65. Jahrestagung der GefangenenseelsorgerInnen 2018
Etwa 50 katholische und evangelische SeelsorgerInnen trafen sich in dieser Woche zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch.
Der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer eröffnete am Abend des 25. Juni 2018 die Jahrestagung, die wie schon so oft im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels abgehalten wird.
In seiner Eröffnungsansprache nahm Bischof Scheuer zunächst auf krankmachende Gottesbilder Bezug, wie sie der Theologe Karl Frielingsdorf beschreibt: „Menschen schufen sich und anderen Bilder von Gott als kleinlicher Buchhalter, quälender Leuteschinder, überfordernder Leistungsgott, strenge Überwachungsinstanz, unbarmherziger Richter, willkürlicher Tyrann und Despot, Vernichter des Lebens und Inbegriff des Todes.“ Aufgabe der Theologie und der Seelsorge sei es, „ein vergiftetes Gottesbewusstsein zu läutern und zu reinigen“, so Scheuer. Der Bischof erinnerte an eine Messe im Petersdom, die Papst Franziskus 2016 mit Strafgefangenen und ehemaligen Häftlingen gefeiert hatte. Der Papst habe damals die Sträflinge ermutigt, sich nicht von ihrer Vergangenheit „gefangen nehmen“ zu lassen. Wer aus seinen Fehlern lerne, könne ein neues Kapitel im Leben aufschlagen, so der Papst. Gott liebe sie, egal was sie getan hätten, und könne ihre Erfahrungen in einen „Weg des Wachstums, Glaubens und der Barmherzigkeit“ wandeln, versicherte der Papst damals den Häftlingen.
„Gefangenen die Möglichkeit geben, Züge ihrer Lebens- und Leidensgeschichte anzunehmen“
Inhaftierte seien oft buchstäblich sprachlos über das, was sie getan hätten, und weigerten sich, in den Spiegel zu schauen, so Scheuer. Aufgabe der Seelsorge sei es, den Gefangenen die Möglichkeit zu geben, Züge ihrer Lebens- und Leidensgeschichte anzunehmen und ein Stück innerer Freiheit zu erfahren. Der Bischof wörtlich: „Seelsorge hilft, die Angst vor dem Sich-Zeigen, vor dem Gesehen-Werden mit der eigenen Schuld und Unzulänglichkeit zu reduzieren. Die Seelsorge eröffnet den Menschen im Gefängnis Räume, in denen sie Gott, ihrem Schöpfer und Erlöser, gegenübertreten können. In dieser Beziehung, in der Erfahrung des bleibenden Gewollt- und Geliebt-Seins, wird es ihnen möglich, die Angst zu überwinden, dass sie mit ihrer Schuld jegliche Daseinsberechtigung verloren haben. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen ihre Schuld überhaupt anerkennen können.“ Neben den seelsorglichen Einzelgesprächen würdigte der Bischof auch regelmäßige Angebote von GefangenenseelsorgerInnen wie Gesprächsgruppen, Wort-Gottes-Feiern und Eucharistiefeiern sowie die besondere Gestaltung von geprägten Zeiten wie Advent und Weihnachten, Fastenzeit und Ostern, aber auch Kreativprojekte wie Lesungen oder kulturelle Veranstaltungen.
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Bischof Dr. Manfred Scheuer. © Gudrun Schnaubelt
Begleitung auf dem Weg zu Freiheit in Verantwortung
Der evangelische Superintendent Dr. Gerold Lehner betonte die pastorale Aufgabe in den Gefängnissen, auf dem Weg zu einer Freiheit in Verantwortung zu begleiten. Ziel des christlichen Glaubens sei Erlösung und Befreiung. Beides sei nötig, weil „wir Menschen vielfach verbogen sind und unfrei, verstrickt, gebunden und deformiert – hinter den Mauern und außerhalb“. Es gehe um eine Freiheit, so Lehner, „die nicht auf Kosten anderer geht, die nicht mehr getrieben ist von unerfüllten Wünschen und Begierden, sondern um eine Freiheit, die endlich dazu frei ist zu tun, was sie tun soll: zu lieben, zu dienen, Schönheit und Freude in allem zu entdecken“.
Superintendent Dr. Gerold Lehner. © Gudrun Schnaubelt
Weiterbildung und Nationalkonferenzen
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen GefangenenhausseelsorgerInnen Österreichs, Dr. Christian Kuhn, hob die Bedeutung der Fortbildung von GefangenenseelsorgerInnen und deren Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen der Spiritualität hervor. In diesem Zusammenhang verwies er auf das Tagungsthema „Krankmachende und heilende Gottesbilder“.
Dr. Christian Kuhn. © Gudrun Schnaubelt
Im Rahmen der Tagung hielt am Dienstag – zur Einübung neuer Elemente für eine lebendige Liturgie in den Gefängnissen – Dr. Bernward Konermann, Leiter der Gottesdienstwerkstatt in Deutschland, einen ganztägigen Workshop. Am Mittwoch referierte Pfarrer und Hochschulseelsorger Mag. Helmut Schüller zum Thema „Krankmachende und heilende Gottesbilder“. Am gleichen Tag sprach MMag. Dr. Martin Kitzberger, Leiter des Forensischen Zentrums Asten, über religiöse Betreuung im Maßnahmenvollzug. Am Donnerstag, 28. Juni fanden die jeweiligen Nationalkonferenzen statt. Hier wurden sowohl Fragen zur Ausrichtung der Gefängnispastoral als auch Fragen der Nachbesetzung besprochen. In Österreich sind 8 hauptamtliche SeelsorgerInnen und fast 30 ehrenamtliche MitarbeiterInnen der katholischen Kirche in den Gefängnissen tätig.
Workshop-Tag mit Dr. Bernward Konermann, Leiter der Gottesdienstwerkstatt in Deutschland. © Gudrun Schnaubelt
Gefangenenseelsorge in der Diözese Linz
In der Gefangenenseelsorge der Diözese Linz sind fünf hauptamtliche und mehrere nebenamtliche GefangenenseelsorgerInnen im Auftrag der Kirche in den sechs Justizanstalten Oberösterreichs tätig. Die organisatorische und inhaltliche Unterstützung der GefangenenseelsorgerInnen wird vom Referat für Gefangenenseelsorge im Pastoralamt (Leiterin: Pastoralassistentin Gudrun Schnaubelt) wahrgenommen.
Gefangenenseelsorge ist im Justizbereich den Fachdiensten (sozialer, psychologischer, medizinischer und psychiatrischer Dienst) zugeordnet. Sie ist institutionell unabhängiger als die anderen Fachdienste, was größere Freiräume in der konkreten Seelsorgearbeit im Alltag der Justizanstalt mit sich bringt. Die Leitung und Justizwachebeamtinnen bzw. -beamte sind wesentliche Gesprächs- und KooperationspartnerInnen der Gefangenenseelsorge.
Die Gefangenenseelsorge folgt in ihrer Arbeit dem Beispiel Jesu Christi. In ihm ist die befreiende Liebe Gottes Mensch geworden. Das Handeln der GefangenenseelsorgerInnen im Gefängnis soll ansatzweise diese befreiende Liebe Gottes erfahrbar machen. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Christus auch heute in besonderer Weise den Ausgegrenzten und Stigmatisierten zeigt. Im Mittelpunkt der Arbeit der GefangenenseelsorgerInnen steht der einzelne inhaftierte Mensch, unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit und Weltanschauung des Einzelnen. Es geht um ein menschliches Ernstnehmen dessen, was auch immer gewesen sein mag. Der Mensch verliert nie seine Würde.
Neben der Begleitung von Gefangenen, der Gestaltung von Feiern und verschiedensten Gruppenangeboten versuchen die SeelsorgerInnen, tragfähige Bindungen und Kontakte von Gefangenen nach außen – besonders zu Familienmitgliedern und FreundInnen – zu bewahren bzw. zu stärken. Darüber hinaus versuchen sie, für die Zeit nach der Entlassung gemeinsam mit den Betroffenen und in Kooperation mit sozialen Einrichtungen Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Auch Bewusstseinsbildung in Kirche und Gesellschaft ist den GefangenenseelsorgerInnen ein großes Anliegen.
TeilnehmerInnen der Jahrestagung der GefangenenseelsorgerInnen in Puchberg. © Gudrun Schnaubelt
Neuer Kunstband erschienen: „Danach … Wenn Gefangene sprechen“
Nach Band 1 „gefangen. Wenn Bilder sprechen könnten …“ und Band 2 „Seelenräume. Wenn Bilder sprechen könnten“ hat nun die ARGE Kunst & Seelsorge den dritten Band mit Bildern und Texten von Inhaftierten herausgebracht. „Danach … Wenn Gefangene sprechen“ wurde mit Gefangenen der Justizanstalt Linz und des Forensikzentrums Asten gestaltet. Menschen erzählen darin in Wort und Bild über ihr Leben vor der Haft, über ihr Leben im Vollzug und über ihre Wünsche, Vorstellungen und Ängste in Bezug auf das Leben nach der Gefangenschaft. Anhand eines Fragebogens, der als Leitfaden diente, wurden intensive Gespräche mit Inhaftierten geführt. Einige ausgefüllte Fragebögen sind im Band nachzulesen. Fünf Gespräche wurden von der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Andrea Miesenböck zu bewegenden Prosatexten ausgearbeitet. Das Grußwort hat Bischof Manfred Scheuer verfasst, das Vorwort stammt von Gefangenenseelsorger und Priester Markus Vormayr, der auch Herausgeber ist.
Der Band ist zu beziehen bei:
Mag. Markus Vormayr / Justizanstalt Linz: 0699 1144 9878
Gefangenenpastoral der Diözese Linz, Referentin Gudrun Schnaubelt: 0676 8776 3537 | gefangenenpastoral@dioezese-linz.at
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