kunstzeit 33: Peter Holzapfel
Verkündigung, Auferstehung, Kreuzigung, Geburt
Die vier Bilder an der Stirnwand des interreligiösen Raumes der Stille an der Universität von Peter Holzapfel zeigen bekannte Motive der christlichen Ikonografie. Die Darstellungen beziehen sich auf die Texte im Neuen Testament zu Verkündigung, Geburt, Kreuzigung und Auferstehung. Die zentrale Wand der 1968 errichteten ehemaligen Kapelle im Gebäude der Katholischen Hochschulgemeinde Linz, die vor 20 Jahren zu einem interreligiösen Raum umgestaltet wurde, wird zur Bildtafel.
Auferstehung und Kreuzigung sind durch den Lichtschlitz getrennt, der als Durchsicht Innen- und Außenraum verbindet und als Weiterführung des Lehmstreifens am Boden zusammen mit der Architektur ein Kreuz bildet.
Während Peter Holzapfel Verkündigung, Auferstehung und Geburt mit Acrylfarbe auf Leinwand malt und den Bildern durch die Inszenierung von Licht und Schatten eine dramatische Wirkung verleiht, führt er die Kreuzigung als Rötelzeichnung aus. Rötel (Rote Erde) wurde seit der Renaissance für Zeichnungen, vor allem für Skizzen und Entwürfe von Portraits und Aktzeichnungen, verwendet.
Auferstehung und Kreuzigung stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander.
Der auferstandene Christus strahlt aus der dunklen, fast unheimlich wirkenden und von Nadelbäumen gerahmten Landschaft, hervor. Seine Erscheinung wird durch den glühend roten Himmel im oberen Drittel gesteigert. Die liegende Figur im unteren Bildfeld – ein Schlafender, der das Gesicht mit seinem Hut bedeckt – tritt ebenso als helle Bildfläche aus dem Bild heraus. Der Künstler hat in seiner Komposition die im Vergleich zum Auferstandenen groß dimensionierte liegende Männerfigur so angelegt, dass sie von rechts unten den Betrachtenden ins Bild führt.
Daneben entfaltet die Kreuzigung als Rötelzeichnung auf eine ganz andere Weise ihre Wirkung. Der Gekreuzigte und die nackte kniende Frau zu seinen Füßen treten mit ihren Körpern aus dem weißen Bildraum hervor. Auch bei dieser Szene führt eine Figur, jene der knienden Frau im angedeuteten Halbprofil und Rückenakt, den Betrachtenden ins Bild. In Kreuzigung und Auferstehung greift Peter Holzapfel auf unterschiedliche Weise auf die Bildinszenierung in der Geschichte der Malerei und Zeichnung zurück und verleiht der dargestellten Szene ihre spezielle Präsenz.
Die kleinformatigen Bilder vor der Sichtbetonwand stellen als „Verkündigung“ und „Geburt“ jeweils Szenen aus dem Marienleben dar.
Als kompakte in Kleidung gehüllte Figuren wirken beide Darstellungen durch die Dramatik des Bildraumes, den Peter Holzapfel durch Farbe und Hell- Dunkelkontraste erzeugt. Das leuchtende Rot und Gelb des Himmels, mit dem der Erzengel Gabriel nahezu verschmilzt erscheint als Bewegung und Sog.
Im Gegensatz dazu wirkt der Umraum und Hintergrund der Marienfigur mit dem Jesuskind im Arm bei der Geburt als dunkle schützende Höhle.
Peter Holzapfel schöpft aus der Fülle der Motive der Geschichte der Malerei. Die Bibel ist dabei eine unerschöpfliche Quelle für Bildgestaltungen. Anhand der vertrauten Motive lotet er das Zusammenspiel und die Wirkung von Farbe, Form, Figur, Raum und Fläche aus. Einzelne Aspekte, wie Komposition, Figuren und Lichtstimmungen erinnern an bedeutende Maler des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Bei allen vier Bildern spielt die Interaktion, der Bezug der Figuren zueinander, eine zentrale Rolle. Die Wirkung der vier Bilder in ihrer Gesamtheit geht auch von dem Spannungsfeld aus, das durch die unterschiedliche malerische und zeichnerische Behandlung der Motive und die Unterschiedlichkeit der Formate und Dimensionen entsteht. Die Dramatik und atmosphärische Wirkung, die der Einsatz von Farbe in der Verkündigung und Geburt in kleinen Formaten erzeugt, steigert sich in der Auferstehung. Die Kreuzigung bildet einen Gegenpol dazu und steht mit der Nacktheit der beiden Figuren, der speziellen Farbigkeit der Rötelkreide mit denen der Künstler die Figuren auf den weißen Hintergrund zeichnet für Reduktion und Ausgesetztheit.
Peter Holzapfel wurde 1992 in Schärding geboren.
Nach der Matura am dortigen Gymnasium studierte er bei zwei großen Oberösterreichern, die die Geschichte der Malerei in Österreich und weit darüber hinaus geprägt haben: Bei dem 2016 verstorbenen Gunter Damisch an der Akademie für bildende Kunst in Wien und bei Siegfried Anzinger an der Kunstakademie in Düsseldorf. Beide gelten als Vertreter der „Neuen Wilden“, einer Gruppe von Malern, die in den 1980er Jahren einen neuen Stil begründeten.
Die Bilder bei Peter Holzapfel entstehen aus dem Einsatz der Farbe. Das Spannungfeld von Dunkelheit und Helligkeit charakterisiert seine Gemälde, die aus sich heraus leuchten. Die Dramatik steigert sich in der Auferstehung. Das glühende Rot des Himmels, das Strahlen des Auferstandenen, erhält hier einen Gegenpol durch das satte leuchtende Grün der Nadelbäume. Peter Holzapfel ist in St. Roman im Sauwald aufgewachsen. Neben der Begegnung mit den „Alten Meistern“ in der Alten Pinakothek in München und dem Kunsthistorischen Museum in Wien ist seine Malerei auch vom Studium der Natur geprägt. Vor diesem Hintergrund könnte die Auferstehung mit den mächtigen Tannen auch im Sauwald angesiedelt sein.
Die vier Bilder im Raum der Stille sind mehr als bekannte biblische Szenen und vordergründig vertraute Motive. In dem Raum – mitten im studentischen Leben – erzeugen sie beim konzentrierten Betrachten eine Atmosphäre, die aus dem Alltag herausführt und über ihre malerische Wirkung auch eine große haptische Erfahrung ermöglicht. Es ist eine Stimmung, die über das erzählerische Moment hinausgeht und im Eintauchen in die Farbe und die Figuren Konzentration und Stille erzeugt und den Betrachtenden in den Kreislauf der Geschichte einbettet.
Raum der Stille an der Universität – „kunstzeit“
Der interreligiöse Raum der Stille wurde 1968 im Gebäudekomplex des Studentenheimes der Katholischen Hochschulgemeinde als Hauskapelle von Architekt Gottfried Nobl errichtet. Im Zuge eines Wettbewerbes erfolgte in den Jahren 2001/2002 eine Neugestaltung durch Andrea Barth, Andrea Krenn und Peter Kulev, einem Team von Studierenden der Linzer Kunstuniversität, sowie die Umbenennung in einen interreligiösen Raum. Das künstlerische Konzept besticht durch weitgehende Integration der ursprünglichen Bausubstanz ebenso wie durch radikale Klarheit und Konsequenz in materieller sowie formaler Hinsicht. Der Raum bietet Freiraum für vielfältige Formen religiöser Nutzung sowie für temporäre künstlerische Gestaltungen. Mit der Reihe "kunstzeit" wird der Raum in Kooperation mit dem Kunstreferat/Diözesankonservatorat der Diözese Linz einmal pro Semester temporär bespielt. Zu den 31 KünstlerInnen der Reihe zählen unter anderen Josef Bauer, Dorothee Golz, Inga Hehn, Karla Wöss, Alfred Haberpointner, Gerhard Knogler/Ulrike Neumaier, Judith P. Fischer, Josef Linschinger und Sepp Auer.
Dr.in Martina Gelsinger
Referentin Kunstreferat / Diözesankonservatorat Diözese Linz