kunstzeit 35: Frank Louis
Die Installation Katharsis von Frank Louis ist im Rahmen der kunstzeit 35 im Raum der Stille an der Katholischen Hochschulgemeinde erstmals in Österreich zu sehen.
Die dreiteilige skulpturale Installation geht einen spannungsvollen Dialog mit Material und Symbolsprache des Raumes ein. Frank Louis spielt in der Arbeit mit klassischen Präsentations- und Inszenierungsformen und schafft bereits im Titel Reminiszenzen zu Motiven der Kultur- und Kunstgeschichte.
Katharsis besteht aus drei Sockeln mit Gefäßen, die an unterschiedlichen Stellen im Raum verteilt sind. Sie stehen vor der grauen Betonwand. Die Höhe der Podeste ist auf das Gegenüber, die Betrachterinnen, ausgerichtet. Die Gefäße sind Prototypen eines Aufbewahrungsgefäßes. Sie erinnern an Kanopen: Krüge oder Vasen aus Stein oder Ton, in denen im alten Ägypten bei Mumifizierungen die Eingeweide separat vom Leichnam beigesetzt wurden. Oftmals trugen diese Gefäße auch eine Beschriftung.
Die Gefäße von Frank Louis sind funktionale Objekte aus Steinzeugton mit glasierter, glatter weißer Oberfläche. Auf jedem der Gefäße steht in schwarzer Schrift ein Begriff, der eine Eigenschaft beschreibt: Maßlosigkeit, Trägheit, Stolz, Neid, Mitgefühl, Langsamkeit, Eifersucht.
Die „Katharsis“ – von diesen Eigenschaften abgeleitet, erfolgt in der Arbeit von Frank Louis eine mögliche Handlung der Betrachterin/des Betrachters: Der Stein wird auf das Gefäß geworfen, es zerbricht. Mit der Zerstörung des Gefäßes ist auch die Schrift zerstört und die Reinigung als Befreiung erfolgt. Bei Neid, Maßlosigkeit oder Eifersucht vielleicht noch vorstellbar… aber hat nicht jede der Eigenschaften zwei Seiten… ist die Zerstörung eine Befreiung oder nur eine oberflächliche Eliminierung?
Der Raum der Stille ist ein Raum, der eine besondere Form der Aufenthaltsqualität und Verweildauer hat. Ein Raum, der zum Reflektieren über die Begriffe und Eigenschaften auf den Gefäßen einlädt.
Ausgehend von der Gebrauchskeramik und den Kanopen als historischen Gefäßen mit ihrer speziellen Funktion schaffen die verwendeten Begriffe Assoziationen an Tugenden und Laster der christlichen Morallehre, die Künstler seit Jahrhunderten in allegorischen und symbolischen Darstellungen aufgegriffen haben und damit auch eine belehrende und moralisierende Funktion übernahmen.
Frank Louis gelingt es in Katharsis Andeutungen zu schaffen, Bezüge herzustellen und dennoch die Deutung bei den Betrachter:innen zu lassen. Werk und Raum gehen auf diese Weise einen wunderbaren Dialog ein.
Martina Gelsinger
Kunsthistorikerin, Fachbereich Kunst und Kultur, Diözese Linz
Frank Louis lebt und arbeitet in Linz und Biassa (I).
1966 in Hannover (D) geboren, studierte er an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld (D). Im Anschluss daran setzte er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (D) fort. Seit 2006 ist er Professor an der Kunstuniversität Linz und leitet die Studienrichtung Plastische Konzeptionen/Keramik.
Frank Louis erhielt Auszeichnungen mit zahlreichen internationalen Preisen im Kontext von Skulptur, Keramik und Installation, u.a. Keramikpreis des Landes Salzburg 2015, Preis für Skulptur und Installation bei der XIXème Biennale Internationale de céramique contemporaine, Vallauris 2006 (F).
Raum der Stille an der Universität – „kunstzeit“
Der interreligiöse Raum der Stille wurde 1968 im Gebäudekomplex des Studentenheimes der Katholischen Hochschulgemeinde als Hauskapelle von Architekt Gottfried Nobl errichtet. Im Zuge eines Wettbewerbes erfolgte in den Jahren 2001/2002 eine Neugestaltung durch Andrea Barth, Andrea Krenn und Peter Kulev, einem Team von Studierenden der Linzer Kunstuniversität, sowie die Umbenennung in einen interreligiösen Raum. Das künstlerische Konzept besticht durch weitgehende Integration der ursprünglichen Bausubstanz ebenso wie durch radikale Klarheit und Konsequenz in materieller sowie formaler Hinsicht. Der Raum bietet Freiraum für vielfältige Formen religiöser Nutzung sowie für temporäre künstlerische Gestaltungen. Mit der Reihe "kunstzeit" wird der Raum in Kooperation mit dem Kunstreferat/Diözesankonservatorat der Diözese Linz einmal pro Semester temporär bespielt. Zu den 31 KünstlerInnen der Reihe zählen unter anderen Josef Bauer, Dorothee Golz, Inga Hehn, Karla Wöss, Alfred Haberpointner, Gerhard Knogler/Ulrike Neumaier, Judith P. Fischer, Josef Linschinger und Sepp Auer.
Frank Louis
Katharsis
Dreiteilige Installation im Raum der Stille
Steinzeugton, Glasur, Stein
2017