"Wir sind keine freiwilligen HeldInnen"
»Am Anfang war es wirklich schwer und sehr herausfordernd, nicht an die Krankheit zu denken«, sagt Šeherzada. »Werde ich selber krank werden? Werde ich die Krankheit mit nach Hause schleppen und meinen Mann und meine Tochter anstecken? Vor allen um meinen Mann sorge ich mich, da er sich vor nicht allzu langer Zeit einer Chemotherapie unterziehen musste. Am Anfang überlegte ich mir, ob es keinen Ausweg gäbe. Schnell wurde mir jedoch klar, den gibt es nicht: ob ich es nun will oder nicht, da muss ich jetzt durch.«
Über die neue Maßnahme der Maskenpflicht ist sie sehr froh. In der Arbeit werden schon länger welche getragen. Es ist zwar sehr heiß darunter, und sie verrutschen immer wieder, aber Šeherzada ist froh, dass ihre Chefin, die sie sehr schätzt, sie rechtzeitig besorgt hat. Dass nun auch die KundInnen welche tragen, erleichtert die Situation. Jetzt geht es ihr besser als am Anfang. Trotzdem nimmt die Anspannung in der Arbeit zu. »Die Arbeit habe ich immer gerne gemacht, aber unter diesen Umständen macht sie weniger Spaß als zuvor. Doch die spürbare und auch kommunizierte Dankbarkeit vieler Kundschaften wirken dem etwas entgegen. Manchmal überkommt einen sogar das berührende Gefühl von Gänsehaut.
Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor Menschen, welche die Situation noch nicht ganz ernst nehmen, sie sogar etwas belächeln und die Maßnahmen übertrieben finden. Hier ist das Personal immer wieder gefordert, darauf zu bestehen, dass die Regeln eingehalten werden müssen.« Das ist natürlich für die Menschen, die tagtäglich ihr Gesundheit für uns riskieren, ärgerlich.
Der Zusammenhalt unter den KollegInnen ist ausgesprochen gut. Šeherzada arbeitet bei der Feinkostabteilung; da zurzeit weniger offene Waren verkauft werden, helfen einige bei der Betreuung der Regale mit.
Šeherzada hat den Krieg in Jugoslawien erlebt und erzählte mir: „Im Krieg hat man zumindest gewusst von wo die Bedrohung bzw. Gefahr ausgeht, hier ist es fast ein bisschen wie bei einem Alptraum, aus dem man hofft, bald zu erwachen.
Trotz – oder vielleicht sogar durch – diese Ausnahmesituation ist es Zuhause oft sehr lustig. Der Gedanke, dass alles wieder vorbeigehen und wieder Normalität einkehren wird, ermutigt Šeherzada. Vor allem freut sie sich darauf, ihre bereits weggezogenen Kinder bald wieder in ihre Arme schließen zu können.
Ein wichtiger Satz noch zum Schluss. Šeherzada erzählte mir, dass eine Kollegin zu ihr sagte: »Wir sind keine freiwilligen HeldInnen!« Ich denke, diesen Aspekt dürfen wir nicht außer Acht lassen, aus diesem Grund verdienen VerkäuferInnen noch mehr unseren aufrichtigen Respekt. Ich hoffe, dass diese Hochachtung auch nach der Krise aufrecht bleibt. Ich für meinen Teil jedenfalls werde auch später nicht müde werden, darauf aufmerksam zu machen, was die VerkäuferInnen für uns alle geleistet haben und leisten!