Besinnungsnachmittag am 7. März 2020
Wahrnehmungsübungen, Inputs über Personen aus der Bibel, der Austausch in Kleingruppen und ein meditativer Tanz machten den Besinnungsnachmittag mit Mag.a Franziska Mair zu einem Erlebnis, bei dem die Teilnehmer mit allen Sinnen eingebunden waren. Die Eucharistiefeier war der Abschluss des Besinnungsnachmittags.
Wie im letzten Jahr, so hat uns auch heuer Frau Mag.a Franziska Mair als Referentin einen überaus anregenden und spirituell bereichernden Besinnungsnachmittag gehalten. Das Thema, „Vertrauen“ hat für uns blinde Menschen naturgemäß eine besonders große Bedeutung, sind wir doch immer wieder auf die oftmals spontane Hilfe von sehenden Menschen angewiesen, was ein hohes Maß an Vertrauen unsererseits voraussetzt.
Wir begannen mit einer einfachen Übung zur Körperwahrnehmung: Auf Anleitung von Frau Mair wurden wir aufgefordert, beginnend von den Füßen bis hinauf zur Nase alle wichtigen Körperpartien bewusst wahrzunehmen. Das weckte unsere Aufmerksamkeit und förderte die Konzentration auf das, was nun kommen würde. Die Überleitung von der Körperwahrnehmung zu den sakralen Inhalten erfolgte über die Atmung: So wie das Atmen immer weitergeht, auch wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen, so ist Gott immer bei und in uns, ohne dass wir etwas dazutun müssten. Diese Erkenntnis hat die große Mystikerin Teresa von Avila in einem ihrer Bücher wie folgt ausgedrückt:
Vertrauen wird als die Grundlage einer jeden Beziehung eines Menschen zu sich selbst, von Menschen untereinander, aber, und ganz besonders, von einem Menschen zu Gott herausgestellt. Als Beispiele aus dem alten Testament hat uns unsere Referentin drei Personen nahe gebracht:
- Abraham: Dieser ganz wichtige Stammvater nicht nur unserer, sondern auch zweier anderer Weltreligionen führte in Ur in Chaldäa ein einigermaßen gesichertes und vielleicht sogar bequemes Leben, als ihn Gott völlig unvermittelt zu einer Wanderung ins Ungewisse berief: Er solle alles zurücklassen, was er im Laufe seines damals schon langen Lebens aufgebaut hatte, um einen weiten Weg in ein ihm völlig unbekanntes Land zu wagen, das nicht einmal er selbst, sondern allenfalls seine Nachfahren sehen würden, die zu zeugen ihm auf Grund der Unfruchtbarkeit seiner Frau Sara noch dazu nach menschlichem Ermessen gar nicht möglich war. Wirklich viel verlangt von einem Menschen, doch Abraham hat es getan – einzig im Vertrauen darauf, dass Gott seine Verheißungen erfüllen würde.
- Mose: Nachdem er einer Auseinandersetzung mit einem Ägyptischen Aufseher wegen den Hof des Pharaos verlassen musste, lebte er lange Jahre völlig zurückgezogen in der Wüste, bevor ihm Gott im brennenden Dornbusch erschien und ihm befahl, sein Volk aus der Ägyptischen Sklaverei zu führen und mit ihm durch die Wüste in ein Land zu ziehen, das er ebenfalls selbst nicht sehen würde – sein Leben sollte ja kurz vor Erreichung des Zieles enden. Auch hier war ungeheures Vertrauen auf Gott und seine Verheißung nötig, um den Schritt zu wagen.
- Naaman: diese am wenigsten Bekannte, aber nicht minder beeindruckende Geschichte wird im 2. Buch der Könige, Kapitel 5, erzählt: Der Aramäische Feldherr Naaman leidet an Aussatz, eine schreckliche Krankheit, die im Altertum und wohl auch noch später die von ihr befallenen Menschen völlig von der Gesellschaft ausschloss. Ein Mädchen, das Naamans Heer gefangen genommen hatte, empfahl ihm den Israelitischen Propheten Elischa aufzusuchen und ihn zu bitten, bei ihrem Gott, dem Gott Israels, eine Heilung zu erwirken. Naaman reist mit fürstlichen Geschenken zum Propheten; dieser aber nimmt nichts an, sondern lässt dem Naaman ausrichten, er solle sich einfach siebenmal in den Fluten des Jordan waschen. Voller Unverständnis über diese simple und seine Geschenke missachtende Anweisung will Naaman aufgeben, wird aber von einem seiner Diener angehalten, es doch zu versuchen, was er letztlich auch tut und mit sofortiger Heilung belohnt wird. So beeindruckt von dem ihm fremden Gott Israels und so dankbar gegen ihn ob der unerwarteten Heilung ist Naaman, dass er nun seine Diener auffordert, Erde aus Israel in seine Heimat zu holen, auf dass er den Gott, der ihm solches Heil erwiesen hat, auch in seiner Heimat anbeten könne. Ja, er bekennt sogar, dass es keinen anderen Gott gäbe als einzig den Gott Israels.
Hier war es zwar weniger das Vertrauen der Hauptperson Naaman, mehr das niedriger gestellter Menschen in seinem Umfeld, das zum Erfolg führte, doch auch hier war das Vertrauen in Gott der Schlüssel.
Auch diesmal wurden wir vor der Pause aufgefordert, uns in kleinen Gruppen zum Thema Vertrauen auszutauschen und dann noch das Plenum an unseren Einsichten teilhaben zu lassen.
Nach der Pause begann der zweite Teil mit einem Tanz; wir bewegten uns in einer Art Polonaise durch den Saal, wobei wir folgende Zeilen sangen:
„Wechselnde Pfade,
Schatten und Licht.
Alles ist Gnade -
Fürchte dich nicht!“
War es im ersten Teil um Beispiele aus dem alten Testament gegangen, so stand nun im zweiten Teil ein Beispiel aus dem neuen Testament, nämlich die Bibelstelle, die dann auch im Evangelium gelesen wurde, im Mittelpunkt – die berühmte Episode Mt 14,22-33, wo Jesus übers Wasser geht und Petrus versucht, es ihm gleich zu tun.
Die Erzählung schließt unmittelbar an die ebenso berühmte Geschichte von der Speisung der Fünftausend an. Nach dieser gewiss für alle Beteiligten kräftezehrenden Erfahrung braucht Jesus eine Zeit, um sich zurückzuziehen und alleine zu beten, quasi Zwiesprache mit seinem Vater zu halten. Deswegen weist er seine Jünger an, schon mal ein Boot zu besteigen und das andere Ufer des Sees Gennesaret anzusteuern, wohin Jesus ihnen nach einiger Zeit folgen wolle. Jesus ist nun allein mit dem Vater – oft wird in den Evangelien von solchen Zeiten berichtet, wo Jesus im Gebet in Abgeschiedenheit sich die Kraft holt, die er für die vielen Herausforderungen bei der Erfüllung seiner Aufgabe unter den Menschen so dringend braucht. Hier ist es die Ausrichtung auf Gott, auf den Vater, durch die er zu der benötigten Kraft kommt. Währenddessen braut sich bei den Jüngern im Boot am See ein Sturm zusammen, der das Boot ordentlich ins Wanken bringt und unter den Jüngern Angst und Schrecken verbreitet. Diese Angst wird noch größer, als Jesus über das Meer gehend zu ihnen kommt – sie halten ihn für ein Gespenst, er aber ermutigt sie und gibt sich ihnen zu erkennen. Petrus wird sofort von der ungewöhnlichen Art, auf die ihnen Jesus erscheint, fasziniert und bittet ihn, ihm zu befehlen, ebenfalls auf dem Wasser zu gehen. Jesus tut es, und tatsächlich gelingen Petrus ein paar Schritte auf dem keineswegs festen „Untergrund“. Sobald er aber den heftigen Wind spürt, verlässt ihn der Mut – er fürchtet unterzugehen, und schreit nach Jesus, dass dieser ihn retten möge. Sofort tut Jesus dies, tadelt ihn aber ordentlich: Er nennt ihn einen Kleingläubigen und fragt, warum er denn gezweifelt hätte. Im Boot angekommen, legt sich der Wind, und alle huldigen Jesus als dem Sohn Gottes.
Es war das plötzlich aufkommende Vertrauen in Jesus, angefacht durch die Faszination über das von ihm vollbrachte Wunder, das Petrus die Fähigkeit gegeben hat, es ihm eine kurze Zeit lang gleichzutun. Sobald er aber den Wind und den wankenden, nassen Untergrund wahrnimmt, verlässt ihn der Mut, weil er auf seine eigenen Fähigkeiten vertraut; diese reichen, wie wir alle aus unserer Erfahrung wissen, für einen Gang auf dem Wasser nicht aus, besonders nicht bei heftigem Wind. Sobald wir also das Vertrauen auf Gott durch das alleinige Vertrauen auf unsere eigenen Fähigkeiten ersetzen, laufen wir Gefahr, zu scheitern. Wollen wir weiterkommen, im Leben wirklich etwas erreichen, bedürfen wir des Vertrauens auf den, von dem wir kommen, der uns unsere menschlichen Fähigkeiten erst ermöglicht, uns aber durch seine weit mächtigeren Fähigkeiten unterstützt, und zu dem wir wieder gehen werden.
Auch nach diesem Input durch unsere Referentin war wieder Gelegenheit zum Gespräch in kleinen Gruppen und zu kurzem Austausch im Plenum, worauf die Heilige Messe als Schluss- und Höhepunkt des Besinnungsnachmittages begann.
Erst in der Predigt zum Gottesdienst, die diesmal auch von unserer Referentin kam, wurde auf das Thema eingegangen, das als Titel über der Veranstaltung stand: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Vertraut auf Gott und vertraut mir“. Es ist dies ein Satz aus den berühmten und beeindruckenden Abschiedsreden Jesu im Johannes-Evangelium, denen der Evangelist ganze vier Kapitel widmet – Jesus sagt seinen Jüngern hier viele auferbauende Worte, die sie angesichts der gewaltigen Anfechtungen, die durch Passion und Tod ihres Herrn bald auf sie zukommen werden, auch dringendst nötig haben.
Frau Mair berichtet zunächst aus ihrer eigenen Arbeit in der Altenbetreuung, wo sie immer wieder mit alten Menschen zusammenkommt, die am Ende eines oft sehr bewegten Lebens stehen und berichten, dass sie trotz Verfolgung, Verlusten, Krieg und Hunger ihr Vertrauen auf Gott nicht verloren haben. „Gott hat immer auf mich geschaut“, bekennt etwa eine Dame, die durch den Krieg fliehen musste und ihr Hab und Gut, vielleicht sogar liebe Angehörige, verlor. Andere, sehr bewegende Beispiele finden sich in den Lebensgeschichten großer Mystiker/innen und Heiliger. So wurden etwa von der Heiligen Mutter Teresa von Kalkutta posthum Briefe veröffentlicht, die belegen, dass sie Zeit ihres Lebens unter quälenden Zweifeln an sich selbst und an Gott, ja unter großer Gottferne gelitten hat. Das folgende Zitat belegt dies:
…..wofür arbeite ich? Wenn es keinen Gott gibt – kann es keine Seele geben. – Wenn es keine Seele gibt, dann Jesus – bist Du auch nicht wahr. – Der Himmel, welch Leere – kein einziger Gedanke an den Himmel dringt in meinen Geist ein – denn dort ist keine Hoffnung. – Ich fürchte mich, all diese schrecklichen Dinge aufzuschreiben, die meine Seele durchstreifen. –Sie müssen dich verletzen.
In meinem Herzen gibt es keinen Glauben – keine Liebe – kein Vertrauen – dort ist so viel Schmerz – der Schmerz des Verlangens, der Schmerz, nicht gewollt zu sein. – Ich will Gott mit allen Kräften meiner Seele – und trotzdem gibt es zwischen uns – diese furchtbare Trennung.
Ich bete nicht mehr. – Ich spreche die Worte der Gemeinschaftsgebete aus und versuche mein Äußerstes, um aus jedem Wort die Süße herauszuholen, die es spenden müsste. – doch mein Gebet der Vereinigung gibt es nicht mehr. – Ich bete nicht mehr. – Meine Seele ist nicht länger eins mit Dir – und trotzdem – wenn ich alleine auf der Straße bin – dann spreche ich stundenlang mit Dir – über meine Sehnsucht nach Dir. (…) Ich bin bereit, auf Dich in alle Ewigkeit zu warten.
Wir gingen bereichert und gesegnet auseinander und machen uns erneut im Vertrauen auf uns, aufeinander und vor allem auf Gott auf den Weg.