„Miteinander mutig sein ist leichter“
SK: Sissi Kaiser, Univ.-Ass. Mag.a phil., Selbständig als Medien- und Bildpädagogin, Filmemacherin, Multimediale Kunsttherapeutin, Medien- und Marktingfossil:-), (Gründungs-)Mitglied des Medienkollektivs Traum & Wahnsinn, Gründerin u.a. von „FAME * Filmen als Methode“, „FILME zum WEITERDENKEN“. Lehrveranstaltung „Offenes Filmlabor“ am Inst. für Kunst und Bildung an der Kunstuniversität Linz.
Kem: Kienast Eva-Maria, Haus der Frau
Von Parallelwelten und Geschlechtergerechtigkeit
Kem: Welche Veränderungen nimmst du wahr in Bezug auf die Rolle der Frau in den Medien in den letzten Jahren?
SK: Ich glaube, dass es ganz lange Parallelwelten gegeben hat. Zwischen dem, wer hat was machen können, welche Medien sind zur Verfügung gestanden und wie ist es mit der Pressefreiheit gestanden. Das zeigt ganz schnell, dass Frauen in den Medien ganz lange überhaupt keine Rolle gehabt haben. Vereinzelt waren Frauen aktiv, die breite gesellschaftliche Relevanz war aber nicht gegeben. Erst mit der Digitalisierung steht es mehr Frauen frei, sich zu inszenieren und ihre Meinungen kundzutun. Und hier sehe ich enormes Potential. Bei der Rolle der Frau in den Medien muss man meiner Meinung nach differenzieren. Geht es um die Frau, die in einem Medienbetrieb arbeitet und hier ihre Meinung äußert, geht es um die Frau, wie sie in den Medien klischeehaft gezeigt wird oder geht es um die Frau, die sich jetzt selbst inszenieren kann. Mittlerweile sind etwas mehr Frauen in Medienhäusern tätig sind. Doch je größer der Betrieb, umso mehr Männer sind beschäftigt. Es ist noch immer so, dass Frauen in den eher „weichen“ Themenressorts wie Beauty, Livestyle und Gesundheit tätig sind. Männern bleiben die Themen Wirtschaft, Politik und Finanzen. Und es macht einfach einen Unterschied, ob eine Frau eine Aussage tätigt oder ein Mann, weil andere Botschaften, Werte und Sichtweisen vermittelt werden. Und die Aufgabe der Medien ist es meiner Meinung nach, die Gesellschaft abzubilden, zu analysieren und damit zu arbeiten.
Kem: Ab wann waren Frauen in der Medienbranche relevant?
SK: Es gab immer wieder „Ausreißerinnen“ wie z.B. in den 70er Jahren. Aber auch heute ist das ist für mich alles immer noch im Entstehen. Wir sind so weit weg von einer Gleichheit in den Medienberufen. Gerade in den Massenmedien wird der weibliche Aspekt nicht einmal ansatzweise abgebildet.
Kem: Das heißt, die berufliche Situation von Frauen in der Medienbranche ist ein Abbild zu vielen anderen Berufsgruppen?
SK: Ja schon, wobei die Studienraten in dem Fall sehr interessant sind. Medien- und Kommunikationswissenschaften als Studienfach wird sehr häufig von Frauen gewählt. In den Bereichen Marketing- und Medien sind viele Frauen in Betrieben tätig. Und zwar so lange, bis sie an die gläserne Decke stoßen. In den Medienhäusern sind überwiegend Männer in den Führungspositionen tätig.
Von Frauenbildern und Generationen
Kem: Der zweite Bereich betrifft wie Frauen in den Medien präsentiert werden. Was nimmst du hier wahr?
SK: Diesen Bereich nehme ich als Katastrophe war. Ich habe den Eindruck, es geht wieder zurück in ein Frauenbild aus den 50er Jahren. Frauen werden zwar nicht mehr nur im familiären Kontext gezeigt, sondern auch im beruflichen Umfeld. Aber in Bezug auf Haushalt wird immer die perfekte Familie oder die Frau alleine gezeigt und das ist realitätsfern. Im Kinderfernsehen ist es besonders extrem. ¾ der im Kinderfernsehen präsentierten Frauen haben mit einem echten Frauenkörper nichts gemeinsam, die gezeigten Körper sind total überzeichnet. Und nur ein verschwindend kleiner Teil sieht so aus, wie Mädchen und Frauen aussehen können. Hier sehe ich die Verantwortung der Eltern, kritisch hinzusehen und die Mädchen zu begleiten. Den Mädchen und Frauen wird ein Bild präsentiert, dass sie nie erreichen können. Junge Mädchen und junge Frauen werden von diesen Darstellungen stark geprägt!
Kem: Ich denke, hier gibt es auch einen Generationenunterschied, welches Bild von Frauen in den Medien transportiert wird. Ich kaufte mir mein erstes Smartphone vor rund 20 Jahren. Die heutige Generation wächst mit dem Handy als Gebrauchsgegenstand, als Alltagsgegenstand auf und ohne dem geht es anscheinend nicht mehr. Sind die heutigen jungen Mädchen nicht mehr gefährdet, in dieses Thema reinzurutschen?
SK: Jein, es gibt eine neue Elterngeneration, die bereits damit aufgewachsen ist. Wenn man auf einem Spielplatz beobachtet, wie Eltern mit den Kindern agieren, wird man feststellen, dass viele Eltern mit ihren Handys beschäftigt am Rand des Spielplatzes sitzen. Kommen die Kinder zu ihren Eltern, bemerken sie, dass jetzt etwas anderes wichtiger ist als sie – nämlich das Handy. Und wir wissen bereits aus Studien, dass acht Monate alte Kinder von Heavy-User-Eltern bereits verinnerlicht haben, dass das Handy wichtiger ist, als sie selbst. Zum Teil bauen sie ein Konkurrenzverhalten dazu auf und als Erfahrung wird abgespeichert: Das muss ich auch haben, weil es so wichtig ist – viel wichtiger als ich.
Kem: Das lässt sich tatsächlich schon bei so jungen Kindern feststellen?
SK: Ja, das bekommen sie auch mit, wenn man in das Auto steigt und das Navi eingeschaltet wird. In dem Moment wird den Kindern vermittelt, dass sie jetzt ruhig sein müssen. Wenn diese Stimme spricht, ist das wichtig und ich bin zweite Wahl. Und das ist die Realität.
Kem: Von meinem Sohn bekomme ich mit, wie wichtig es ist, online und erreichbar zu sein. Mein Eindruck ist, dass es für Burschen aber noch etwas leichter ist, sich von den in den Medien transportierten Bildern zu distanzieren, als Mädchen. Wie siehst du das?
SK: Hier sind wir bei der Rolle der Medien. Das sozialisierte Geschlecht wird den Kindern über die transportieren Bilder und Inhalte vermittelt. Bei Burschen kann man mittlerweile auch einen Schwenk in Blick auf den Einfluss der Optik feststellen. Auch hier wird jetzt verstärkt der Blick auf Sixpack und trainierte Körper gelenkt.
Von Distanz und Präsenz
Kem: Was kann man Jugendlichen und gerade Mädchen mitgeben, dass sie eine gesunde Distanz zu diesen transportierten Bildern einnehmen können? Wo siehst du hier Chancen und Möglichkeiten?
SK: Nicht erst, wenn sie 11 oder 12 Jahre alt sind, sondern viel früher. Die Hauptaufgabe sehe ich hier beim Elternhaus. Hier liegt die Verantwortung bei den Eltern, die Kinder zu begleiten. Und mit den Kindern gemeinsam recherchiert und prüft, welche Spiele oder Apps sie auf den Handys haben. Viele Kinder haben Apps oder Spiele, die für ihr Alter absolut nicht geeignet sind. Eltern müssen in einem guten Dialog mit den Kindern bleiben und versuchen, herauszufinden, worum es eigentlich geht. Meistens geht es nicht um das eine konkrete Spiel – die Kinder wollen dazugehören. Hier liegt die Chance, dass Kinder medienkompetent aufwachsen und das muss schon früh beginnen.
Kem: Aber liegt nicht hier gerade die Schwierigkeit, dass die neue Elterngeneration selbst auf das Handy fixiert ist? Das bedeute für mich aus pädagogischer Sicht ja, dass die Eltern weniger in der Lage sind, Kontakt mit dem eigenen Kind aufzubauen, zu halten und zu entscheiden, was im Moment wichtiger ist. Da stelle ich mir die Frage, wie sollen diese Eltern ihren Kindern Medienkompetenz vermitteln?
SK: Eltern, die im Dialog mit ihren Kindern stehen, werden diese Medienkompetenz vermitteln. Eltern, die selbst nicht differenzieren können, werden es auch nicht vermitteln können. Hier liegt die Schwierigkeit. Medienkompetenz wird jetzt auch vermehrt über Schulen transportiert. Gerade hier kann man viel bewirken. Ich bekomme mit, dass häufig nach Workshops für die Kinder die Eltern einen Elternabend zu diesem Thema fordern. Meist ist das Thema den Eltern selber fremd oder sie haben sich noch nie damit beschäftigt. Bei den Elternabenden sind sie sehr interessiert gerade mit Blick auf Sicherheitseinstellungen.
Kem: Was hältst du von den teilweise unrealistischen Frauenbildern, die über die Medien transportiert werden? Ich habe den Eindruck gewonnen, dass vermittelt wird: „Ich werde geliebt, wenn ich schön bin“.
SK: Hier gibt es tatsächlich einige Gründe, warum das so ist. Es gibt einen großen Unterschied was Infuencerinnen und Influencer von sich preisgeben. Die männlichen Youtuber kümmern sich um die Verbreitung der eigenen Meinung und von Inhalten. Die weiblichen Youtuberinnen sind zuständig für die weichen Themen wie Body oder Livestyle. Einer der Gründe dafür ist, dass Mädchen Angst haben, nicht geliebt zu werden. Insbesondere haben sie Angst vor Hass-Postings auf Youtube. Gerade dieses Hass-Postings nehmen eine grausige Dimension an, mit denen viele nicht umgehen können und sich dem auch nicht aussetzen wollen. Ein weiterer großer Unterschied liegt darin, wo diese Videos aufgenommen werden. Die von Burschen sind meistens draußen, an einem coolen Setting. Die der Mädchen sind meistens daheim, in einem nachgestellten Setting und präsentieren einen geschützten Bereich. Selten wird eine eigene Meinung transportiert und damit sind sie nicht angreifbar. Das ist auch bereits durch Studien bestätigt.
Kem: Und trotzdem gibt es diesen großen Wunsch, präsent und sichtbar zu sein. Ist das nicht ein Widerspruch?
SK: Das sehe ich auch so. Es geht darum wahrgenommen zu werden, sichtbar zu sein und in dieser Rolle positive Resonanz zu bekommen. Transportiert wird: blond, schlank und lange Haare. Alle Mädchen sind sich sehr ähnlich und Individualismus geht damit verloren. Es geht in Richtung Generalisierung und Uniformierung. Es gibt wenige, die sich darüber hinwegsetzen.
Von Gleichberechtigung und Mut
Kem: Können Medien etwas mit Blick auf die Gleichberechtigung der Frauen beitragen?
SK: Theoretisch schon. Sie brauchen nur ihre Aufgabe wahrnehmen! Es gibt auch positive Beispiele, wo sich Medien um eine gendergerechte Sprache oder eine objektive Berichterstattung bemühen. Sobald es sich aber um ein werbefinanziertes Medium handelt, gilt die Vorgabe: „Wer zahlt, schafft an!“ Gerade im Bereich der Schönheit ist für Unternehmen viel Geld zu verdienen. Zum Teil handelt es sich um sehr plumpes Productplacement. Eltern müssen hier einfach filtern, welche Medien für das eigene Kind gut sind oder eben nicht.
Kem: Dann ist es in diesem Bereich sehr wichtig, Eltern Medienkompetenz zu vermitteln? Kinder lernen durch nachahmen und daher müsste man doch vermehrt bei den Eltern ansetzen.
SK: Stimmt und hier ist gerade der Zugang, meinem Kind alles zu verbieten, der falsche Ansatz. Das ist auch häufig eine Reaktion, wenn Eltern Angst vor einem unkontrollierten Umgang ihrer Kinder mit Medien haben. Diese Kinder bekommen dann oft sehr spät ein eigenes Handy, sind unerfahren und tapsen in Fallen, weil sie den Umgang damit nicht gelernt haben.
Kem: Was können Frauen nun tun, um im Bereich der Medien Geschlechtergerechtigkeit zu transportieren? Wenn es in einem Angestelltenverhältnis schwierig ist – sind sie dann gefordert, sich selbständig zu machen?
SK: Über Plattformen können sich Frauen zusammenschließen und gemeinsam viel bewirken. Dieses Einzelgängertum ist schlecht – miteinander mutig sein, ist leichter! Das ist das eine und das zweite ist, dass es einen gesellschaftlichen Auftrag gibt, sich zu überlegen: wie möchte ich, dass meine Kinder in Zukunft auftreten? Will ich dieses „zurück an den Herd“ - Bild über Medien vermitteln?
Kem: Was war eigentlich dein persönlicher Beweggrund, dich mit dem Thema der Medien auseinanderzusetzen? Was hat dich damals bewegt und was bewegt dich heute noch?
SK: Ich habe von Anfang an immer etwas mit Medien gemacht habe und mir Konstrukte überlegt habe, wie Menschen etwas Positives aus dem Umgang mit Medien mitnehmen können. Es ist so ein dynamischer Bereich mit vielen Entwicklungen und ich kann mich in vielen Bereichen einbringen: Film, Fotos, Spielentwicklung oder Publikationen für Lehrkräfte. So kann ich auch einen Betrag zur gesellschaftlichen Veränderung leisten und Umdenkprozesse anregen kann.
Wünsche für die Zukunft
Kem: Anlass für das Gespräch ist ja ein Geburtstag. Was möchtest du dem Haus der Frau mit auf den Weg in die Zukunft geben?
SK: Für mich ist das Haus der Frau ein ganz wichtiger Ort und ich wünsche ihm: bleib so, bleib wandelbar, bleib offen für Neues und für Bewährtes, bleib der Ort, wo strahlende Menschen arbeiten, wo man sich willkommen fühlt und bleib ein Raum, wo sich Frauen treffen, austauschen, etwas ausprobieren und voneinander lernen können!
Kem: Ein herzliches Dankeschön für das Gespräch!