Mittwoch 28. August 2024

Weyer Pfarrkirche Hl. Johannes Evangelist

 

Glasfenster von Siegfried Anzinger 2008

 

Siegfried Anzinger, einer der bedeutendsten Vertreter der „Neuen Malerei“, verlegte nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien seinen Wohnsitz 1982 nach Köln. In den 1980er Jahren sicherten ihm seine Teilnahme an der documenta VII in Kassel  und die Vertretung Österreichs bei der Biennale in Venedig 1988 bereits einen Platz in der Kunstgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts.


Seit 1997 ist Anzinger Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. 2003 erhielt er als höchste Auszeichnung den österreichischen Staatspreis. 2006 wurde sein Schaffen mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich gewürdigt. Seine Arbeiten, vor allem Zeichnungen, waren zuletzt etwa in der Wiener Albertina oder der Sammlung Essl in Klosterneuburg zu sehen. Die Glasfenster in Weyer eröffneten ihm die Auseinandersetzung mit dem Medium der Glasmalerei. Auftraggeber waren die Pfarre Weyer zusammen mit der Diözese Linz, die mit Kunstreferent Hubert Nitsch große Bestrebungen daran setzt, die Künstlerlandschaft auch in der Sakrallandschaft sichtbar werden zu lassen.

 

Die im Juli 2008 geweihten Fenster Anzingers befinden sich im nördlichen Querschiff des weitläufigen Kirchenraumes. Ein Kreuzweg und Fenster mit figuralen und ornamentalen Motiven aus dem 19. Jahrhundert bilden den „Rahmen“. Die beiden Fenster, die der Künstler als Frauen und Männerfenster bezeichnet, verleihen dem Raum zunächst eine neue Lichtstimmung. Ganz so einfach macht es Siegfried Anzinger den KirchenbesucherInnen allerdings nicht. Er fordert sie zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit überlieferten Motiven der christlichen Bildgeschichte auf. Seine Entwürfe (er fertigte an die 1000 Skizzen für diesen Auftrag an) setzte er in der überlieferten Technik der Bleiverglasung in der Glaswerkstätte des Zisterzienserstiftes Schlierbach um.

 

Weyer Pfarrkirche Hl. Johannes Evangelist. © Ulrich Kehrer
Weyer Pfarrkirche Hl. Johannes Evangelist. © Ulrich Kehrer
Weyer Pfarrkirche Hl. Johannes Evangelist. © Ulrich Kehrer
Weyer Pfarrkirche Hl. Johannes Evangelist. © Ulrich Kehrer

 

 

Die beiden Fenster konzipierte er in jeweils sechs übereinander lesbaren Bildfeldern. 
Der erste Eindruck wird von der ungewöhnlichen Kombination verschiedener Blautöne und dem für Anzinger charakteristischen skizzenhaft wirkenden Pinselduktus geprägt. Anzinger selbst beschreibt den Stil seiner Glasfenster ironisch als „Bauernbarock in Comicform“.

 

Der Künstler wählt für die Fenster biblische Szenen und setzt sie mit anderen Motiven, zum Teil bekannten Figuren aus seinem Schaffen, in Verbindung: Zwischen den Hauptszenen, Darstellungen aus dem Marienleben, Hieronymus und der Löwe und der Taufe Jesu, finden sich Augen, die von Burkas umhüllt das Geschehen beäugen, Löwen, die im Verborgenen lauern, Putti, die den Heiligenschein Gottvaters fest umklammern, Hasen, die ins Bild hüpfen. Ganz unten im Männerfenster fügt Anzinger das Konterfei Adolf Hitlers als bedrohlichste Form des Machtmissbrauchs im 20. Jahrhundert in seine Bilderwelt ein.


Die Rollenverteilungen bei den beiden Fenstern sind klar: Das Frauenfenster ist durch einen in Diagonalen angelegten Bildaufbau geprägt und birgt Reminiszenzen an die Leichtigkeit barocker Bilder. Die Darstellungen von biblischen und alltäglichen Frauen konzentrieren sich im Frauenfenster in den unteren beiden Feldern: Dort verdichtet der Künstler die Geburt Jesu, die Kreuzigung und die Krönung Mariens in einer einzigen Szene, deren Zentrum das nackte Jesuskind am Kreuz bildet. 


Das Männerfenster hingegen wirkt im Bildaufbau statischer. Es lässt den Blick zunächst nach oben zur mächtigen fast bedrohlich erscheinenden Figur Gottvaters und seinen riesenhaften in Untersicht dargestellten Fußsohlen schweifen. Mit der Figur Gottvaters fügt Anzinger den zahlreichen überlieferten Bildern (des über Jahrhunderte nicht darstellbaren Gottes) aus Renaissance und Barock eine eigene Bildschöpfung dazu. Im Spannungsverhältnis zu dieser Macht und Bedrohlichkeit steht darunter die Figur des nackten Jesus, der von Johannes getauft wird – neben beiden Szenen erstreckt sich ein mächtiges Kreuz im rechten Bildteil. Ebenso wie der nackte Jesusknabe am Kreuz im Frauenfenster steht Jesus im Männerfenster für Verletzlichkeit und ein ungeschütztes „ausgesetzt sein“

 

KIRCHENZEITUNG Diözese Linz 2008/27

 

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