"Ich freue mich schon wirklich wieder auf's gemeinsame Ausreiten"
Ich bin Anfang April 27 Jahre alt geworden. Obwohl ich meinen Geburtstag nicht wie geplant mit meinen Freunden feiern konnte, war es trotzdem ein schöner Geburtstag. Meine Freunde haben mir aus der Entfernung gratuliert, wir haben uns über Videochats unterhalten. Ein Hoch auf die neuen Medien! Auch wenn sie von diversen Menschen verteufelt werden (manchmal auch durchaus zurecht), während dieser neuen Ausgangsbeschränkungen sind sie die einzige Möglichkeit mit Familie und Freunden kostengünstig in Kontakt zu bleiben – neben dem guten alten Telefon und der Post. Ich finde es auch gut, dass Neuigkeiten über diese Krise im Stundentakt über Social Media zu verfolgen sind. Leider werden dort auch viele Unwahrheiten verbreitet. Mit der Krise musste die Digitalisierung schneller umgesetzt werden als geplant. Angestellte können nun im Home-Office arbeiten, was vorher vielleicht nicht möglich war. Und viele Unternehmen stellen nun auch auf Online-Shops um. So eine Entwicklung sehe ich persönlich positiv.
Die allgemeine Anspannung in der Gesellschaft ist für mich deutlich zu spüren. Egal ob beim Einkaufen oder in der Arbeit, die Mitmenschen sind unsicher und selbst ich fühle mich beobachtet, wenn ich für meine Eltern und Geschwister einkaufen gehe. In der Arbeit wurden neuen Regelungen eingeführt. Teammeetings gibt es nur noch online. Es wird knapp am Flur gegrüßt und das war‘s auch schon wieder. Ein gemeinsamer Plausch in der kleinen Teeküche ist nicht mehr möglich und auch das Mittagessen passiert sehr distanziert. Da ich im Marketingbereich tätig bin, kenne ich mich zum Glück gut mit Online-Medien und Kommunikation aus. Mitarbeiter aus der Boomer-Generation tun sich da schon etwas schwerer. Wir versuchen uns aber so gut es geht zu unterstützen und helfen uns auch in diesen Themen weiter. Abgesehen davon, habe ich das Gefühl, dass wir wieder näher zueinander gerückt sind (im übertragenen Sinne). Plötzlich konzentrieren sich Mitmenschen wieder auf lokale Geschäfte. Und auch in der Arbeit wird deutlich, dass wir durch Zusammenhalten auf lange Sicht gesehen besser davonkommen.
Beeindruckend finde ich vor allem die Erkenntnis, dass ein ungehinderter Grenzübertritt keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Natürlich werden sich unsere Eltern noch an die Grenzkontrollen erinnern. Für Menschen in meinem Alter oder jünger sind diese temporären Einschränkungen neu. Da muss ich oft an die Berliner Mauer denken und dabei kann ich ein wenig aufatmen: denn unsere Situation ist glücklicherweise nur temporär. Natürlich macht man sich Sorgen über die eigene Zukunft oder ist einfach mal niedergeschlagen, weil die ganzen Pläne für den Sommer zunichtegemacht wurden. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, hilft es mir, draußen eine Runde zu laufen, oder ich mache in meinem Wohnzimmer eine Runde Sport. Dabei kann ich wunderbar abschalten und diese negativen Gedanken ausblenden.
Am meisten vermisse ich meine Stallgemeinschaft und meine Reitschülerinnen. Wir sprechen uns jetzt Besuchszeiten ab, was gut funktioniert. Aber ich freue mich schon wirklich darauf, wenn wir einfach wieder gemeinsam ausreiten können oder nach getaner Arbeit zusammen auf ein Bier sitzen bleiben. Und ich freue mich auf die Kinder, die normalerweise zu mir in die Reitstunden kommen.