Pfarren leiten ohne Weihe – Pfarrassistent*in als Beruf(ung)
1994 wurde erstmals eine diözesane Rahmenordnung „Pfarrmoderatoren und Pfarrassistent*innen“ erarbeitet, welche nach einer Überarbeitung im Jahr 2000 noch immer Anwendung findet und den Einsatz von Pfarrassistent*innen in der Diözese Linz ermöglicht. Rechtliche Grundlage dafür bildet das Kirchenrecht (CIC c.517 §2). Danach ist es dem Diözesanbischof möglich, wenn aufgrund des Priestermangels kein Pfarrer für eine Pfarrgemeinde eingesetzt werden kann, einen Diakon oder eine andere Person, die die Priesterweihe nicht empfangen hat, oder eine Personengruppe an „der Ausübung der Hirtensorge“ (cura pastoralis) zu beteiligen, sofern er zugleich einen Priester (sacerdos) bestimmt, der die Hirtensorge leitet (moderetur) und dazu mit den „Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers“ ausgestattet wird.
Mag.a Brigitte Gruber-Aichberger PMM, Leiterin der Abteilung Pastorale Berufe, betont wie wichtig Pfarrassistent*innen für die Gemeinden sind: „Ohne diese Funktion der Pfarrassistent*innen hätten viele Gemeinden keine Leitung.“ Am Beginn des Berufsstandes in den 1990er Jahren wurden Pfarrassistent*innen vor allem für kleinere Pfarren mit bis zu 1.000 Katholik*innen eingesetzt. Inzwischen sind es insgesamt 56 Frauen und Männer, die in unserer Diözese Pfarren in diesem Modell leiten, darunter einige der größten Pfarren, wie etwa Vöcklabruck, Freistadt, Eferding und Garsten.
Pfarrassistent*innen als Leitungspersonen einer Pfarre
Doch was genau macht das Berufsbild der*des Pfarrassistenten*in aus? Mag.a Elisabeth Hötzmanseder, Pfarrassistentin in der Pfarre Niederneukirchen, beschreibt es folgendermaßen: Mein Berufsbild ist geprägt von Verkündigung und Verantwortung, Liturgie und Mitleben, Gestaltung und Gemeinschaft, Repräsentation und Büroarbeit, Teilen von Glaubens- und Kirchenwissen mit Ehrenamtlichen und Zuhören. Es ist geprägt von einer großen Breite menschlicher Erfahrungen, vom Geborenwerden, dem Feiern dieses Lebensgeschenks und der Verbindung mit Gott in der Taufe bis hin zum Abschiednehmen und Wachhalten der Auferstehungshoffnung beim Begräbnis“.
Mit diesem Aufgabenprofil ist man letztverantwortlich für alles, was die Pfarre betrifft. „Im Unterschied zu einem*r Pastoralassistent*in – sie sind jeweils für Teilbereiche von Seelsorge zuständig - gibt es für uns keine*n Vorgesetzte*n vor Ort. Es geht um gemeinsame Leitung mit dem Moderator, also dem zuständigen Priester, der aber selten im alltäglichen Pfarrgeschehen präsent ist“, erklärt Mag. Matthias List, Pfarrassistent in der Pfarre St. Markus in Linz und ergänzt: „Das heißt, wir stimmen uns mit der Leitung des Pfarrgemeinderates oder auch dem Seelsorgeteam gut ab, sind Dienstvorgesetzte für die pfarrlichen Angestellten und verantwortlich dafür, dass alles funktioniert, von der Haustechnik über die Finanzen bis hin zur Liturgie.“
Brigitte Gruber-Aichberger betont den hohen Stellenwert, den die Pfarrassistent*innen dadurch in der Diözese haben: „Bei unseren Pfarrassistent*innen bündelt sich sehr viel pastorale und seelsorgliche Kompetenz, damit verantworten sie die Gesamtpastoral der Diözese wesentlich mit.“
Der Arbeitsalltag
In ihrem Arbeitsalltag kümmert sich Elisabeth Hötzmanseder um alle Belange der Pfarre, wobei das Kirchenjahr einen wichtigen roten Faden durch das Arbeitsjahr darstellt. Denn der Hauptteil der Arbeit Elisabeth Hötzmanseders sind Gottesdienstvorbereitungen mit allem was dazugehört – also inhaltlicher Absprachen, aber auch Absprachen mit Mesner*innen und den jeweiligen vorbereitenden Gruppen.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Teilnahme an Sitzungen, durch die das Pfarrleben gestaltet wird, seien es Pfarrgemeinderatssitzungen, oder auch die des Finanzausschusses, Pfarrblattsitzungen und dergleichen. Zentral ist auch die Zusammenarbeit auf Dekanats- und Diözesanebene, die ebenfalls Zeit braucht. Neben Anfragen für Taufen, Begräbnisse usw. kümmern sich Pfarrassistent*innen auch um Anliegen, die von Seiten der politischen Gemeinden an sie herangetragen werden. Matthias List ist es darüber hinaus wichtig, sich Zeit zu nehmen, um mit offenem Ohr für andere, aber auch für sich selbst und ganz besonders für Gott da zu sein: „Ich nehme mir auch die Zeit, um Fachzeitschriften und Bücher zu lesen, um mich weiterzubilden und theologisch fit zu sein. Genauso verwende ich auch Zeit um Gesprächen nachzuspüren, um zu merken, was sie mit mir machen, oder aber auch zu reflektieren, wo und wie wollen wir miteinander weitergehen.“
Bei Elisabeth Hötzmanseder, die in einer kleineren Pfarre tätig ist und daher nur eine Teilanstellung in der Pfarre hat, kommen dazu immer auch andere Aufgaben, wie die Arbeit als Religionslehrerin oder auch Betreuungszeiten der eigenen Kinder, als diese noch jünger waren, dabei betont sie: „Dies lässt sich gut vereinbaren, weil Führung in Teilzeit möglich ist.“
Ein Beruf, der vielfältige Charismen erfordert
Matthias List ist dankbar dafür, seine eigenen Fähigkeiten und Talente gut in den Beruf einbringen zu können: „Ich bin froh, dass ich einerseits ganz gut im Organisieren und Teamworken bin und andererseits keine Scheu vor dem Improvisieren und Kreativsein habe. Wichtig ist auch Empathie und Zeit zu haben für die Menschen, die mich als Teil bzw. Repräsentant dieser Kirche erleben.“ Beide Pfarrassistent*innen sehen eine tiefe spirituelle Verwurzelung als essenziell für ihre Tätigkeit. Für Elisabeth Hötzmanseder gehört zum Portfolio eine*r guten Pfarrassistenten*in zudem: „Glaubensfreude, Selbstvertrauen und Menschenliebe, Gelassenheit, auch mal was aushalten können, Präsenz im Auftreten und Sprachgewandtheit.“
Von Beruf „Dorfseelsorgerin“
Elisabeth Hötzmanseder genießt die Rolle als „Dorfseelsorgerin“ sehr, obwohl diese mit sich bringt, dass auch ihre Familie teilweise in der Öffentlichkeit steht: „Es ist einfach eine spannende Aufgabe und schön zu spüren, wie viele Menschen mir großes Vertrauen entgegenbringen. Mir ist es auch wichtig, dass die Kirche im Dorf bleibt und eine wesentliche Partnerin im Zusammenspiel mit den Institutionen und Vereinen darstellt. Kirche im Dorf bedeutet auch unerwartet tiefgehende Gespräche im Supermarkt oder bei einem geteilten Stück Nachhauseweg. Das hat schon eine besondere Qualität.“
Matthias List sieht ähnliche Besonderheiten in der Arbeit in seiner Gemeinde in der Stadt: „Es ist schön, mit den Menschen vor Ort ganz bewusst und in Letztverantwortung Pfarrgemeinde zu gestalten; ich kann Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten – das ganze Leben, mit allem was vibriert und auch offen bleibt, ist in diesem Beruf Thema.“
Herausforderungen
Natürlich gibt es aber auch besondere Herausforderungen, mit denen die Pfarrassistent*innen umgehen müssen. Das sind zum Einen die persönlichen, die Matthias List nennt: „Das Wahren der Balance zwischen eigener Familie, Arbeit, aber auch Hobbys ist wichtig und schwierig zugleich, genauso wie die vielen Abend- und Wochenendtermine.“ Hötzmanseder ergänzt auftretende Konflikte innerhalb der Pfarre, die Begleitung brauchen und schwierige Situationen in der Zusammenarbeit mit den Priestern, die sich aus gesundheitlichen oder altersbedingten Einschränkungen oder auch Anerkennungsproblemen den Pfarrassistent*innen gegenüber ergeben.
Begegnungen, die berühren
Auf der anderen Seite stehen besonders berührende Begegnungen, die man in diesem Beruf erleben darf, wie Elisabeth Hötzmanseder erzählt: „Das sind für mich die Trauergespräche. Ich habe großen Respekt vor der Trauer derer, denen ein geliebter Mensch gestorben ist. Berührend sind für mich aber auch die Menschen, die sich voller Freude und Mitgefühl für unsere Pfarre engagieren und die guten Worte und kleinen Zeichen der Nächstenliebe, die sich Menschen in meiner Pfarre füreinander einfallen lassen.“
Auch Matthias List beschreibt eine schier unendliche Liste an berührenden Erfahrungen, die er in der Begleitung der Menschen an ihren Lebenswenden und darüber hinaus in seiner Pfarre machen darf. Am Ende erzählt er darüber, wie er in der Volksschulklasse seiner ältesten Tochter von seinem Beruf berichten durfte. Zu diesem Anlass habe er die kunstvoll gestaltete Tabernakel-Schüssel in die Schule mitgenommen: „Ich habe sie gezeigt und erzählt, dass es zu meinen Aufgaben gehört, das Herz der Menschen aufzuschließen – füreinander und für das große Geheimnis, das wir Gott nennen. Und dass es ein großes Abenteuer ist, wenn Menschen ihre Herzenstüre aufmachen und herzeigen, was drinnen ist, bzw. das Wundervolle und auch manchmal Schreckliche hineinlassen – und ich sie dabei begleiten darf.“
Ein Berufsbild, das sich verändern wird
Auch wenn es mit der Reform der Pfarrstruktur das Berufsbild „Pfarrassistent*in“ in dieser Form in der Diözese Linz nicht mehr geben wird, werden ihre Fähigkeiten und Charismen weiterhin gebraucht werden, wie Brigitte Gruber-Aichberger betont: „Zukünftig werden für größere Pfarrgemeinden Seelsorgeverantwortliche beauftragt, die gemeinsam mit dem Seelsorgeteam Leitung wahrnehmen und für den Aufbau von christlichen Gemeinden sowie die seelsorgliche Begleitung von Menschen und die Gestaltung von liturgischen Feiern Sorge tragen.“ Dazu werden Pfarrassistent*innen in Zukunft für die Aufgabe des Pastoralvorstands in Frage kommen. So wird etwa Matthias List diese Aufgabe am Jänner 2023 für die Pionierpfarre Urfahr übernehmen.
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA