Neuer Klöppel für Immaculata-Glocke
Der Mariendom verfügt über das einzige vollständig im Originalzustand befindliche Großgeläut im deutschsprachigen Raum. Im Zuge von Untersuchungen in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie und Simulationsanalysen durch einen Experten vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken an der Hochschule Kempten wurde festgestellt, dass das Schwingungsverhalten des Geläutes im ursprünglichen Zustand sich langfristig negativ auf die Fugen und Steinsubstanz des Turmes auswirken würde. Daher wurde in den vergangenen Monaten unter anderem der mehr als 300 Kilogramm schwere und 2,3 Meter lange Klöppel der großen Immaculata-Glocke aus Spezialstahl neu gefertigt und am Montag, 4. November 2024 in die Glocke eingehängt.
Im Zuge der Restaurierung des Geläutes wurden neben den Klöppeln der drei größeren Glocken auch die Antriebe, Motoren und Steuerungselemente erneuert. Durchgeführt wurde die Restaurierung von der Firma Perner in Schärding, der Klöppel wurde von Edelstahl Rosswag in Karlsruhe gefertigt.
Nach dem ersten Läuten mit dem neuen Klöppel zeigte sich Siegfried Adlberger, Orgel- und Glockenbeauftragter der Diözese Linz, sehr zufrieden mit dem Klang. „In den kommenden Tagen werden mittels Seismographen an verschiedenen Stellen im Turm Frequenzmessungen beim Läuten durchgeführt. Dabei wird sich zeigen, ob noch Feinjustierungen notwendig sind“, so der Experte.
Sieben Glocken mit knapp 18.000 Kilogramm
Die Glocken des Mariendoms wurden 1901 von der Firma Anton Gugg in Linz gegossen und am 30. April und 1. Mai 1902 feierlich geweiht. Insgesamt hat das Geläut ein Gewicht von 17.770 kg und ist das einzige vollständig im Originalzustand befindliche Großgeläut im deutschsprachigen Raum. Ursprünglich waren alle sieben Glocken in der Glockenstube 2 in rund 45 Meter Höhe aufgehängt, erst 1910 wurde die Immaculata-Glocke aus statischen Gründen in die Glockenstube 1 (32 Meter Höhe) übersiedelt. Die sieben Glocken sind nach dem „Salve Regina“ geweiht.
Daten zu den einzelnen Glocken:
Immaculata: Durchmesser 2,38 m / 8.120 kg / Ton F
Josefi: Durchmesser 1,82 m / 3.930 kg / Ton A
Petrus: Durchmesser 1,55 m / 2.370 kg / Ton C
Rosenkranzkönigin: Durchmesser 1,37 m / 1.640 kg / Ton D
Agnes: Durchmesser 1,15 m / 940 kg / Ton F
Maximilian: Durchmesser 0,91 m / 480 kg / Ton A
Michaeli: Durchmesser 0,76 m / 290 kg / Ton C
Siegfried Adlberger, Orgel- und Glockenbeauftragter der Diözese Linz, über die Notwendigkeit der Glockenrestaurierung:
"Schon kurz nach der Glockenweihe im Jahr 1902 - damals sind noch alle sieben Glocken in der Glockenstube 2 gehängt - ist aufgefallen, dass sich der Turm beim Gockenläuten der Immaculata massiv bewegte. Damals hat es natürlich noch nicht die Messmethoden gegeben, die wir heute anwenden können, aber war ein sehr hohes Fachwissen vorhanden. 1910 ist es gelungen, die Immaculata rund 13 Meter tiefer in die Glockenstube 1 zu übersiedeln und gleichzeitig die Läuterichtung zu drehen. Aber auch mit diesem Schritt konnten die Turmschwingungen nicht restlos beseitigt werden.
Im Zuge der Turmhelmsanierung, beginnend 2018, wurden intensive Messungen durchgeführt und es wurde ein sog. musikalischer Fingerabdruck genommen. So sind wir auf die Parameter bekommen, die notwendig waren, um das Bauwerk langfristig vor negativen Schwingungseinflüssen der Glocken zu schützen."
Bruno Hosfeld (Rosswag) über technische Details des neuen Klöppels:
"Wir verwenden bei unseren Klöppeln einen sogenannten Feinkornbaustahl, das ist ein Spezialstahl mit einem abgesenkten Phosphor- und Schwefelgehalt. Unsere Klöppel werden vergütet und komplett bearbeitet, das heißt, sie werden geschmiedet und anschließend gedreht oder gefräst.
Der Stahl ist besonders zäh und tieftemperaturfähig. Das ist wichtig, weil die Glocken ja in luftiger Höhe hängen, wo die Temperaturen sehr niedrig sein können. An allen von uns gefertigten Klöppeln werden abschließend noch Ultraschallprüfungen und Oberflächenrissprüfungen durchgeführt, um eventuelle äußere Fehler zu erkennen."
Rudolf Perner über die Anforderungen, die ein Klöppel erfüllen muss:
"Die Herausforderung hier im Mariendom war, dass die Glocke niedriger läuten musste und nicht mehr so stark schwingen durfte. Das bedarf eines Klöppels, der das auch mitmacht, und da kommt man durchaus in physikalische Grenzbereiche. Die Klöppel müssen die Glocke gleichmäßig anschlagen, dürfen die Glocke nicht schädigen und sollen gleichzeitig gut klingen."