Als Betriebsseelsorgerin unterwegs
Ich winke einer Verkäuferin in einem kleinen Geschäft, da gerade sehr viel los ist und führe gleich danach ein sehr trauriges Gespräch: der Enkerl einer Frau, die ich heute zufällig auf der Strasse treffe, ist an Leukämie erkrankt. Jede Menge Tabletten, Chancen auf Heilung sehr gering, Ohnmacht und Entsetzen. Einfühlsam zuhören und nachfragen - und ein Versprechen meinerseits eine Kerze in einer Kirche für ihn anzuzünden.
Im nächsten Geschäft stehen die sichtbare und unsichtbare Arbeit im Fokus, da gerade der Staubsauger verräumt wird. Gekoppelt mit dem Equal Pay Day - der uns ja jedes Jahr vor Augen führt, dass Frauen zwei Monate lang "gratis" arbeiten im Vergleich zu den Männern. Ich verabschiede mich mit der Hoffnung, dass es irgendwann besser und gerechter sein wird, wenn wir Frauen aufstehen, zusammenhalten und uns nicht alles gefallen lassen.
Mit mir muss/darf man immer rechnen, da ich mich selten anmelde, sondern oft einfach auftauche. Außer mit Betriebsrät:innen - da vereinbare ich Termine.
An einer Strassenecke lerne ich von einer Frau, die gerade eine Zigarettenpause macht, viel über den Job in einem Bestattungsunternehmen. Wie abwechslungsreich und herausfordernd diese spezielle Zeit ist.
Und zum Abschluss lerne ich Josef vom Maronistandl kennen. Jedes Jahr von Oktober bis Dezember verbringt der Pensionst sieben Tage die Woche hier um qualitative Maroni und selbst gebrannte Nüsse zu verkaufen. Von der Früh bis am Abend steht er in seiner Hütte und der Geruch zieht die Kund:innen an. Ich verspreche ihm, beim nächsten Mal kaufe ich mir ein Packerl.
Voller Eindrücke und reich an Begegnungen mache ich mich wieder auf den Weg zurück in unseren Treffpunkt und wechsle im Bus noch ein paar Worte mit einer freundlichen Sitznachbarin über den Herbst, das Wetter und die bevorstehenden Wahlen in den USA.
(Martha Stollmayer)