Zärtlichkeit – Die Revolution einer sanften Macht
Magdalena Lorenz, Vorsitzende der Katholischen Jugend OÖ hatte die Idee, Prof. Guanzini für einen Impuls mit anschließender Diskussion in der KA-Plattform zu gewinnen. Der Einladung zur öffentlichen Veranstaltung waren über 40 Personen ins Linzer Priesterseminar gefolgt.
Univ. Prof.in Isabella Guanzini hat in Mailand Theologie und Philosophie studiert und ist seit 2019 Professorin für Fundamentaltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz. In ihrem Impuls „Zärtlichkeit – Die Revolution einer sanften Macht“ strich sie die Bedeutung der Zärtlichkeit als revolutionäre Kraft zur Veränderung der Gesellschaft hervor. Abseits einer missverstandenen Seite der Zärtlichkeit als Verweichlichung der Seele oder Betäubung des Geistes postuliert Prof. Guanzini eine neue Zärtlichkeit als Protest gegen die um sich greifende Härte und Kälte in unserer Gesellschaft.
Am Anfang war die Zärtlichkeit. „Wenn man den Mut hat, ohne Zynismus zu bedenken, dass uns eine Geste der Zärtlichkeit auf die Welt gebracht und eine Geste der Zärtlichkeit uns am Leben erhalten hat, könnte man folgern, dass nur dank zärtlicher Gesten das eigentliche Potential des menschlichen Lebens freigesetzt werden kann“, so Guanzini in ihrem Impuls.
Im anschließenden lebhaften Gespräch kamen verschiedene Reformanliegen in der Katholischen Kirche und eine große Sehnsucht nach einer mitfühlenderen und zärtlicheren Kirche zum Ausdruck. Eine der interessierten Zuhörer:innen an diesem Abend, Frau Mag.a Franziska Mair, Seelsorgerin in der Caritas OÖ, bringt das Gehörte für sich so auf den Punkt: „Für mich ist Zärtlichkeit eine innere Haltung, in die sich jede/r einüben kann. Sie drückt sich in der Beziehung zu Menschen aus. Ich sehe sie täglich durch unsere Caritasmitarbeiter:innen und Freiwilligen verwirklicht: In der Pflege, in der Begleitung von körperlich und geistig beeinträchtigten Menschen, in der Hospizarbeit, in der Begleitung von Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen. Gerade angesichts von Leid und Krankheit geht es darum, da zu sein, zuzuhören und mit den Betroffenen die eigene Ohnmacht auszuhalten. Darin drückt sich Zärtlichkeit aus. Das Sakrament der Krankensalbung ist für mich ein Ausdruck von Zärtlichkeit, oder auch andere zu segnen, ihnen wenn gewünscht, die Hände aufzulegen und ihnen Gutes zuzusprechen (benedicere).“
Auch Papst Franziskus spricht in seinen Veröffentlichungen immer wieder von einer Zärtlichkeit des Evangeliums: "Der Sohn Gottes hat uns in seiner Inkarnation zur Revolution der zärtlichen Liebe eingeladen" (EG 88). Als Herausforderungen für die Kirche unserer Zeit benennt Prof.in Guanzini, dass es unter anderem darauf ankommen wird, ob es der Kirche gelingt, Aspekte des modernen Menschseins wie Autonomie, Pluralität, Lebensqualität, Gleichberechtigung und Solidarität mit Mensch und Schöpfung aufzuwerten. Die Zärtlichkeit, verstanden auch als Wahrnehmungsschule und bewusste Anerkennung der Endlichkeit und Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens, passt nicht zum Zeitgeist der modernen Leistungsgesellschaften, und stellt genau darin eine geistige Haltung, politische Kategorie und positive Ressource zur Gestaltung menschlicher Beziehungen in Kirche und Gesellschaft dar.
Die KA-Plattform wird im Rahmen ihres Generalthemas „Macht und Verantwortung“ die begonnenen Aktivitäten zum Klimaschutz weiterführen und auf den Bereich der aktiven Mitgestaltung unserer liberalen Demokratie ausweiten.