„Im Grunde meiner Seele bin ich Seelsorgerin geblieben...“
Spricht man mit Brigitte Gruber-Aichberger über ihr Grundverständnis in den 23 Jahren als Leiterin der Abteilung Pastorale Berufe, so werden zwei zentrale Anliegen deutlich: Auf der einen Seite steht die Verbundenheit zum Evangelium: „Im Grunde meiner Seele bin ich Seelsorgerin geblieben. Das heißt, es war mir immer ein Anliegen, die Botschaft des Evangeliums für Menschen zu erschließen und die Inhalte des Glaubens so zu entschlüsseln, dass sie eine Hilfestellung sein können.“ Dementsprechend war für sie die theologische Qualifikation ihrer Mitarbeiter*innen besonders wichtig: „Denn nur, wenn die Leute es selbst im Herzen verstanden haben, können sie die Botschaft auch verkünden.“ Auf der anderen Seite steht die Nähe zu den eigenen Mitarbeiter*innen und das grundsätzliche Wissen um sie und ihre Qualitäten: „Ich hätte mir nicht vorstellen können eine Personalstelle zu leiten, ohne die Mitarbeiter*innen zu kennen. Auch wenn das bei zu Beginn 186 und am Schluss 350 Personen schwierig ist, so war es mir immer ein Anliegen, die Personen zumindest im Bewerbungs- oder Sendungsgespräch oder auch in den Präsentationen am Abschluss des Pastoralen Einführungsjahres kennen zu lernen und zu erfahren, was die Person ausmacht. Ich wollte nicht Personal verwalten, sondern mit qualifiziertem Personal Kirche gestalten“.
Gemeinsame Suche nach dem Weg
Beide Anliegen verband Brigitte Gruber-Aichberger über die Jahre hinweg unter anderem, indem sie am Beginn der dienstlichen Mitteilungen der Abteilung immer einen spirituellen Impuls mit persönlichen Worten an die Mitarbeiter*innen richtete. Auch in der gemeinsamen Suche nach dem Weg der*des Mitarbeiters*in wurden diese Bestrebungen verbunden: „Das ist auch das Schöne und Spannende an dieser Arbeit, man muss hinhorchen, um zu wissen, wo die Mitarbeiter*innen gerade stehen. Dazu ist es wichtig, in die jeweilige Person Vertrauen zu haben. Das spüren die Menschen ja auch.“ Aus diesem Hinhören entsteht auch ein Wissen darüber, wofür die jeweiligen Mitarbeiter*innen brennen: „Wichtig war mir, zu wissen, was die Seelsorger*innen meinen, wenn sie sagen, sie wollen Kirche mitgestalten. Spannend ist es auch zu sehen, welche Ideen die Mitarbeiter*innen haben, was alles gelingt bzw. wo etwas auf Grund der Erfahrungen und Vernetzungen, die die Personen mitbringen, wächst.“
Blick auf das Ganze
Außerdem war es Brigitte Gruber-Aichberger ein Anliegen, sich an der Gesamtentwicklung in der Diözese zu beteiligen und diese mitzugestalten bzw. den Betrieb Pastorale Berufe gut miteinzubringen. „Mir ging es auch darum, Möglichkeiten zu schaffen, dass unsere Mitarbeiter*innen Verantwortung übernehmen können. Also habe ich immer überlegt, ob ich Mitarbeiter*innen habe, die eine Aufgabe übernehmen können und was sie an Unterstützung dazu brauchen.“ Gleichzeitig verstand sie Kirche und konkret den Betrieb Pastorale Berufe als einen lernenden Organismus: „Wenn ich in den Pfarren auf Besuch war, habe ich immer genau hingehört und darauf geachtet, was ich vor Ort wahrnehme bzw. was das für unsere Arbeit bedeutet. Es war mir immer lustig, mitzudenken und konzeptionell zu arbeiten.“
Veränderungen in der Seelsorge
Neben den Aspekten, die über die Jahre konstante Relevanz hatten und selbst geplant werden konnten, hat sich in den 23 Jahren aufgrund allgemeiner Entwicklungen in der Diözese auch vieles an der Situation der hauptamtlichen Laien-Seelsorger*innen verändert. Brigitte Gruber-Aichberger macht das im Rückblick an einigen zentralen Faktoren fest:
- Neue Generation Seelsorger*innen
„Als ich begonnen habe, hat eine neue Generation an Seelsorger*innen den Dienst angetreten, deren Selbstverständnis ein ganz anderes war als das der zölibatär lebenden Seelsorgehelfer*innen, die damals langsam in Pension gegangen sind und für ihren Beruf im wahrsten Sinne des Wortes gelebt haben.“ Die nachkommenden jungen Theolog*innen brachten eine umfangreiche fachliche Ausbildung mit und kamen mit dem Anspruch, als ein wichtiger Teil von Kirche diese aktiv zu gestalten. Rund um das Jahr 2000 begann sich auch die Frauenkommission zu formieren und die erste Frauenbeauftragte wurde eingesetzt, was Frauen in der Kirche, insbesondere in der Seelsorge, bestärkte.
- Kollektivvertrag Pastorale Berufe – Chance zur Abgrenzung
2001 wurde schließlich der Kollektivvertrag der Diözese Linz abgeschlossen: „Dadurch habe ich gelernt, sozialpartnerschaftlich zu agieren. Das war ein Lernprozess und bedeutete zudem auch Organisationsentwicklung als Betrieb und dazu musste eine gewisse Aufbauarbeit geleistet werden, denn zahlreiche Betriebsvereinbarungen wurden verhandelt. Aber auch für die Mitarbeiter*innen bedeutete das eine Umstellung und das Einfügen in das Spannungsfeld, einerseits Angestellte mit Rechten und Pflichten zu sein und sich andererseits weiterhin als für ihre Tätigkeit Berufene zu verstehen und sie mit Leib und Seele zu machen.“ Die Hauptamtlichen mussten ihre Rolle finden und auch das Thema Abgrenzung kam ins Spiel, wie Brigitte Gruber-Aichberger erzählt. Zur Abgrenzung gehört auch das Bewusstsein darüber, wozu man als Seelsorger*in da ist. „Für mich heißt da sein in diesem Zusammenhang auch, nicht immer da zu sein. Es heißt wissen, wo und wann man zugreifen muss.“ Mit der Klärung der Anstellungen incl. Aufgabenbeschreibungen und dergleichen stiegen auch die Ansprüche an die Mitarbeiter*innen.
- Neue Leitungsmodelle erfordern neue Rollen der Hauptamtlichen
Die zunehmende Personalknappheit hat die Diözese veranlasst, für Pfarrgemeinden neue Leitungsmodelle wie etwa Pfarrassistent*innen und Seelsorgeteams von Ehrenamtlichen zu entwickeln. Damit veränderte sich auch die Rolle der Hauptamtlichen. Zum einen hieß das im Falle der Pfarrassistent*innen Verantwortung für Seelsorge in Pfarren zu übernehmen und zum anderen mussten für die Zusammenarbeit mit den Seelsorgeteams Begleitkompetenzen verstärkt entwickelt werden. Diese neuen Modelle fordern die Hauptamtlichen in einer anderen Weise: „Die Ehrenamtlichen sind meist sehr stark identifiziert mit der Gemeinde. Da reicht es nicht, als Hauptamtlicher dabei zu sein. Vielmehr braucht es eine reflektierende Person, die den Überblick bewahrt und das Tun in einen größeren Kontext setzt. Es braucht Hauptamtliche, die hinterfragen, ohne etwas schlecht zu reden, aber den Fokus schärfen. Es ist notwendig, lenkend, stärkend und ermöglichend zu agieren als Hauptamtliche. Dazu muss man etwas von pastoraler Arbeit verstehen.“
- Schwerpunkt Weiterbildung
Für Brigitte Gruber-Aichberger geht der seelsorgliche Auftrag weit über die Pfarre oder das Krankenhaus bzw. Altenheim hinaus: „Es stellt sich die Frage: Wo braucht es uns als Christ*innen? Dahinter steht der Anspruch, allen Menschen die christliche Botschaft zu verkündigen: Wie kann der Blick geschärft werden darauf, was sich in Kirche und Gesellschaft verändert, damit Seelsorge entsprechend gestaltet werden kann?“ Damit dieses Verstehen leichter gelingt, wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für pastorale Fortbildung (IPF) und der Abteilung Priester Weiterbildungen und Begleitlehrgänge geschaffen. Ziel dieser Kurse ist die Einübung in eine Pastoral der Ermöglichung und in eine Haltung, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe fördert.
- Neue Ausbildungsmöglichkeiten
Aber auch die Zugänge zum Beruf „Seelsorger*in“ haben sich geändert und vervielfältigt. So gab es lange Zeit neben der Möglichkeit des Theologiestudiums auch das Seminar für kirchliche Berufe in Wien, das eine wesentliche Quelle für ausgebildete Seelsorger*innen war. Dieses wurde aber zwischenzeitig geschlossen. So stellte sich für die Verantwortlichen und Brigitte Gruber-Aichberger die Frage: Welche Wege gibt es noch, dass wir Personen qualifizieren können? Seit 2005 gibt es daher die eher lokal greifende Möglichkeit, sich als Religionslehrer*in im Pflichtschulbereich berufsbegleitend zur*m Seelsorger*in ausbilden zu lassen. Außerdem können sich Jugendbeauftragte nach mindestens acht Dienstjahren bei Pastorale Berufe über den Würzburger Pastoralen Fernkurs für die Arbeit als Pastoralassistent*in qualifizieren. Alternativ zur Ausbildung durch die Berufsbegleitende Pastorale Ausbildung Österreich (BPAÖ), die es bereits seit den 1990er Jahren gibt, wurde an der Katholischen Privatuniversität Linz nun auch ein Bachelorstudium für Berufsumsteiger*innen konzipiert. „Dieser Ausbildungsweg richtet sich ganz konkret an Menschen, für die die Ausbildung an der BPAÖ aus persönlichen und strukturellen Gründen nicht geeignet ist, etwa, weil sie sich den „Praktikant*innen-Status“ nicht leisten können bzw. es ihnen nicht möglich ist, sich einmal pro Monat eine Woche für den Kurs in St. Pölten aufzuhalten“, erklärt Brigitte Gruber-Aichberger.
- Veränderte Aufgabenbereiche
Wenn auch die Bezeichnungen gleichgeblieben sind, so haben sich in den Jahren doch die Aufgabenbeschreibungen der Berufe wesentlich geändert. „Hier hat sich sicher nicht alles zum Guten gewandelt. So ist in manchen Gegenden der Priestermangel so eklatant, dass die pastoralen Mitarbeiter*innen mit den Aufgaben im liturgischen Bereich so ausgefüllt sind, dass kaum Zeit für etwas Anderes bleibt. Dabei sehe ich die Pastoralassistent*innen von ihrer Grundbeauftragung her eher in der Verkündigung und an der Schnittstelle von Gesellschaft und Kirche, die Notwendigkeiten sind aber andere. Und auch wenn einige Mitarbeiter*innen die Liturgie als Hilfe für andere Tätigkeiten sehen, weil man dabei gesehen und ernstgenommen wird, bräuchte es eigentlich mehr Zeit, um die pastorale Arbeit insgesamt zu gestalten und auch die Kasualien seelsorglich besser einzubetten.“
- Dekanatsprojekte und Dekanatsassistent*innen
Durch diözesane Entwicklungsprozesse, in denen die Zusammenarbeit auf Dekanatsebene gestärkt wurde, haben sich auch neue Berufsgruppen wie etwa die Dekanatsassistent*innen herausgebildet. „Dieser Beruf bringt für Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln, gleichzeitig werden dadurch die Dechanten unterstützt, die ihre Aufgaben sonst kaum mehr bewerkstelligen könnten.“ Als innovative Ergänzung haben sich die Dekanatsprojekte herauskristallisiert: „Durch die Dekanatsprojekte konnten Bereiche, die zwar von den Pfarrseelsorger*innen gesehen wurden, aber aus Ressourcengründen nicht abgedeckt werden konnten, bedient werden. Außerdem bekamen die Dekanate die Möglichkeit, für sich selbst Schwerpunkte zu suchen und zu setzen. Gleichzeitig wurde die Idee, in Projekten zu denken, gefördert.“ Das nötige Handwerkszeug dazu bekommen die Mitarbeiter*innen unter anderem bereits im Zuge des pastoralen Einführungsjahres vermittelt. „Gleichzeitig sind die Dekanatsprojekte auch eine Chance, dass Kirche von der Zivilgesellschaft wahrgenommen wird. Dies gelingt z.B. durch die Beteiligung von Dekanaten an Landesausstellungen oder Kulturhauptstadtjahren. Diese Beteiligungen sind eine große Chance im Sinne der Verkündigung, denn es macht einen Unterschied, ob mit kunsthistorischem Blick durch eine Kirche geführt wird oder ob bei der Führung die in der Kirche angelegte Botschaft gehoben wird.“
Kirchenpolitische Entscheidungen als Herausforderung
Neben den Veränderungen in der Seelsorge wirft Brigitte Gruber-Aichberger aber auch einen Blick auf die Herausforderungen in den 23 Jahren ihrer Tätigkeit. Manche kirchenpolitischen Entscheidungen gehörten für Brigitte Gruber-Aichberger dazu. Hier nennt sie etwa den Entzug der Taufbeauftragung für Laientheolog*innen genauso wie die Veränderung in der Predigtregelung durch Bischof Dr. Ludwig Schwarz SDB: „Das hat zu vielen Irritationen geführt und auch zur Demotivation der Mitarbeiter*innen beigetragen. Hilfreich war dabei die gute Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden der Berufsgemeinschaft, die gut mitgewirkt haben, indem sie den Zusammenhalt der Kolleg*innen begleiteten und stärkten. Es war einfach ein solidarisches Miteinander und man wusste, man kann sich aufeinander verlassen. Auch Priester wirkten damals sehr unterstützend mit.“
Insgesamt war die pastorale Situation aber so, dass die Arbeit der hauptamtlichen Laien geschätzt wurde und es in vielen Bereichen gar nicht mehr ohne hauptamtliche Laientheolog*innen vorstellbar ist.
Dass es seit 2019 wieder möglich ist, im Bedarfsfall um Taufbeauftragung anzusuchen, stellt eine große Erleichterung der Seelsorge an vielen Orten dar.
Herausfordernd erlebte Brigitte Gruber-Aichberger es außerdem, wenn die Funktion der Pfarrassistent*innen hinterfragt wurde. Schwierig war es dazu immer wieder, wenn es nicht möglich war, offene Posten in Dekanaten oder Pfarren nachzubesetzen.
Schwierige Kündigungen
Wie man sich vorstellen kann, gehören Kündigungen zu den weniger erfreulichen Notwendigkeiten einer Leiterin in der Personalstelle: „Auch wenn es wenige gab, es ist immer schwierig, einer*m Mitarbeiter*in zu sagen, dass es einfach nicht reicht, auch wenn er*sie sich noch so sehr bemüht. Hier empfand ich es als wichtig, die Gründe verstehbar zu machen, denn nur dann kann die jeweilige Person aus der Situation etwas lernen." Wenn es Schwierigkeiten gab, die nicht in einer Kündigung münden sollten, dann war es Brigitte Gruber-Aichberger immer ein Anliegen, mit den Mitarbeiter*innen gemeinsam einen Weg zu finden, auf dem es gut weitergehen kann. „Dazu fand ich es hilfreich, wenn die Mitarbeiter*innen offen mit mir gesprochen haben – ohne jedoch Privates teilen zu müssen. Die Unterstützung des Betriebsrates habe ich in diesen Kontexten auch zu schätzen gelernt.“
Sehen, wie Mitarbeiter*innen mit ihren Aufgaben wachsen
Brigitte Gruber-Aichberger blickt auf viel Schönes in ihren 23 Jahren als Direktorin bei Pastorale Berufe zurück: „Da sind Kleinigkeiten, aber auch die großen Dinge. Schön ist, wenn man an etwas arbeitet, das dann auch aufgeht. Eine Freude ist immer, wenn man gute Mitarbeiter*innen hat, die beginnen und viel Potential mitbringen. Oder auch, wenn Menschen reinwachsen. Wie zum Beispiel ein Mitarbeiter, der erst im Jugendzentrum gearbeitet hat und sich „nur“ als Kirchenmitglied bezeichnet hat und dann später mit der Ausbildung zum Pastoralassistenten begonnen hat.“ Auch über kurze Rückmeldungen hat sich Brigitte Gruber-Aichberger gefreut: „Wie die eines Mitarbeiters, der mir geschrieben hat, dass er sich jedes Mal aus meinen Zeilen in den Dienstlichen Mitteilungen etwas mitnehmen konnte.“ Auch die Zusammenarbeit im Büro-Team von Pastorale Berufe hat Gruber-Aichberger geschätzt, wie auch die Zusammenarbeit mit den Betriebsrät*innen und Berufsgemeinschaftsvorsitzenden.
Vorfreude auf einen neuen Lebensabschnitt
Worauf freut sich Brigitte Gruber-Aichberger in ihrem neuen Lebensabschnitt?
„Ich freue mich darauf, weniger eingespannt zu sein, mehr freie Zeit zu haben, mich auch mal ausrasten zu können. Ich freue mich auf mehr Bewegung und mehr Musik und vor allem freue ich mich darauf, Mittag endlich wieder selbst kochen zu können.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA