Seelsorge mit Menschen in der Arbeitswelt
Seit 2017 arbeitet Dipl-PAss. Josef Froschauer als Leiter des Projekts „Seelsorge mit den Menschen in der Arbeitswelt in den Dekanaten Grein und Perg“, die Herausforderungen aber auch die Unterschiede, die er derzeit in der Arbeitswelt sieht, sind groß: „In der Corona-Krise driftet unsere Erwerbs-Arbeits-Gesellschaft immer weiter auseinander in zwei Extreme: Die einen haben Arbeit, aber viel zu viel. Sie stöhnen auf unter der andauernden Überbelastung. Die anderen haben keine Arbeit und auch keine Aussicht in absehbarer Zeit eine zu bekommen. Sie verzweifeln an ihrer komplett perspektivlosen Lage. Beides ist ungerecht!“ Insofern versucht Froschauer derzeit auf soziale Gerechtigkeit hinzuwirken und dorthin zu schauen, wo diese aus dem Lot gerät. „Überbelastete und perspektivlose Menschen leben mitten in unseren Pfarrgemeinden. Schärfen wir unseren Blick, gehen wir auf diese Mitmenschen zu und schenken wir ihnen Zeit, Aufmerksamkeit, Gehör. Soziale Gerechtigkeit in der Pandemie fordert uns als Christinnen und Christen auf, unser Menschenbild und unser Verständnis von Arbeit – Erwerbsarbeit, sowie unbezahlte Betreuungs-, Erziehungs- und Haushaltsarbeit und auch gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeit - zu klären und zu festigen. Unser Christsein leben wir heute aufrichtig und konsequent, wenn wir im Dialog miteinander und mit der Gesellschaft für soziale Gerechtigkeit eintreten“, so sein Plädoyer.
Bewusstsein stärken
Damit ist bereits ein Schwerpunkt von Froschauers Tätigkeiten im Projekt angesprochen, nämlich, das Thema Arbeit in der Pastoral auf Dekanatsebene und in den einzelnen Pfarrgemeinden zu verankern und für die vier Grundfunktionen Diakonie, Gemeinschaft, Verkündigung und Liturgie zu entfalten.
Beim Dialog Kirche & Arbeitswelt im Zuge der Dekanatsvisitation (Das Foto ist vor der Corona-Pandemie entstanden.)
Dies versucht Froschauer derzeit mit Blick auf die durch Corona virulenten Themen: Mehrfach- oder Dauerbelastung in der Arbeit, Kurzarbeit, aber auch (drohende) Arbeitslosigkeit bzw. Dauerarbeitslosigkeit, indem er von der Situation der Menschen berichtet, die er begleitet. „Sie leiden an permanenter Überbelastung, etwa das Personal in Gesundheit und Pflege oder auch die Angestellten im Lebensmittelhandel, und an Überforderung, sowie völliger Erschöpfung.“ Durch diese Bewusstseinsbildungsprozesse hofft Froschauer, etwas auszulösen, damit die Pfarrgemeinden, aber auch Gruppen der KA (Katholische Aktion), sowie Seelsorger*innen und Pfarrgemeinderäte sich in der Fastenzeit diesen Themen widmen.
Foto der Gruppe in Schwertberg (Das Foto ist vor der Corona-Pandemie entstanden.)
Ein zweiter Aspekt seiner Arbeit ist die regionale Betriebsseelsorge. Hier plant und führt er gemeinsam mit einer Projektgruppe aus Betriebsräten und Belegschaftsvertreter*innen, sowie in Kooperation mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, dem Arbeitsmarktservice bzw. den politischen Gemeinden gemeinsame Veranstaltungen und Aktionen durch. Bei diesem „Dialog von Kirche und Arbeitswelt“ sind die Themenbereiche Digitalisierung, Flexibilisierung, Prekarisierung und Pendlersituation. Dieser Bereich ist derzeit coronabedingt besonders schwierig zu bedienen.
Seelsorge im Gehen
Die Corona-Krise beeinträchtigt auch die Angebote, die Froschauer üblicherweise direkt für die Arbeitnehmer*innen in den Betrieben setzt, also die Begleitung und das Angebot seelsorglicher Gespräche mit Einzelpersonen in Krisensituationen oder in Not. Da er als betriebsfremde Person derzeit nicht in die Firmen darf, ist es schwierig mit den betreffenden Personen Kontakt zu halten.
Aus dieser Situation heraus hat sich ein neues Angebot entwickelt, nämlich Gesprächs-Spaziergänge für rat- und hilfesuchende Menschen, die Froschauer nun seit dem zweiten Lockdown im November 2020 anbietet. Die Bewerbung dafür läuft in den Betrieben über die Betriebsräte und in den Orten durch die pfarrlichen Sozialkreise. Die Spaziergänge selbst sind ein qualitatives Angebot für Begleitgespräche, mit dem Froschauer schon einige positive Erfahrungen gemacht hat: „Das Nebeneinander-Hergehen in der Natur an einem "neutralen" (oft positiv besetzten) Ort hilft den Menschen, sich zu öffnen, zu erzählen, was sie belastet und bedrückt. Ich höre zu und frag nur nach, was sie freut und ihnen Mut macht, um ihnen zu helfen, sich positiv auszurichten und selbst daran zu stärken. Meist geht es um sehr essentielle Dinge.“ Froschauer erzählt von einem sehr intensiven Gespräch, das mit einer Person, die schon lange im Pflegebereich arbeitet, direkt im Anschluss an den Nachtdienst stattgefunden hat: „Als wir uns verabschiedet haben, hat sich die Person bei mir bedankt und gemeint, jetzt wird das Schlafen wieder möglich sein, weil alles gesagt sei. Und dabei ist die Sonne über dem Wald aufgegangen und wir spürten die Wärme. Zum Abschied haben wir uns ein Lächeln geschenkt, sind dann in unsere Autos gestiegen und weitergefahren in unsere Leben. Diese Begegnung hat mich sehr berührt und ich habe diesen Menschen seither oft ins Gebet eingebunden und für erholsamen Schlaf gebetet.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA