses, das Gabe und Geschenk, aber kein Gegenstand von Produktion und Konsumption ist und dessen Quelle die grenzenlose Fülle Gottes darstellt. Das heißt, man findet sowohl Reziprozität, also Wechselseitigkeit und Kooperation vor, die aber theonom, also gottgesetzt und gottesabhängig ist.
„Diese Tatsache enthebt uns nicht der Ethik des Berufes, nämlich gutes Handwerk zu liefern und der Spiritualität des Berufes, alles von Gott erwarten und erbitten zu können,“ erklärte Todjeras.
Ein alternativer Zugang, um das göttliche Handeln mit dem menschlichen Tun zusammen zu bringen, ist die Rede von den zwei Ebenen. Auf der oberen Ebene bewegt sich Gott, auf der unteren der Prediger, der Text oder der*die Hörende.
Im nächsten Schritt wandte sich Todjeras den konkreten Möglichkeiten zu, über Wirksamkeit zu sprechen. Bevor er unterschiedliche Zugänge anbot, unterschied er zwischen dem verborgenen Erfolg, etwa wenn das Herz der Menschen für G*tt geöffnet worden ist, und dem sichtbaren Rand, wenn sich zum Beispiel Menschen taufen lassen.
Mit Blick auf mögliche theoretische Zugänge stellte Todjeras die Frage: „Wie werden junge Kirchen reif?“ und „Ab wann sind junge Kirchen ausreichend wirksam bzw. dürfen sie unabhängig und selbstständig sein?“. Einer der Theoretiker, die Patrick Todjeras anführte, ist Henry Venn, der als Antwort auf die eben gestellten Fragen: self-financing, self-governing, self-reproducing und self-theologizing nannte. Daran anschließend überlegten die Teilnehmer*innen gemeinsam, wie es wäre, wenn man diese Kriterien an kirchliche Projekte anlegen würde.
Kirchliche Projekte brauchen andere Kriterien
Patrick Todjeras machte deutlich, dass es notwendig sei, die Kriterien für neue kirchliche Zugänge zu verändern und erläuterte: „In der kirchlichen Projektarbeit leiden wir oftmals an den angelegten Kriterien und einem sehr hohen Zieldruck. Dabei geschieht in den Projekten am Rande der Kirche etwas, das im Zentrum oftmals nicht nachvollziehbar ist. Innovative kirchliche Projekte fordern das Normale heraus, insofern ist es nicht hilfreich, sie mit den ursprünglichen Maßstäben zu bewerten. Ganz im Gegenteil, die alten Kriterien machen das Neue kaputt, daher braucht es auch neue Kriterien.“
Umso wichtiger ist es, im Vorfeld zu klären, was als Erfolg des Projekts definiert ist: „Ist das nicht geregelt, so werden im Nachhinein erneut alte Erfolgskriterien angelegt, die aber in diesem Fall keine Aussagekraft haben.“ Wichtig ist daher die Reflexion auf sachlicher und geistlicher Ebene in den jeweiligen Projektgruppen.
Patrick Todjeras ergänzt: „Die Innovationskeimlinge brauchen Welpenschutz und die Kriterien müssen mitwachsen mit dem Projekt. Probieren ist nicht defizitär, sondern biblisch.“
Vorstellung von Projekten
Nach diesem theoretischen Input stellten die Teilnehmer*innen ihre Projekte an Hand von Anschauungsobjekten und Bildern vor. Drei Projekte seien an dieser Stelle erwähnt:
MMag.a Teresa Kaineder ist Projektleiterin für die kirchlichen Projekte für die Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 und reiste mit einem Pilgerstab an. In Vorbereitung auf das Kulturhauptstadtjahr, an dem sich insgesamt 23 Pfarren beteiligen, wird entlang der Traun durch die Region gepilgert, der Pilgerstab begleitet die Pilger*innen dabei. Teresa Kaineder ergänzte dazu: „In der Offenheit des Gehens können viele Vereine und Ehrenamtliche andocken.“
Ein weiteres Projekt ist die Vorbereitung auf die neue Pfarre Steyrtal, in der die Dipl.-Pass. DI.in (FH) Karin Granig das Dekanat und das Leitungsteam begleitet. Sie brachte einen Einkaufswagenschlüssel mit dem Logo der Pfarre Steyrtal mit und erklärte dazu: „Der Schlüssel soll etwas aufmachen und erleichtern.“
Die Altenheimseelsorgerin und Pastoralassistentin Elisabeth Katzenschläger nahm einen Brief mit, den sie älteren Menschen in Pfarre und Altenheim zukommen lässt. Der Brief steht symbolisch für das Dasein, für die ältere Generation, das sie in ihrer Tätigkeit forcieren möchte.
Ressourcen-Orientierung vs. Adressat*innen-Orientierung
Zum Abschluss des ersten Tages stellte Patrick Todjeras noch zwei zentrale Ansätze in Innovation dar: Einerseits die Ressourcen-Orientierung: Die sogenannte Effectuation setzt bei einem beliebigen Anlass an, bei dem dann geschaut wird, was mit den vorhandenen Mitteln sofort getan werden kann. Das bedeutet wiederum, dass noch vage Vorhaben exponiert werden müssen, um Mitstreiter*innen zu finden. Wer einsteigt, bringt jedoch seine eigenen Erfahrungen und Mittel ein und gestaltet damit die Zielrichtung des Projekts. Der zweite Ansatz ist die Adressat*innen-Orientierung, die nach den Aufgaben innerhalb der Zielgruppe und nach den zu befriedigenden Bedürfnissen fragt.
Wirkungen planen und messen
Den zweiten Tag gestaltete die Soziologin Maike Ritzer M.A. zum Thema „Wirkungen planen und messen“. Eingangs stellte sich die Frage, wie Projekte wirkungs-orientiert sein können. Maike Ritzer erklärte dazu: „Viele Projekte sind output-orientiert. Aber es geht darum, was bei der Zielgruppe passiert“. Daher machte sie den Unterschied zwischen Aktivität und Wirkung deutlich: „Die Aktivität ist das Tun im Projekt, die Wirkung wiederum das, was sich durch das Projekt bei der Zielgruppe verändert. Aktivität ist eine hinreichende Voraussetzung für die Wirkung. Es ist wichtig das im Blick zu haben.“
In einem 5-Schritt-System machte Maike Ritzer deutlich, wie man in Projekten zu mehr Wirkung kommen kann: Der erste Schritt ist die Kontextanalyse, der zweite ist, sich Wirkungsziele zu setzen. Im dritten Schritt ist es notwendig die Wirkungslogik zu verstehen, im vierten Schritt soll die Wirkung gemessen werden, um sie im fünften Schritt schließlich zu erhöhen.
Praktische Übungen
An den eigenen Projekten wurde schließlich geübt, wie Wirkungsziele richtig gesetzt werden können. „Dazu ist es notwendig sich zu fragen, was das Projekt bei der Zielgruppe verändern und zu welchen Zielen das Projekt auf gesellschaftlicher Ebene beitragen soll. Diese Ziele sollten schließlich den SMART-Kriterien entsprechen: S (spezifisch), M (messbar), A (attraktiv), R (realistisch), T (terminiert).“
Als nächstes wurde den Teilnehmer*innen das Verstehen der Wirkungslogik an Hand der Wirkungsmatrix „input – output – outcome – impact“ nähergebracht und erklärt, wie sich Wirkung messen lässt. Als Hausübung erhielten die Teilnehmer*innen die Anregung an einer Schraube dieser Matrix zu drehen und dahingehend mit Bezug auf die Wirkung weiter zu denken.
Patrick Todjeras gab den Teilnehmer*innen ergänzend eine Versuchsanregung auf den Weg: „Probiert einmal, was passiert, wenn ihr in einer Besprechung die Frage stellt: Was soll das bewirken?“
Theorie vs. Alltag
In der Feedback-Runde berichteten die Teilnehmer*innen, was sie sich vom Workshop mitnehmen konnten und wie sie die gelernten Tools in ihren Projekten umsetzen möchten.
Vielen wurde während des Workshops deutlich, wie stark die Inhalte im Kontrast zu ihrem Alltag stehen. Eine Teilnehmer*in formulierte es folgendermaßen: „Die Art zu denken, die wir hier gehört haben, ist auf einer höheren Ebene angesetzt. Der Alltag schaut jedoch anders aus.“ Für andere Teilnehmer*innen wurde deutlich, dass eigene, bisherige Denkmuster überdacht werden müssen. Die Teilnehmer*innen äußerten aber auch eine Bitte an die Leitung des Fachbereichs, von dort wünschen sie sich den angesprochenen Welpenschutz für ihre Projekte.
Mag.a Christa Ramsmaier, Leiterin im Institut für Pastorale Fortbildung, resümierte, dass es durchaus Bedarf an Fortbildungen dieser Art gibt und versprach zum Schluss: „Ich bleib dran.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA