DIE URSPRÜNGLICHE RAUMIDEE
WIRD WIRKLICHKEIT
Architekturgeschichtliche Bewertung
Die Entwurfspläne von 1859 zeigen, dass Dombaumeister Vinzenz Statz (1819-1898) den Linzer Dom nicht als lang-gezogenen Eineitsraum konzipierte, wie wir ihn bis heute kennen. Vielmehr wollte er nach hochgotischen Vorbildern eine Gliederung in zwei deutlich unterschiedene Hauptzonen: In der Vierung, wo das hintere Langschiff und die beiden Arme des Querhauses zusammentreffen, ist ein markanter Kreuz- oder Lettner-Altar eingezeichnet und bildet zusammen mit den mächtigen Seitenaltären und den von den Säulen einkragenden Rückwänden des Chorgestühls das Zentrum und den Zielpunkt der bis hierher reichenden „Laienkirche“. Dahinter sollte im „Chor“ die Klerikerliturgie ihren Platz haben.
Dieses originale Raumkonzept wurde nie umgesetzt. Dies hängt wohl mit der langen Baugeschichte zusammen: Fast 40 Jahre lang diente der bereits 1885 fertiggestellte vordere Teil als provisorische Kirche und war gegen die dahinter liegenden Baustellen des Turms und des Lang- und Querhauses abgemauert, wie das folgende historische Foto zeigt.
Als 1923 / 1924 der „Lückenschluss“ erfolgte, wurde aus dieser zunächst als provisorisch gedachten Einrichtung eine Dauerlösung.
Die beiden folgenden historischen Aufnahmen dokumentieren eine kurze Phase mit experimentierender Aufstellung: Die Einrichtung im vorderen Langschiff wurde unverändert beibehalten. Im neu hinzugekommenen hinteren Langschiff wurden lediglich zwei Bank- und Stuhlreihen eingestellt.
Blick nach vor zum Baldachinaltar
Blick nach hinten zur prächtigen, heute verdeckten Turmrosette
Im Anschluss an diese Experimentierphase wurden hinter der Vierung zwei fixe Bankblöcke errichtet, wie der unten dargestellte Bestandsplan aus den späten 1920er-Jahren zeigt:
Deutlich erkennbar ist der gedrängte, überfüllte Zustand im vorderen Langhaus: die längsgerichteten Gemeindebänke, das querstehende Chorgestühl und das erhöhte Presbyterium konkurrieren gegeneinander. Das Querschiff bleibt dagegen völlig leer und die hinteren Langhausbänke stehen isoliert.
Diese Aufstellung währte bis in die 1980er-Jahre und auch die derzeitige Raumgestalt ist noch von ihr geprägt.
Warum es zu dieser problematischen, dem Statz'schen Entwurf völlig widersprechenden Raumsituation kam, ist noch völlig unerforscht. Einer von mehreren Gründen mag darin liegen, dass das ursprüngliche Konzept einer „Zwei-Stände-Kirche“ nicht mehr in die bereits von der sog. „Liturgischen Bewegung“ beeinflusste Zeit passte.
Mit dem Entwurf von Kuehn Malvezzi und Zobernig wird die Statz’sche Raumidee erstmals, aber in gegenwärtiger Interpretation umgesetzt: Die Differenzierung der beiden Zonen geschieht dabei nicht gemäß der „ständischen“ Über- und Unterordnung des 19. Jahrhunderts (Laienkirche / Klerusbereich), sondern folgt der heutigen funktionalen Bestimmung: Im Vierungsbereich ist die Feier der Eucharistie verortet; der dahinter liegende, bis ins historische Presbyterium reichende Raum ist für das Stundengebet (Vesper, Laudes etc.), Meditationen und andere mögliche Liturgien bestimmt.
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Auch wenn im gegenwärtigen Projekt die Zonentrennung moderater ausfällt als im Statz’schen Plan, der Mariendom wird künftig doch deutlich als ein Gefüge von mehreren „Sub-Räumen“ erlebbar sein. Und das wird ihm guttun: Derzeit leidet das Raumempfinden vor allem daran, dass die Innengestaltung einen vom hinteren Hauptportal bis zum Baldachinaltar durchgestreckten Einheitsraum suggeriert. Das entspricht aber weder der ursprünglichen Raumidee und ihren historischen Vorbildern, noch wird es den faktischen Raummaßen gerecht: Als Einheitsraum kann diese größte Kirche Österreichs – eine der größten Europas – nicht funktionieren!
„Von Seiten der Denkmalpflege wird das Projekt sehr begrüßt. Durch die neue Raumgestaltung wird im Bereich des Hochaltars die historische Situation wiederhergestellt, die Offenheit und Durchlässigkeit der Ursprungskonzeption wird wieder deutlich“.