Kultur der Versöhnung
Bischof Manfred Scheuer richtet in seinem Bischofswort zur Österlichen Bußzeit für das Jahr 2025 den Blick auf Themen, „die für Versöhnungsprozesse hilfreich sind“.
Unrecht wahrnehmen, benennen und bereuen
Vergeben heißt nicht nachgeben. Vergeben heißt auch nicht vergessen. Vergeben heißt vielmehr, sich auf den Weg zu machen. Und der erste Schritt dazu ist das „mutige Hinschauen und klare Benennen geschehenen Unrechts“, ganz nach dem Bibelwort: „Die Wahrheit wird euch befreien!“ (Joh 8,32) Die Wahrnehmung von Unrecht löst starke Gefühle aus, mit denen man behutsam umgehen muss: Zorn und das Drängen auf Reue und Wiedergutmachung auf Seiten der Geschädigten und der mit ihnen Fühlenden, Reue als „tiefes Mitfühlen des Schmerzes der Geschädigten“ und die Übernahme von Verantwortung für diesen Schmerz auf Seiten der schuldig Gewordenen.
Vergebung erbitten und schenken
„Wer Schuld auf sich geladen hat, muss anerkennen, dass er das Unrecht nicht ungeschehen machen kann. Die Tat lässt sich nicht zurücknehmen, die Verletzungen sind passiert. So ist die schuldig gewordene Person abhängig von der freiwilligen Vergebung der Geschädigten.“ Und eine solche muss man bei den Geschädigten erbitten – wissend: „Es ist ein Geschenk, wenn sie ehrlichen Herzens vergeben können und dies auch tun.“ Gerade ein Heiliges Jahr macht deutlich, dass es bei all unseren Möglichkeitsräumen Dinge gibt, die „nicht machbar, verdienbar und erwerbbar“ sind, sondern Geschenk bleiben: „Im Geschenk der Vergebung erkennen wir Glaubende daher letztlich ein Geschenk Gottes [...]“ – und dieses Geschenk wird spürbar in der Reue der Täterinnen und Täter, in der Vergebungsbereitschaft der Geschädigten.
Begleitetsein, Versöhnung feiern und Erinnerung pflegen
Bei einem schwerwiegenden Konflikt benötigen Konfliktparteien auf ihrem Weg zur Versöhnung Unterstützung auf mehreren Ebenen: Fachlich kompetente Begleitung kann helfen, Verständnis für den „Konflikt in seiner Vielschichtigkeit“ und in weiterer Folge „tragfähige Perspektiven für die Zukunft“ zu entwickeln. Vielfältige Angebote inner- und außerhalb der Kirche stehen zur Verfügung, unter anderem geistliche Begleitung, Ehe-, Familien- und Lebensberatung oder Mediation. Eine Feier der Versöhnung kann helfen, „einen neuen Weg zu festigen“ und fördert dabei Freude und Dankbarkeit für das Erleben von Umkehr und Neubeginn. Verschiedene Formen gibt es auch hierbei: Bußgottesdienste als Vorbereitung auf große Feste, Versöhnungsgottesdienste nach Aufarbeiten eines schweren Konflikts oder das Sakrament der Versöhnung als „persönlichste Form christlicher Vergebung“. Die Pflege der Erinnerungskultur durch Gruppen und Bewegungen kann ebenfalls helfen, Versöhnungsprozesse zu unterstützen, denn: „Sie führt uns permanent die Verantwortung vor Augen, die wir für unsere Vergangenheit tragen, und ermöglicht zugleich eine neue, tiefere Geschwisterlichkeit.“
Das Bischofswort zur Österlichen Bußzeit im Wortlaut: