Wir genossen höchstmögliche Freiheit – Die Pioniere in den 1970er Jahren
Herr und Frau Mitterlehner warum haben Sie sich damals für den Beruf als Pastoralassistent:innen entschieden?
Herbert Mitterlehner: Ich wurde von klein auf kirchlich sozialisiert, wobei mich meine Mutter besonders geprägt hat. Ab dem 8. Lebensjahr war ich Ministrant in der Stadtpfarre Wels, dann Ministrant:innengruppenleiter und bei der Katholischen Jugend aktiv. Wesentlich war für mich das Vorbild der Kapläne in unserer Pfarre.
Waltraud Mitterlehner: Bei mir war es ähnlich – auch ich wurde von klein auf kirchlich sozialisiert, war auf Pfarre- und Dekanatsebene Jungschar- und Jugendleiterin.
Wir beide haben uns aber unabhängig voneinander für den kirchlichen Beruf entschieden. Wichtig war für uns, einen Beruf zu ergreifen, bei dem wir unsere Überzeugung und die Freude am Glauben weitergeben können. Die kirchliche Sendung haben wir dabei als Bestärkung empfunden.
Was waren die gesamtgesellschaftlichen und kirchlichen Umstände ihres Einstiegs?
Waltraud und Herbert Mitterlehner: Die Zeit war gekennzeichnet durch einen gesellschaftlichen Aufschwung und durch die Aufbruchstimmung nach dem 2. Vatikanischen Konzil.
Welche Aufgaben haben sie in der Pfarre vorrangig übernommen?
Wir waren in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv, so wie im Religionsunterricht tätig. Bis ins Jahr 2000 gehörte der Unterricht ja mit zum Berufsbild. Außerdem haben wir bei besonderen Anlässen erste Wortgottesdienste gefeiert. Wir waren in der Sakramentenvorbereitung, in der Caritas-, Frauen- und Öffentlichkeitsarbeit tätig und übernahmen Aufgaben in der Verwaltung. 1984 übernahmen wir schließlich die Leitung einer priesterlosen Pfarre.
Wie sah es mit der Akzeptanz durch Kleriker und die Pfarrbevölkerung aus?
Von Seiten der Diözesanleitung brachte man uns Vertrauen entgegen und auch die unmittelbaren Vorgesetzten waren sehr positiv zu uns eingestellt, so dass eine gute Zusammenarbeit möglich war. Wir genossen höchstmögliche Freiheiten in unserer Arbeit. Auch wenn es für die Pfarrbevölkerung anfänglich ungewohnt war, bezeichneten uns viele als die Zukunft der Kirche. Aber mache Kleriker fühlten sich durch uns bedroht
Was waren die persönlichen, kirchlichen, pastoralen und gesellschaftlichen Herausforderungen in den ersten Jahren Ihrer Berufstätigkeit?
Als wir 1975 in Laakirchen begonnen haben, haben wir dort einen Kaplan abgelöst und als erstes „pastorales Ehepaar“ begonnen. Es gab natürlich immer wieder Menschen die verunsichert waren und sich gefragt haben, was wir tun können, wenn wir ja keine Beichte hören, keine Messe zelebrieren oder Sakramente spenden dürfen. Wir waren aber persönlich von unserem Sendungsauftrag überzeugt und gingen höchst motiviert an unsere Arbeit. Zudem wurden wir 100%ig vom Pfarrer unterstützt und waren ein gutes Team. Bereits nach kurzer Zeit waren die ersten Erfolge in der Kinder und Jugendarbeit sichtbar, das hat uns zusätzlichen Aufwind gegeben.
Aber natürlich gab es auch Gegenwind konservativer Kräfte, den gibt es bis heute bzw. ist der inzwischen wieder stärker geworden. Diese Menschen und Gruppierungen können es nicht akzeptieren dass Lai:innen auch liturgische Aufgaben übernehmen können.
Inzwischen sind wir nicht mehr als Hauptamtliche, sondern ehrenamtlich tätig. Geblieben sind auf der persönlichen Ebene aber die Spannungsfelder Verantwortung, Verfügbarkeit und Abgrenzung.
Welche kirchlichen Themen haben Sie in den ersten Berufsjahren, besonders hinsichtlich des Selbstverständnisses ihres Berufes, beschäftigt?
Die Öffnung der Kirche, sowie die Zulassungsbedingungen zu den Weihen, aber auch das kirchliche Selbstverständnis als pilgerndes Gottesvolk, wie die Umsetzung der Konzilstexte. Wichtig war uns eine Kirche um der Menschen willen. Das Selbstverständnis unseres Berufes hat sich unserer Wahrnehmung nach immer mehr etabliert.
Was ist das Schöne am Beruf des:der Seelsorger:in?
Auf Grund unserer persönlichen Umstände als Ehepaar und Eltern haben wir es geschafft viele verschiedene Zugänge zu den Menschen zu bekommen, weil die wiederum gespürt haben, dass wir ihre Alltagsprobleme kennen und sich verstanden fühlten. Schön ist auch der Kontakt zu den Menschen, wie auch die Vielfältigkeit der pastoralen Tätigkeit, sowie die Freiheit und Selbstständigkeit. Es ist eine Freude an der Glaubensweitergabe mitwirken zu dürfen.
Insgesamt ist es eine sinnstiftende Tätigkeit und wir würden unseren Weg wieder genauso gehen.
Waltraud Mitterlehner ist 76 Jahre alt und lebt in Hofkirchen an der Trattnach. Sie ist seit ihrer Pensionierung ehrenamtlich als Wortgottesdienstleiterin, Kommunionspenderin und Lektorin tätig.
Herbert Mitterlehner ist 72 Jahre alt und lebt in Hofkirchen an der Trattnach. Er ist seit seiner Pensionierung vielfach ehrenamtlich tätig, begleitet Wortgottes-Leiter*innen, hält Taufen, Trauungen und Begräbnisse sowie andere liturgische Feiern.
Das Interview führte Melanie Wurzer