„Als Frau in der Kirche braucht man wirklich einen langen Atem“
SK: Sissy Kamptner, Pfarrassistentin Steyr-Christkindl
Kem: Kienast Eva-Maria, Haus der Frau
Der Berufseinstieg aus der Perspektive einer Frau.
Kem: Kannst du festmachen, wann das Thema der Frau in der Kirche für dich so wichtig geworden ist? Hat es da ein auslösendes Ereignis, eine bestimmte Situation gegeben?
SK: Das begann bereits mit meinem Berufseinstieg im Herbst 1984 als Pastoralassistentin in Traun. In meinem Studium hat es noch keine Feministische Theologie gegeben. Durch mein Frau-Sein in dieser Männerwelt war das Thema einfach da. Ich bin nicht katholisch sozialisiert und war daher erstaunt, dass im kirchlichen Bereich nur Männer tätig waren. Der Anfang mit zwei polnischen Priestern und einem österreichischen Kaplan war heftig. Die polnischen Priester haben zu Beginn nicht geglaubt, dass ich Theologie studiert habe. Mein Thema für die Diplomarbeit war „Die Stellung der Frau in der Weisheitsliteratur“ – dieses Thema wurde von meinem Professor sehr unterstützt. Der Untertitel lautete: „Gefährtin oder Gefahr des Mannes“ – es war immer meine Frauenperspektive da.
Kem: Hat es damals in theologischen Kreisen schon Frauengruppen gegeben?
SK: Nein, aber ich war eine der ersten Frauen in der Diözese Linz, die als Pastoralassistentin tätig gewesen ist. Daher wurde ich sehr oft in die unterschiedlichsten Kreise eingeladen um zu berichten, wie es mir als Frau in der Kirche geht und wie ich die Situation erlebe. Die Frauenperspektive in der Bibel habe ich mir gesucht. Durch einen sehr patriarchalischen Vater war ich für die von Männern dominierte Kirche wohl gut geeignet und daher auch gut vorbereitet.
Blick auf Veränderungen in 30 Jahren
Kem: Du bist nun seit gut 30 Jahren im kirchlichen Umfeld tätig. Hast du Veränderungen wahrgenommen?
SK: Ja schon, aber sehr langsam. Als Frau in der Kirche, die die Gleichstellung anstrebt – und davon bin ich überzeugt – braucht man wirklich einen langen Atem. Und meinen langen Atem führe ich auf die Heilige Geist-Kraft zurück. Die einzige Antwort ist im Grunde nur die Vertiefung der Spiritualität. Anders ist es nicht zu schaffen, nicht zu verbittern, sich nicht dauernd zu ärgern und trotzdem dabei zu bleiben.
Kem: Gibt es konkrete Veränderungen, die du bewusst wahrgenommen hast?
SK: Der Schritt von der Pastoralassistentin zur Pfarrassistentin bzw. zur Pfarrleitung ist eine konkrete Veränderung. Ich bin meine eigene Vorgesetzte und habe einen großen Gestaltungsspielraum, den ich auch sehr zu schätzen weiß. Zu Beginn meiner Zeit als Pastoralassistentin hatte ich noch kein liturgisches Gewand und habe keine Begräbnisse geleitet. Und jetzt ist auch die Beauftragung zur Taufe wiedergekommen. Dass wurde von Bischof Ludwig vor zehn Jahren verboten. Da brauchst du schon einen langen Atem und es hat mich sehr berührt, dass es jetzt wieder erlaubt ist. Das Verbot habe ich doch sehr kränkend erlebt.
Die Tätigkeit in der Pfarre
Kem: Du bist jetzt bereits seit 2004 in der Pfarre Christkindl tätig. Wie war dein Einstieg in die Pfarre?
SK: Da war eine große Offenheit spürbar, auch durch den damaligen Pfarrmoderator. Hier gab es eine gute Zusammenarbeit, er hat mir Raum gegeben und mich auch in der Liturgie sofort eingebunden.
Kem: Wie waren die Reaktionen der Pfarrgemeinde auf dich als Frau?
SK: Sehr positiv, bis auf einige wenige sehr konservative Frauen, die teilweise auch Briefe nach Rom geschickt haben.
Kem: Glaubst du, dass durch dein Aktivsein als Frau in der Pfarre auch mehr Personen zu euch gekommen sind?
SK: Zumindest auch andere. Bei uns gibt es zum Beispiel kein Bedürfnis für eine eigene Frauenliturgie – die Frauen erleben mich im Gottesdienst, bei Taufen und Begräbnissen und das prägt die gesamte Pfarrgemeinde. Da ist ohnehin oft eine „Frauenliturgie“. Gerade bei Begräbnissen kann ich beobachten, für wen es neu ist, dass eine Frau im liturgischen Gewand das Begräbnis leitet.
Von Feinfühligkeit und Kompetenz
Kem: Hat es jemals Bedenken gegeben, dass ein Begräbnis von einer Frau geführt wird?
SK: Nein, gar nicht. Ich bekomme oft die Rückmeldung, dass das eine Frau vielleicht besser kann als ein Mann. Und gerade Taufanfragen kommen sehr viele, gerade weil eine Frau die Feier leiten soll. Hier erlebe ich genau das Gegenteil von Bedenken.
Kem: Ist hier nicht das Thema, dass sie dich als Person möchten, unabhängig vom Geschlecht?
SK: Auch, aber es wird oft formuliert, dass eine Frau die Taufe leiten soll – gerade bei auswärtigen Anfragen. Die haben mich noch nicht kennengelernt und möchten eine Frau für die Taufe. Das kommt sehr oft vor. Das finde ich sehr spannend. Die Leute spüren, dass uns die Kirche bisher etwas vorenthalten hat.
Kem: Da gehört dann auch viel Feinfühligkeit und Wertschätzung als Kompetenz dazu. Gehört da auch dazu, herauszufinden, was man gut kann und welche Tätigkeiten einem liegen?
SK: Wenn mich jemand fragen würde, was ich besonders gut kann, dann würde „Begräbnisse halten“ sagen. Vorher weiß man nicht, was einem besonders liegt. Ich habe zu Beginn meiner Berufstätigkeit auch nicht gedacht, dass ich für die Krankenhausseelsorge geeignet bin und habe es dann drei Jahre gemacht. Und habe es sehr gern gemacht. Da ich schon so lange in Christkindl bin, verstehen die Menschen oft nicht, wieso ich nicht Eucharistie mit ihnen feiern kann, warum dafür ein Priester kommen muss. Auch ältere Frauen würden sich das wünschen, darauf werde ich immer wieder angesprochen.
Die Domfrauen und der Platz zwischen den Stühlen
Kem: Ich habe dich bei den Domfrauen besucht und habe dein Statement zu deinem Platz zwischen den Stühlen (Bischofsstuhl und Stuhl des Eucharistievorstehers) als herausfordernd und sehr persönlich erlebt. Hast du dazu Reaktionen bekommen?
SK: Viele Rückmeldungen waren, dass es sehr mutig war – wobei ich nicht weiß, was daran mutig ist, weil es ja so ist. Ich sage nur, was ist. Wenn man genau hinhört, bin ich doch liebevoll zum Bischof. Ich habe ja auch die zweite Seite mit meiner Clown Nase eingebaut und diese Seite, die humorvolle Seite habe ich auch immer gehabt und gespürt. Wäre ich nur beim ersten Teil meines Statements geblieben – dass es ein Skandal ist, dass die Frauen in der Kirche nicht geleichgestellt sind und nichts weitergeht - hätte es verbittert werden können. Aber das bin ich nicht. Meine zweite Seite hilft mir, dass ich in der Liebe bleiben kann und dass ich loyal bleiben kann.
Kem: Die Stimmung bei deinem Statement bei den Domfrauen habe ich als sehr stützend und stärkend wahrgenommen. Wie geht es dir damit?
SK: Einerseits habe ich es als unterstützend erlebt. Andererseits war da aber auch Betroffenheit. Im persönlichen Gespräch erzählten manche der Frauen aus ihren Heimatpfarren. Es ist für mich schon erschreckend, wie vielen es nicht gut geht als Frau in der Kirche.
Von Perspektiven und Vorbildern
Kem: Du wirst wahrscheinlich in drei Jahren in Pension gehen. Wie sieht deine Vision für die Rolle der Frau in der Kirche in fünf, zehn Jahren aus?
SK: So denke ich nicht, da ich eine sehr Prozesshafte bin und keine Planerin. Ich lebe sehr mit meinem Glauben und meiner Spiritualität. Ich habe das Gefühl, das bestimme nicht ich und überprüfe mich dabei immer wieder selber: Könnte ich es gut sein lassen, auch wenn sich bis zu meinem Tod nichts ändern würde? Wenn ich das gut aushalte, dann bin ich wirklich eine Diakonin gewesen, geweiht halt vom Leben und nicht vom Bischof. Ich habe so ein Vertrauen, dass sich das ändert. Ich denke mir jedes Mal zu Pfingsten, wenn ich neben einem Priester am Altar stehe „Das wird sich ändern!“. Dieses Vertrauen kann mir niemand nehmen und so bleibt das Engagement lebendig. Die Veränderung lässt sich nicht aufhalten.
Kem: Glaubst du, dass du mit deinem Engagement Vorbild bist für andere Frauen in der Kirche?
SK: Ja, das glaub ich schon irgendwie, wobei sich Vorbild so groß anhört. Ich glaube schon, dass es eine Hilfe sein kann, dass ich manches anspreche und mir kein Blatt vor den Mund nehme. Es ist gut für andere, wenn jemand sagt, was Sache ist.
Kem: Was glaubst du, was für Eigenschaften Frauen brauchen oder welche unterstützend sind, damit an dem Thema drangeblieben wird?
SK: Ich glaube ein Gerechtigkeitsempfinden. Dass es ein Unrecht ist, dass Frauen noch nicht gleichgestellt sind. Für mich ist das so. Unterstützungen entstehen von selber, es gibt so viele engagierte und bewusste Frauen. Gerade den jüngeren Frauen fehlt eigentlich das Verständnis für diese Situation in der Kirche. In allen anderen Lebensbereichen sind Frauen gleichgestellt und niemand würde zb auf die Idee kommen, dass Mädchen Referate im Gegensatz zu Burschen nicht halten könnten. Ich habe es bei meinem Berufseinstieg sehr merkwürdig gefunden, dass bei Treffen von kfb-Frauen immer der Pfarrer dabei gewesen ist. Wie wäre es gewesen, wenn ich immer bei den Treffen der KMB dabei gewesen wäre? Dann hätte es wohl geheißen, die macht sich an die Männer ran.
Die Heilige Lydia und ein Geburtstag
Kem: Im Rahmen des Jubiläums werden die Räume im Haus der Frau umbenannt und im Februar wird der Feierraum nach der Lydia von Philippi benannt. Gibt es eine Verbindung zwischen dir und der Heiligen Lydia?
SK: Dass es Gott sei Dank auch Frauen im Neuen Testament gibt. Das wurde auch bereits während meines Studiums angesprochen und gut wahrgenommen. Die Heilige Lydia und die anderen Frauen begleiten mich daher schon lange.
Kem: Anlass für unser Gespräch ist ja das 50-Jahr Jubiläum vom Haus der Frau. Gibt es etwas, dass du dem Haus der Frau mit auf den Weg geben möchtest?
SK: Ich wünsche dem Haus weiterhin das Gespür und die Achtsamkeit für Frauenthemen, die dran sind und die sich gewandelt haben. Ich finde den Weg mit den neuen Initiativen sehr gut, wie auf die veränderten Frauenrollen geantwortet wird. Das Haus der Frau war damals eine Vorreiterin für diese Themen. Ich wünsche euch, dass ihr den Weg lustvoll geht. Das hat für mich mit Glauben und Gott zu tun – es soll Lust und Freude machen, in der Kirche aktiv zu sein. Und bei einem Wunsch ist für mich immer der Segen dabei: viel Segen für eure Arbeit – das finde ich sehr wichtig.