„Da muss man kreativ sein“ – Jugendarbeit im Lockdown
Das Kidszentrum TURBINe ist ein Kinder- und Jugendzentrum für 9 bis 14-Jährige, untergebracht im Gebäude der Pfarre Marcel Callo in der alten Tuchfabrik in Auwiesen. Im Normalbetrieb, abseits von Corona, finden sich im Winter täglich bis zu 60 Kinder und Jugendliche, die dort ihre Zeit verbringen, spielen, sich austoben, oder aber auch gemeinsam Kochen bzw. Gespräche mit den dortigen Jugendleiter*innen (Jakob Freudenthaler, Josef Hansbauer, Monika Kraml, und Veronika Schönhart) führen.
Derzeit ist alles anders. Nachdem im Sommer und auch Herbst die Arbeit in Kleingruppen von bis zu 20 Kindern ohne Maske und ohne Abstand, aber mit bestehendem Hygienekonzept (Erhebung der Kontaktdaten der anwesenden Kinder, häufiges Lüften, Hände desinfizieren) möglich war, ist der Betrieb jetzt stark eingeschränkt. „Eine klare Regelung, wie im vorigen Lockdown gibt es diesmal nicht. Es kamen nur Empfehlungen vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend, “ berichtet Jakob Freudenthaler BEd. (Zentrumsleiter). Diese Empfehlungen besagen, dass derzeit nur pädagogische Gespräche oder Beratungen möglich sind und das nur in Räumen, in denen pro Person 10 m2 Platz sind. Das macht die Arbeit mit den eher jüngeren Jugendlichen recht schwierig: „Die Kinder kommen sonst zu uns hauptsächlich zum Toben, zum Loslassen von zuhause. Sie treffen in der Turbine Freund*innen und freuen sich, wenn sich was tut. Dabei passiert das soziale Lernen im Tun. Die Gespräche ergeben sich dann eher nebenbei,“ erzählt Jakob Freudenthaler.
Kontakt halten mit nachgehender Seelsorge
Um die Jugendlichen weiterhin zu erreichen und den Kontakt aufrecht zu erhalten, aber auch um das positive „TURBINe-Gefühl“ nach draußen zu tragen, setzt das Team der Jugendleiter*innen vermehrt auf nachgehende Seelsorge. Sie gehen durch den Stadtteil und schauen wo die Kinder sind, treffen viele in den Parks, oder jetzt bei Schnee beim Bob fahren im Wasserwald.
„Wir wissen inzwischen ja schon, wo sich die Kids treffen. Dort schauen wir dann hin, fragen sie, wie es ihnen geht. Dadurch ist es möglich, Kontakt mit ihnen zu halten und ihnen auch zu sagen, dass sie jederzeit anrufen können oder kommen können, wenn sie etwas brauchen. Ein paar rufen dann auch an. Aber mehr ist derzeit leider nicht möglich,“ schildert Jakob Freudenthaler.
Manchmal werden diese Spaziergänge genutzt um kleine Aufmerksamkeiten an die Jugendlichen zu verteilen. So wurde von Monika Kraml und Veronika Schönhart ein Adventkalender aus Klopapierrollen gebastelt, der mit gut verpackten Haribosäckchen und einzeln verpackten Schokoladeschneemännern gefüllt wurde. Die fertigen Pakete wurden dann bei einem Spaziergang an Kinder, die sie aus dem Normalbetrieb gut kannten, verteilt. „Die Kinder haben sich echt riesig gefreut, weil sie mit solchen kleinen Aufmerksamkeiten und Geschenken zwischendurch in der aktuellen Zeit nicht gerechnet haben,“ erzählt Monika Kraml.
Ähnliche Erfahrungen schildert Jakob Freudenthaler: „Als wir Kekse gebacken haben und ihnen die im Park angeboten haben, das war schön. Da hatte ich das Gefühl, dass die Jugendlichen schon auch eine Sehnsucht nach dem Ort „Kidszentrum“ haben und das hat mich gefreut. Sie fragen ja auch immer wieder, wann wir wieder aufsperren. Da weiß man, dass es wichtig und gut ist, was man macht. Oder auch letzte Woche, als wir im Wasserwald beim Rodelhügel waren: Ein Ehemaliger, der ist jetzt schon 15, hat uns einfach mit dem Rad begleitet. Er ist mit uns die ganze Zeit mitgefahren und wir haben gequatscht. Da merkt man, wie wichtig diese Begegnung den Kindern ist, wie gut es ihnen tut.“
Soziale Medien unterstützen den Kontakt
Beim Kontakt halten sind die sozialen Medien hilfreich. Wenn das Team im Stadtteil unterwegs ist, wird das auf Instagram gepostet. Darauf melden sich die Jugendlichen dann direkt und treffen sich mit den Jugendleiter*innen. Außerdem gibt es zwei Mal die Woche ein Videochat-Angebot für das keine Anmeldung und kein Account notwendig ist. Dieses Angebot nutzen eher die älteren Jugendlichen, die auch sonst über das Smartphone und diverse Apps ihre Beziehungen pflegen. In diesen Videochats oder auch via Live-Videos auf Instagram versuchen die Jugendleiter*innen kreativ zu sein, kochen oder backen auch mal live online.
„Dass das so klappt ist einerseits schön, weil wir doch zu vielen Kontakt halten können,“ sagt Jakob Freudenthaler, fügt aber etwas wehmütig hinzu, „andererseits ist es halt auch schade, weil es nicht unbedingt das ist, was offene Jugendarbeit ausmacht. Denn dort ist Beziehungsarbeit eines der wichtigsten Dinge, aber wenn du den Menschen nicht begegnest, ist es schwierig die Beziehung aufrecht zu halten.“
Hausbesuche zu konkreten Anlässen
Um die persönlichen Begegnungen nicht nur auf mehr oder weniger zufällige Kontakte zu beschränken, begann das Team der TURBINe damit, im Ortsteil von Tür zu Tür zu gehen und bei Kindern, deren Adressen bekannt waren, anzuläuten. So etwa auch am Nikolaus-Tag, an dem sich Veronika Schönhart und Monika Kraml mit einem Nikolausgruß auf den Weg machten. Veronika Schönhart BEd berichtet: „Dann sind wir mit unserer Kidsliste durch Auwiesen spaziert, haben zu Hause bei unseren Kids angeläutet und den Nikolausgruß verteilt. Anfangs waren die Familien verwirrt, wer denn da jetzt daherkommt. Schließlich haben sich nicht nur die Kinder über die kleine Aufmerksamkeit gefreut, sondern auch die Eltern fanden es voll nett, dass wir den persönlichen Kontakt weiterhin pflegen.“
Kreativität ist notwendig um den Bedarf zu decken
Jakob Freudenthaler ergänzt die generelle Herangehensweise der Jugendleiter*innen während des Lockdowns: „Da muss man kreativ sein, etwas umsetzen und schauen wie es funktioniert.“ Die Besuche und Begegnungen machen zudem deutlich: „Der Bedarf ist da, weil es einfach Eltern gibt, die nicht so viel Zeit haben und froh sind, dass es da etwas gibt. Wenn man die Zahlen der Jugendlichen in der Turbine von vor Corona kennt und weiß, wie es gelaufen ist, dann ist das nun natürlich wenig. Aber gerade in der Jugendarbeit geht es weniger um die reinen Zahlen, sondern auch darum, was und wie etwas gemacht wird. Es geht mehr um Qualität, denn um Quantität. Wir sind jedenfalls froh, dass wir doch so gut Kontakt halten können. Und wie alle hoffen wir, dass wir bald wieder mehr machen können. Die Jugendlichen fragen auch öfter nach, wann wir denn endlich wieder aufsperren. “
Was gut funktioniert wird auch nach Corona Bestand haben
Die nachgehende Jugendarbeit wird jedenfalls ein Bestandteil des Angebots der Turbine bleiben bzw. wurde auch schon in der Vergangenheit im Sommer in einer Kooperation mit den Kinderfreunden umgesetzt. Jakob Freudenthaler: „Eine Kombination aus nachgehender Jugendarbeit, in der wir an die Orte gehen, wo die Jugendlichen sind, und offenem Betrieb, wird die Zukunft sein.“
Die Stärken des offenen Betriebes erklärt er so: „Die Kinder können da kommen, wie sie sind und besonders die Kleineren brauchen auch die Möglichkeit des „Angrenzen“, also etwas auszuprobieren und dann zu schauen wie wir reagieren, wo unsere Grenzen sind, aber auch was unsere Haltung ist. Und das passiert normalerweise in der Turbine.“
Trotz der Herausforderungen bleibt die Zuversicht
Obwohl die derzeitige Situation für Kinder und Jugendliche eine Herausforderung darstellt, bleibt Jakob Freudenthaler zuversichtlich: „Wenn auch die Kinder – oftmals still – unter der Pandemie und ihren Auswirkungen leiden und für sie vieles ungewiss ist, so macht es mir für die Zukunft Mut, dass sie sich dennoch nicht unterkriegen lassen und positiv in die Welt hinausgehen, was uns Erwachsenen selbst oft nicht gelingt.“
Nähere und aktuelle Infos zu den Angeboten der TURBINe unter: https://www.dioezese-linz.at/institution/9366
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA