„Wir versuchen das Beste“
„Es nützt nichts, dem nachzutrauern, was nicht geht. Da nütze ich lieber die Gelegenheiten, die sich bieten. “ So beschreibt Mag.a Carmen Rolle (Seelsorgerin im Haus Karl Barromäus und im Haus für Senioren) ihre derzeitige Herangehensweise. Die Prioritäten setzt sie nach dem, was möglich ist. Die Möglichkeiten sind von Heim zu Heim und von Tag zu Tag unterschiedlich. Sobald es Coronafälle in den Heimen gibt, sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt, aber auch im derzeitigen „Normalbetrieb“ ist nicht alles möglich.
Im Seniorenzentrum Franckviertel in Linz ist es hinsichtlich Corona lange Zeit gut gelaufen und es war viel möglich, erzählt Dipl. PAss.in Birgit Schopf, die dort als Seelsorgerin tätig ist: „Wir sind vom Frühling weg bis in den November alle gesund gewesen, erst dann haben die Krankheitsfälle begonnen. Bis dahin war aber sehr viel möglich. Da ich über das Haus selbst angestellt bin, durfte ich auch während des ersten Lockdown ins Heim. Und so haben wir die Gottesdienste pro Wohnbereich gefeiert. Drei Stockwerke, je zwei Wohnbereiche. Das ist dann wie Hauskirche bzw. Religionsunterricht. Wir sitzen am Tisch und machen ganz einfache Gottesdienste, ohne Kommunion. Es wird miteinander gesungen, gebetet und die Inhalte werden auf ganz einfache Art und Weise ausgelegt.“
Das Feiern in der kleinen Tischgemeinschaft erleichtert die Kommunikation mit den Bewohner*innen, erzählt Mag.a Manuela Winklmayr (Seelsorgerin im Sonnenhof am Freinberg in Linz): „Das ist positiv, weil man durch die stärkere Präsenz im Wohnbereich die Bewohner*innen viel mehr erreicht.“
Sicheres Feiern in den Wohnbereichen
Durch die Beschränkung auf Wohnbereiche und das Einhalten der Zusammensetzung, in der die Bewohner*innen die Mahlzeiten einnehmen, bzw. ihre Zeit verbringen, stellt das gemeinsame Feiern kein zusätzliches Risiko dar, ist aber für die Bewohner*innen gerade in dieser Zeit sehr wertvoll. Darüber hinaus sind auch Besuche der Seelsorger*innen in den Zimmern mit Einzelgesprächen in den meisten Häusern möglich. Um das sicher zu machen, werden auch die Seelsorger*innen wöchentlich getestet. Treten bei den Bewohner*innen Fälle von Covid-19 auf, dann ändert sich die Situation sehr rasch: „Es ist nichts planbar, man kommt in der Früh und schaut, was man machen kann. Man muss einfach flexibel sein,“ sagt Birgit Schopf. Dort, wo Fälle aufgetreten sind, sind Wohnbereiche isoliert und die Bewohner*innen dürfen das Zimmer nicht verlassen. Die anderen Wohnbereiche teilt sich Schopf tageweise auf, so dass sie je Tag nur ein Stockwerk besucht. In den isolierten Bereichen versuchen die Seelsorgerinnen mit Telefonaten, Briefen und Aushängen Kontakt zu halten oder hinterlassen auch einfach Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Kärtchen zur Gestaltung der Tische. Manuela Winklmayr kommuniziert über Aushänge ihre Kontaktdaten: „Das wird auch genützt, die Bewohner*innen rufen mich auch mal an.“
Schwierig ist es seit November für Rosa Astegger, die in Alten- und Seniorenheimen in Vöcklamarkt, Mondsee und Pfaffing arbeitet, weil es in zwei der drei Heime bereits Coronafälle gab. Daher empfindet sie das Arbeiten derzeit als sehr mühsam: „Ich darf nur mehr in jenes Heim, in dem keine Fälle sind. In den anderen kann ich nur mit Briefen arbeiten. So wie im ersten Lockdown im Frühling, als ich auch nicht in die Heime durfte, weil Seelsorger*innen in vielen Heimen als „Besuch“ galten, der verboten war.“ In dem coronafreien Heim feiert sie ähnlich wie die anderen Seelsorgerinnen nur im kleinsten Rahmen bei den Personen im Zimmer. Auch alle anderen Aktivitäten sind abgesagt, seien es die Besuche der Kindergartengruppen oder Schulen oder auch die individuellen Besuche, dadurch entfallen die einfachen Gesprächsmöglichkeiten.
Dankbarkeit
Für ihre Angebote bekommen die Seelsorger*innen Wertschätzung und Dankbarkeit von den Bewohner*innen zurück. Astegger konnte gerade eben wieder in ein Haus, in das sie auf Grund der dortigen Corona-Fälle einige Zeit nicht konnte: „Das war besonders schön, als ich dort nun das erste Mal wieder war. Da kam mir ein: „Ma, ist das schön, dass du wieder da bist!“ entgegen.“
Selbst wenn der Dank nicht ausgesprochen wird, merken die Seelsorger*innen, dass ihre Angebote für viele wichtig sind, weil etwa die Bewohner*innen besonders intensiv mitmachen. Astegger beschreibt: „Die Arbeit der Seelsorge ist etwas Sinnbringendes, Sinnstiftendes und das hilft in der derzeitigen Situation.“
Es bemüht sich ein*e jede*r, von der Leitung bis zu den Haustechnikern, der Pflege, dem Reinigungspersonal.“ sagt Winklmayr. Ein besonderer Dank seitens der Seelsorger*innen und der Bewohner*innen gilt den Pflegekräften. Carmen Rolle: „Das ist für die Bewohner*innen so wichtig, zu sehen, dass sich jemand um sie bemüht. Dort wo sie das zum Beispiel bei den Pflegefachkräften erleben, erzählen sie es mit großer Dankbarkeit. Solche Geschichten höre ich Gott sei Dank sehr oft. Daher: Ein großes Danke an all die engagierten, motivierten Pfleger*innen!“ Ihren Dank richtet sie auch die Verantwortlichen in der Politik: „Ein großes Danke dafür, dass die Seelsorge nun nicht mehr als „Besuch“ gilt, sondern als ein notwendiger Bestandteil der Versorgung der Bewohner*innen gesehen wird.“
Auswirkungen der Pandemie auf Bewohner*innen
Die Auswirkungen der Pandemie sind bei den Bewohner*innen der Heime unterschiedlich bemerkbar. Viele werden an die Kriegs- oder Nachkriegszeit und an die damalige Isolation erinnert.
Wie es den Bewohner*innen geht, ist stark abhängig von der sozialen Struktur, sowie davon, ob das Heim am Land oder in der Stadt ist. Innerhalb der Stadt lassen sich ebenfalls Unterschiede zwischen den Standorten feststellen, wiederum abhängig von der sozialen Struktur und davon, was die Leute im Alltag gewohnt sind. Dazu kommen die Unterschiede wie die jeweilige Heimleitung mit den Regeln und Vorschriften umgeht.
So nimmt Birgit Schopf die Dramatik der Vereinsamung im Seniorenheim im Franckviertel nicht so stark wahr, wie sie es am Land vermutet: „Wir sind ein Heim in einem sozial schwachen Viertel. Hier bekommt mehr als die Hälfte der Bewohner*innen gar keinen Besuch, auch abseits von Corona. Denen geht also der Besuch nicht ab. Dafür aber das Miteinander im Haus, die gemeinsamen Aktivitäten. Also machen wir das alles so lang es irgendwie geht. Zum Beispiel kommt jeden Donnerstag eine Musikerin, die in der Halle unten spielt, die Bewohner*innen können ihr dann von den Stockwerken aus zusehen.“
Winklmayr nimmt dagegen schon die Problematik des minimierten Besuchs wahr: „Für die Bewohner*innen ist das Getrenntsein von den Angehörigen schwierig.“ Mit den Besuchsregelungen kommen auch die Entscheidungen dazu, wer sie besuchen darf und wer nicht. Das bestätigt auch Rosa Astegger: „Es gibt Leute, die sonst auch wenig Besuch bekommen, denen tut es nicht so weh. Aber andere, wo große Familien sind, wo jeden Tag wer kommt, denen tut es schon weh, wenn so wie es jetzt war, gar kein Besuch mehr kommen darf.“
Außerdem bemerkt Astegger, dass die fehlenden Aktivitäten, die Menschen sehr ruhig macht. „Es ist ein wenig so, als ob ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen ist. Sonst bekommen die Bewohner*innen von ihren Besuchen auch etwas von außen mit, von Festen und dergleichen. Das fehlt jetzt, die Anregung für eine Unterhaltung fällt aus.“ Bei manchen nimmt sie sogar Rückschritte wahr, besonders, wenn sie sie länger nicht gesehen hat. Auch psychisch ist es für die Bewohner*innen herausfordernd. „Die Freude am Leben geht ab, das spürt man bei manchen. Andere lassen sich das nicht nehmen, nehmen auch einen Coronatest in Kauf. Aber viele können das nicht mehr, die sind auf andere angewiesen und bei denen sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt.“
Besonders schwierig ist die Situation für jene Bewohner*innen der Heime, in denen es Coronafälle gibt. Meist sind davon dann ganze Stockwerke betroffen. „Bei den Bewohner*innen, die in den Zimmern bleiben müssen, nimmt das Aggressionspotential zu. Das kann man dann auch nicht erklären, die Menschen wollen sich einfach nicht einsperren lassen und das löst Aggressionen aus,“ berichtet Birgit Schopf.
Besondere Herausforderungen bei Menschen mit Demenz
Corona stellt insbesondere Menschen mit Demenz vor große Herausforderungen. „Sie verstehen nicht, warum alle Masken tragen. Das ist sehr herausfordernd. Auch mit den Menschen durch die Maske zu kommunizieren. Gerade bei älteren Menschen ist eine deutliche Sprache sehr wichtig. Gleichzeitig muss man auf Abstand gehen, aber besonders Demenzkranke brauchen Nähe. Das ist eine Gratwanderung,“ erzählt Winklmayr.
Außerdem schmerzt demente Menschen der fehlende Besuch. „Die denken, die haben mich vergessen und die mögen mich nicht mehr. Man erklärt es ihnen natürlich, aber sie vergessen es wieder,“ beschreibt Rosa Astegger.
Zusammenrücken von Pflegepersonal und Seelsorge
Auch das Pflegepersonal steht vor außerordentlichen Herausforderungen. Winklmayr äußert ihre große Hochachtung vor den Pfleger*innen: „Was die leisten ist wirklich, wirklich großartig! Das sag ich ihnen auch immer wieder. Sie arbeiten den ganzen Tag mit dieser Maske und das ist starke, körperliche Arbeit. Dabei sind sie ganz nahe bei den Leuten und müssen gleichzeitig extrem auf die Hygiene achten.“ Das hinterlässt natürlich seine Spuren und zeigt sich in großer Angespanntheit bei den Pflegenden, wie Birgit Schopf feststellt.
Die Seelsorgerinnen sind ebenso für die Angestellten im Haus - nun auch vermehrt - zuständig. Schopf versucht mit kleinen Zeichen den Mitarbeiter*innen das Gefühl zu geben, dass an sie gedacht wird, dass es nicht nur um die Bewohner*innen geht.
Die Seelsorger*innen stehen den Mitarbeiter*innen für Gespräche zur Verfügung. So hat Carmen Rolle erfahren, dass die Lockdown-Situation Pflegende an Kriegserfahrungen erinnert, zum Beispiel jene, die aus dem Raum Kroatien, Bosnien oder Serbien stammen.
Durch die Corona-Situation ist generell eine große Nähe zwischen Seelsorgerinnen und Pflegepersonal entstanden. Birgit Schopf erzählt: „Die Pfleger*innen haben Gottesdienste am Tisch erlebt, weil sie nebenbei das Geschirr ausgeräumt haben. Das ist so, damit muss man umgehen. Gleichzeitig erlebt man aber auch, dass sie dabei zuhören und das macht etwas mit ihnen.“
Herausforderungen des Alltags mit Corona
Die Seelsorgerinnen haben genauso mit den Herausforderungen des Corona-Arbeitsalltags zu kämpfen. Dazu gehören die erschwerten Arbeitsbedingungen, wie das Arbeiten mit der FFP2 Maske. Aber auch die Tatsache, dass sie ja selbst mitbetroffen sind: „Man muss mit der eigenen Angst umgehen lernen. Das ist ganz anders als sonst in der seelsorglichen Arbeit“, erzählt Birgit Schopf, und weiter: „Man muss sich selbst begleiten, denn man ist selbst belastet. Das ist die größte Herausforderung.“ Dabei geht die Angst in beide Richtungen, einerseits will man natürlich nichts in die Heime tragen, andererseits aber auch selbst nicht erkranken. Birgit Schopf: „In derselben Spannung stehen alle Mitarbeiter*innen, viele haben Kinder zuhause und man ist nicht nur durch die Arbeit belastet, sondern auch zuhause. Das ist herausfordernd.“
Astegger erzählt vor allem aus der Situation von Heimen, in denen es zu Corona-Fällen oder Clustern gekommen ist: „Dort wo die Bewohner*innen nicht einmal ihr Zimmer verlassen dürfen, da ist es sehr schwierig. In diesen Heimen ist die Situation sehr angespannt, weil man schauen muss, dass der Betrieb überhaupt erhalten bleiben kann.“
Hoffnung Impfung
„Wir versuchen alle das Beste unter den gegebenen Bedingungen.“ So fasst Winklmayr ihr eigenes Engagement und das ihrer Kolleg*innen zusammen. Gleichzeitig hoffen sie und auch die anderen auf die Impfung, die ab Mitte Jänner angekündigt ist und die auch den Ehrenamtlichen in den Altenheimen, natürlich auf freiwilliger Basis, angeboten werden wird. Winklmayr: „Das ist toll, bringt eine Erleichterung für die Bewohner*innen und ist ein Schritt in die Normalität.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA