Predigt: Neue Gottesdienstzeiten (Reduzierung der Messfeiern)
Predigt zum 29. So/A (1 Thess 1,1-5; Mt 22,15-21)
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Warum sind wir hier im Gottesdienst in der katholischen Pfarrgemeinde St. Konrad? und nicht etwa in Graz beim Dalai Lama, um mit ihm und tausenden anderen das "Kalachakra"- Ritual zu feiern? Der in diesen Tagen veröffentlichte Rückgang der Kirchenmitglieder hinterläßt den Eindruck, das Christentum habe ausgedient und man suche sich neue Religionen und Götter.
Seit dem zweiten Vatikanischen Konzil gibt es zurecht eine positive Sicht der großen Weltreligionen und vor allem den Respekt vor der Überzeugung jedes Einzelnen. Es wäre aber mißverstanden, wenn damit alle Unterschiede eingeebnet werden sollen und keine Unterscheidung etwa zwischen dem Buddhismus und dem Christentum gemacht werden dürfe, denn es ist wirklich nicht alles eins.
In Kürze gesagt: Der wichtigste Unterschied lautet: Glaube ich , daß es einen personalen Gott gibt, der mich erlöst (hat), oder glaube ich an einen ewigen Kreislauf der Dinge, innerhalb dessen ich mich erlösen kann? -- Beide Optionen sind zu respektieren, aber es sind zwei Optionen, die sich nicht zugleich einlösen lassen. Eines ist nicht möglich: ein bisserl Buddhist und ein bisserl Christ sein(vgl. Die Presse, 15.10.2002) Ich sage das auch auf die Gefahr hin, als unaufgeklärt und rückständig eingestuft zu werden.
Ich bin überzeugt, daß viele Christen nicht mehr um das Geheimnis ihres Glaubens wissen und deshalb in dieser spirituellen Leere woanders Anleihen nehmen. Trotz sonstiger Berührungsängste mit Fremdem soll diese Fremd-Anleihe möglichst exotisch sein. Ich habe den Verdacht, daß es dadurch zu einem spirituellen Kolonialismus kommt: d.h. mangels eigener geistlicher Ressourcen zapft man fremde Quellen an und nützt sie für den persönlichen Konsum. Nicht selten wird dabei aus der anderen Religion ein Mittel für die eigene "Wellness" gemacht und sie so ihrer ursprünglichen Tiefe beraubt.
Die wachsende Unkenntnis der Christen über das Geheimnis ihres Glaubens zeigt sich u.a. im sehr deutlich spürbaren Rückgang der Mitfeier der sonntäglichen Messe. Die Reihen sind auch bei uns oft sehr gelichtet. Unsere Kirche würde am manchen Sonntagen Raum für alle in einer Feier bieten.
Sicherlich hilft kein neues Drängen auf Gebote und Verbote; auch ein Drohen mit irgendwelchen Strafen wäre fehl am Platz. Man muß wohl zuerst von der Sinnhaftigkeit der Feier überzeugt sein, bevor man sie zur eigenen inneren Richtschnur macht. Das Evangelium vom letzten Sonntag über die diversen Ausreden, warum Menschen der Einladung zum Hochzeitsmahl nicht folgen, soll freilich auch uns auf die Gefahr des zu leichtfertigen Entschuldigens und Ausredens aufmerksam machen.
Schwestern und Brüder, ich bin auch überzeugt, dass wir in unserer Diskussion über Reduzierung der sonntäglichen Eucharistiefeiern und über deren zeitliche Aufteilung zunächst uns der Mitte und des Geheimnisses unseres Glaubens vergewissern müssen. Sonst bleibt unser ganzes Gerede an der Oberfläche und wir zäumen das Pferd von hinten, also verkehrt auf. Der gesellschaftliche Wandel, der viele vertraute Selbstverständlichkeiten in Frage stellt, verlangt diese neue Besinnung!
Erst wenn wir uns neu des unterscheidend christlichen Kerns unseres Glaubens bewusst sind und wir dessen "Mehrwert" entdeckt haben, relativieren sich die anderen Fragen und erhalten sie keine falsche Eigendynamik.
Was ist für uns Christen - in aller Kürze - das "Geheimnis des Glaubens"? Wir sagen es selbst nach der Wandlung: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit."
Wir feiern also keinen Kreislauf der Natur (dafür genügt auch ein Sonntagsspaziergang!), sondern Gottes geschichtliche Heilstat in Jesus Christus. Jesu Vermächtnis heißt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis."
Der Sonntag als freier Tag hat eine vielfache humane Bedeutung, aber zum befreienden Tag wird er erst als Herrentag, d.h. wenn wir uns hineinnehmen lassen in das Geheimnis Gottes, der in der Geschichte seines Volkes und letztlich in Jesus zum Gott der Hoffnung wurde, von dessen Liebe uns nichts mehr zu trennen vermag.
Als von Gott geliebtes Kind widerspricht der Mensch dem totalen Anspruch der Wirtschaft und der Wissenschaften, dem Kalkül des Nutzens und der berechnenden Vorteile, der grenzenlosen Machbarkeit und dem Recht des Stärkeren. Christlicher Gottesdienst ist zutiefst auch Menschendienst als Garant der absoluten Würde des Menschen. Ja, gebt Gott, was Gottes ist ? mit den Worten des Evangeliums -; er gibt es uns reichlich zurück!
"Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir." ? Im Brechen des Brotes gibt Christus sein Leben für uns. Alle Vergeblichkeit und alles Scheitern unseres Tuns, die vielen Kreuze der Geschichte und der Gegenwart, die Angst vor dem Dunkel des Daseins, Zweifel und Verzweiflung angesichts himmelschreiender Ungerechtigkeiten, alles Leid der Welt und auch der eigene Tod sind mithineingenommen in das gebrochene Brot der eucharistischen Mahlgemeinschaft. Zugleich ist uns wie den Jüngern von Emmaus unerschütterliche Hoffnung für uns selbst, für alle Menschen und für die ganze Schöpfung geschenkt, Gemeinschaft mit ihm und untereinander, die stärker ist als der Tod. Alles Dasein ist durch die Auferstehung von einer letzten Sinnlosigkeit befreit -? eine Hoffnung, die ganz erfüllt wird, wenn er kommt in Herrlichkeit.
Liebe Pfarrgemeinde! Es gilt:Ein Gott, ein Herr, ein Glaube, eine Hoffnung, eine Taufe, ein heiliger Geist, eine in Liebe verbundene Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern. Es darf nicht wundern, daß sich Christen zur Feier des Geheimnisses ihres Glaubens seit Anbeginn über viele Jahrhunderte am Sonntag nur einmal gemeinsam getroffen haben. So schreibt etwa Ignatius von Antiochien (Fest. 17. Okt.) an seine Gemeinden: ?Seid darauf bedacht, nur eine Eucharistie zu feiern; denn es gibt nur einen Leib unseres Herrn Jesus Christus und nur einen Kelch zur Vereinigung mit seinem Blut; es gibt nur einen Altar, wie auch nur einen Bischof mit der Priesterschaft und den Diakonen.?
Erst als die Kirchen die Menschen nicht mehr fassen konnten und vor allem durch eine individualistische Frömmigkeit (jeder wollte sozusagen seine Messe zu der ihm gelegenen Zeit!) und aufgrund der großen Anzahl der Priester kam es zur Mehrzahl von sonntäglichen Messen.
Inzwischen gibt es auch in einigen Linzer Pfarren nur noch einen sonntäglichen Vormittagsgottesdienst. Über kurz oder lang wird es auch in St. Konrad nur mehr einen priesterlichen Pfarrseelsorger geben. Nicht wenige Gemeinden müssen sich auch in unserer Diözese einen Pfarrer teilen.
Der Bischof von Hildesheim hat in seiner Diözese die Zahl der Sonntagsmessen (einschließlich der Vorabendmesse) sogar verpflichtend ab 2003 auf eine beschränkt. Er sagt: ?Nur wenn die Zahl der Gottesdienstteilnehmer es als notwendig erscheinen läßt, kann eine zweite Eucharistiefeier stattfinden. ..Es soll eine Eucharistiefeier als die eine Feier der Gemeinde geben, sie ist Zentrum und Wurzel der einen Gemeinde. Diese Einheit soll bezeugt werden, und sie darf nicht durch eine Angebotskultur in vielen Messen aufgespalten werden.? (Fastenhirtenbrief 2000).
Vielleicht sollten wir auch heute am Weltmisssionssonntag daran denken, dass in den meisten Gemeinden der Welt die Menschen froh sind, wenn sie überhaupt einen Gottesdienst feiern können und dafür oft große Strapazen auf sich nehmen. So weit zu den Hintergründen der auch bei uns anstehenden Reduzierung der Sonntagsvormittagsmessen von drei auf zwei.
Nun zu den konkreten Vorschlägen: Im Fachausschuss Liturgie und im Pfarrgemeinderat wurden in Hinblick auf alle Gottesdienstteilnehmer die verschiedensten Argumente eingebracht und abgewogen. Sie standen großteils auf der Rückseite des letzten Mitteilungsblattes; ich möchte sie jetzt nicht wiederholen. Es wurden zwei Vorschläge erarbeitet, die versuchen, ein gangbarer Kompromiss für die Teilnehmer der bisherigen drei Messen zu sein. Bei der Frühmesse wurde vor allem für die Bewohner des unteren Froschbergs auf die Buslinie 27 Rücksicht genommen.
Wer weiter auf seiner Messe beharrt, wird sich nicht wiederfinden; wer jedoch an die ganze Gemeinde denkt und selbst bereit ist, einen Schritt auf dem Weg zu deren Einheit zu tun, wird damit gut leben können, auch wenn es tatsächlich eine Umstellung mancher lieb gewordener Traditionen beinhaltet.
Es haben mich verschiedene Briefe und Telefonate erreicht, die bei dieser Vorgangsweise eine demokratische Entscheidung vermissen. Nun, es gibt die von allen gewählten Gremien, die Vorüberlegungen anstellen und heute Ihr Votum zur Meinungsbildung und zum darauffolgenden endgültigen Beschluss erbitten. Einen anderen Weg zu einer Entscheidungsfindung kann ich mir schwer vorstellen. Allen recht getan ist sicherlich auch hier eine Kunst, die niemand kann. So bitte ich Sie, eine der beiden vorgeschlagenen Varianten durch Einreissen anzuzeigen. Die Zettel werden nach der Kommunion ausgeteilt. Auch anwesende Kinder dürfen mittun (oder Eltern an ihrer Stelle).
Zugleich gibt es auch die Möglichkeit, zusätzlich noch einen persönlichen Vorschlag auf der Rückseite des Einreißzettels schriftlich abzugeben. Falls Sie dies tun möchten, ersuche ich Sie allerdings, sich in die ganze Gemeinde hineinzudenken (also nicht nur bei sich stehenzubleiben!) und dementsprechend Ihren Vorschlag aufzuschreiben. Schreibzeug liegt an den Tischen hinten auf. Sollte sich aus diesen zusätzlichen Vorschlägen ein neuer von sehr vielen vertretener Trend herausstellen, so sind wir im Pfarrgemeinderat sicherlich bereit, darauf Rücksicht zu nehmen und eventuell auch bei einer Pfarrversammlung darüber weiter zu reden.
Es tut mir leid, dass eine Predigt nur ein Monolog ist. Gerne bin ich bereit, darüber auch ins Gespräch zu kommen - vor allem auch in Anbetracht einiger Argumente, die mir zu Ohren kamen, etwa ?Dann werden die letzten Jugendlichen auch nicht mehr in die Kirche kommen?. Kommt es wirklich auf die viertel- oder maximal halbe Stunde an ?
Die Frage an jede/n wird sein: Wieviel bedeutet mir überhaupt der Sonntagsgottesdienst? - Wieviel zählt für mich die gemeinsame Feier der einen Gemeinde, evtl. auch mit der Möglichkeit der Begegnung am Kirchenplatz zwischen den beiden Vormittagsmessen - oder geht es mir eher um die subjektive Erfüllung des Sonntagsgebotes und die nur persönliche Frömmigkeit?
Ich weiß, jede Umstellung von Gottesdienstzeiten ist eine Zumutung, weil es eine Umstellung persönlicher Bräuche bedeutet, aber der Auftrag des Herrn in der Eucharistie ist überhaupt eine Zumutung, da wir selbst immer mehr verwandelt werden sollen in einen Leib, in ein Brot, in Menschen, die in Liebe mit- und füreinander leben. Sonst hat dieses Mahl seinen Sinn verfehlt. Wenn jeder nur an sich selber denkt, würde Paulus sagen, dass es keine Feier des Herrenmahles mehr ist.
Liebe Pfarrgemeinde, bleiben wir auf dem Weg miteinander und zueinander ? als eine Gemeinde mit dem einen Herrn in unserer Mitte. Amen.