Besinnungsnachmittag am 6. April 2019
Der Besinnungstag im Kultur- und Freizeitzentrum des BSVOÖ zum Thema: „Berührt von Gott und geborgen in seiner liebenden Gegenwart“.
Wenngleich der Nachmittag wie üblich in zwei Vorträge gefolgt von einer Eucharistiefeier gegliedert war, waren die Vorträge alles andere als „Frontalunterricht“, wie man ihn von der Schule her kennt: Unsere Referentin, Frau Mag.a Franziska Mair, lud uns zu einer abwechslungsreich gestalteten Folge von kleinen Impulsreferaten, interaktiven Übungen, die den ganzen Körper anregten und entspannten, und kleinen Gruppenarbeiten – in Grüppchen von zwei bis vier Personen – zu den in den Referaten angesprochenen Themen ein. Sogar ein Kreistanz war dabei.
Wir begannen um 13.15 Uhr mit einer kleinen Übung zur Anregung des Energieflusses im Körper. Diese Übung hat uns alle ordentlich warm gemacht und für das erste Impulsreferat geöffnet – nach ein paar Gedanken über Berührung und Geborgenheit, wo zum einen die große Bedeutung der Geborgenheit für den Menschen im Kleinkindalter, zum anderen die Bedeutung der Berührung in zwischenmenschlichen Beziehungen erörtert wurde und eine klare Ausklammerung der negativen Seite von Berührung in Form von Gewalt zwischen Menschen stattfand, widmete sich unsere Referentin der ersten von zwei Bibelstellen, die wir genauer beleuchteten: Der Heilung der blutflüssigen Frau – MK 5, 21-34: Eingebettet in eine andere bekannte Heilungserzählung, die Heilung der Tochter des Jairus, wird die Geschichte einer Frau erzählt, die in höchst mutiger Weise Heilung durch Jesus von Blutungen, die sie jahrelang gequält haben, erfährt: Als eine durch ihr Leiden unreine und somit von ihrem Volk geächtete und ausgestoßene Frau riskiert sie ihr Leben, will sie sich Jesus nähern, von dem sie sich Heilung erhofft. Sie tut es dennoch, vielleicht mit dem Mut der Verzweiflung, und tatsächlich: Sie schafft es, durch das große Gedränge um Jesus hindurch nahe genug an diesen zu kommen, um den Saum seines Kleides zu berühren, in dem festen Glauben, allein durch diese ganz kleine und wohl auch nur ganz flüchtige Berührung Heilung von Jesus zu erfahren. Dieser wiederum ist so feinfühlig, die unendlich vorsichtige Berührung wahrzunehmen, spürt, dass eine heilende Kraft von ihm dadurch ausgegangen ist, und fragt seine Jünger, wer ihn denn berührt haben könnte. Diese wundern sich nicht wenig, dass Jesus angesichts des großen Gedränges auf diese Frage eine Antwort erwartet, und bleiben ihm diese auch schuldig, doch schon kommt ihnen die augenblicklich geheilte Frau zuvor, welche den Sachverhalt voller Furcht – wohl nicht nur wegen der lebensbedrohlichen Situation, sondern auch durch die plötzliche Heilung ausgelöst aufklärt. Jesu Reaktion ist der bekannte Satz: „Dein Glaube hat dir geholfen, gehe in Frieden“. Man könnte das auch ergänzen: „Nicht ich, Jesus, habe dich geheilt, sondern dein Glaube war es, der dich gesund gemacht hat.“
Nach dieser interpretierenden Erzählung der Bibelstelle wurden wir eingeladen, in den zuvor erwähnten Kleingruppen uns darüber auszutauschen, welche Erfahrungen wir mit Berührungen durch Menschen oder gar durch Gott gemacht haben. Hernach war Gelegenheit, einzelne dieser in den Gruppen ausgetauschten Erfahrungen auch im Plenum mit allen zu teilen – und schon war die erste Pause.
Nach dieser ging es weiter mit dem zweiten Teil, eröffnet durch einen sehr angenehmen und entspannten Kreistanz. Die zweite Bibelstelle, mit der wir uns näher befassten, war die bekannte Erzählung vom Zollpächter Zachäus (Lukas 19, 1-10). Ging es in der ersten Bibelstelle um eine Berührung im wörtlichen, körperlichen Sinn, so ist die Berührung, welche Zachäus durch Jesus erfahren hat, von spiritueller Art: Zachäus arbeitet als Zollpächter, ein Beruf, der zur Zeit Christi in dem von den Römern besetzten Israel von den Einheimischen verachtet wurde – warn die Zöllner doch aus der Sicht der Juden Kollaborateure der Besatzungsmacht, welche den Juden wohl oftmals mehr Geld abnahmen, als die Römer forderten, wodurch sich der Reichtum vieler Zöllner erklären ließ. Zu der Ächtung durch sein eigenes Volk, die den Zachäus quälte, hatte er noch ein anderes Handicap – er war klein gewachsen, und es ist leicht möglich, dass er diesen Nachteil durch seine gesellschaftliche Position als reicher Mann ausgleichen wollte. Jedenfalls machte ihn die Nachricht von Jesu Ankunft neugierig, er musste aber, klein, wie er war, auf einen Baum steigen, um den berühmten Wanderprediger sehen zu können. Dieser jedoch bemerkt ihn sofort, und, anstatt ihm eine Standpauke zu halten, sagt er sich bei ihm zu Hause an, um mit ihm zu speisen. Damit konnte weder er als Ausgestoßener gerechnet haben, noch konnten es die Umstehenden billigen, in deren Köpfen ein Rabbi, der bei einem Sünder zu Gast sein möchte, völlig undenkbar ist. Zachäus wird durch die völlig unerwartete Reaktion dermaßen gewaltig berührt, dass er sofort eine radikale Änderung seines Lebens beschließt, indem er zusichert, die Hälfte seines Vermögens den Armen zu geben und all die Menschen, die er um ihren Besitz betrogen hat, zu entschädigen, ja, ihnen das Vierfache des genommenen Geldes zurückzugeben. Jesus seinerseits honoriert diesen Entschluss mit der Aussage: „Heute ist diesem Hause Heil geschehen." – wohl gemerkt – Nicht nur diesem einen Menschen Zachäus, sondern seiner ganzen Hausgemeinschaft – Familie und vielleicht sogar Sklavinnen und Sklaven.
Zachäus wird somit von Jesus in dreifacher Weise berührt, indem seine Beziehung zu sich selbst, aber auch die zu seinen Mitmenschen und sogar die zu Gott von Grund auf erneuert wird: Seine Beziehung zu sich selbst erfährt dadurch Erneuerung, dass er aufhört, um sich selbst zu kreisen und den ungerecht erworbenen Reichtum als Befriedigung seiner Bedürfnisse zu missbrauchen. Neu wird seine Beziehung zu den Mitmenschen, indem er lernt, mit ihnen zu teilen, und schließlich erwächst für ihn eine neue und lebendige Beziehung zu Gott, indem er sein Heil – Heilung durch ihn von seiner inneren Erstarrung – und seine völlige Vergebung erfährt.
Wie schon bei der ersten Bibelstelle, so wurden wir auch hier aufgefordert, uns in kleinen Gruppen auszutauschen und im besonderen auch zu überlegen, wo wir Unterschiede zwischen den beiden Stellen sehen und welche der beiden uns mehr angesprochen hat.
Nach kurzer Pause waren wir beim letzten Teil, der Eucharistiefeier, angelangt. Zelebriert wurde sie in bewährter Weise von unserem Seelsorger Herrn Franz Lindorfer, jedoch übernahm die Predigt wieder unsere Referentin Frau Mag.a Mair, indem sie die Gedanken zu den beiden Bibelstellen durch Hinweise auf die Bedeutung der Empathie – Einfühlung in andere Menschen – für ein gelungenes christliches Leben noch weiter vertiefte. Rech gesegnet gingen wir auseinander und blicken auf einen Besinnungsnachmittag zurück, der uns im wahrsten Sinne des Wortes berührt hat.