Ablass(en)
„ablassen“ – Assoziationen zum Thema von Stefan Schlager (Seelsorger der Caritas Oberösterreich)
Der Gedanke des Ablasses ist heute für viele Menschen nicht leicht zu verstehen und zu vermitteln. Denn er hängt mit einem bestimmten Gottesbild und einem bestimmten Kirchenverständnis zusammen. Im Kern geht es darum, dass Gott die Sünden vergibt, aber dennoch Strafen im Jenseits (Fegefeuer) bleiben. Und die Kirche besitzt Möglichkeiten, den Menschen dazu zu verhelfen, eine Tilgung dieser Sündenstrafen – teilweise oder ganz – zu erreichen. Durch bestimmte Taten.
Grenzenlose Vergebung
Der Ablass gehört also – wenn man in dieser spezifischen Denkfigur bleibt – in den Bereich Vergebung und Umkehr. Wenn man sich die Verkündigung und Praxis Jesu anschaut, so ist hierbei die unverhoffte Großzügigkeit Gottes im Vergeben nicht zu übersehen. Beim Gleichnis vom Barmherzigen Vater (Lk 15,11–32) überwiegt alleine schon rein vom Erzählmotiv her die ungeheure Freude des Vaters gegenüber der Schuldgeschichte des verlorenen Sohnes. Es scheint so, als ob Jesus dieser göttlichen Freude viel mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Missetaten des Sünders. Diese unverhoffte Großzügigkeit Gottes ist immer wieder Thema in Jesus-Worten, so wie zum Beispiel in Matthäus 18,21–35 vom „unendlichen“ Vergeben (nicht siebenmal sondern siebzig mal sieben mal). Auch im Alten/Ersten Testament begegnet diese göttliche Großzügigkeit. So heißt es etwa in Jesaja 38,17: „Du, du aber hast dich nach meiner Seele gesehnt – weg von der Gruft des Nichts. Denn du hast hinter deinen Rücken geworfen alle meine Sünden.“ Und in Micha 7,18–19 ist zu lesen: „Wer ist Gott wie du, der Schuld verzeiht und an der Verfehlung vorübergeht […] denn er hat Wohlgefallen daran, gütig zu sein. Er wird sich unser wieder erbarmen […] Ja, du wirst in die Tiefen des Meeres werfen alle ihre Sünden.“
Umkehren im Geist der Großherzigkeit Gottes
In seiner Verkündigung lädt Jesus die Seinen ein, sich von dieser Vergebungsbereitschaft und Großherzigkeit Gottes immer wieder aufs Neue inspirieren und leiten zu lassen (vergleiche die beiden Bitten im Vaterunser). Wenn Jesus uns Menschen Mut macht und aufruft, umzukehren, also umzudenken und uns umzuorientieren im Geist der Großzügigkeit und Großherzigkeit Gottes, dann könnte das durchaus im Sinne eines Ablassens verstanden werden.
ablassen – und (wieder neu) aufleben:
- ablassen vom Kreisen um sich selbst und der Gleichgültigkeit gegenüber anderen
- ablassen von der ungnädigen Fixierung auf die eigenen Fehler und die Fehler anderer
- ablassen von einer Enge im Denken und einer Härte im Herzen, die wortwörtlich auch dem widerspricht, was das Wort „katholisch” eigentlich meint
- ablassen von der Angst, nie und nimmer zu genügen – einander und auch Gott nicht
- ablassen vom Glauben, dass nichts mehr geht und alles ohnehin verloren ist
- ablassen davon, von Gott zu klein zu denken
- letztlich: ablassen von der Logik eines unbarmherzigen „Müssens“ und stattdessen die Dimension des „Dürfens“ wieder neu entdecken – sodass nicht mehr die (religiöse) Leistung im Zentrum steht (das Müssen), das Verdienen und Erwerben, sondern Freude, Neubeginn, Großherzigkeit, langer Atem, Zuversicht und Gelassenheit.
Möge das Heilige Jahr ein Jahr werden, in dem Menschen im Sinne dieser Umkehr durch die oft verschlossene Pforte des eigenen Herzens wieder hin zu neuer Weite und Großzügigkeit gelangen können.