Gesellschaftlich-politischer Kontext

Gesellschaftlich-politischer Kontext
Gegenwärtig ist in Österreich – nicht zuletzt aufgrund von ökonomischen Einbrüchen und Krisen – eine allgemeine Verschlechterung des sozialen Klimas wahrzunehmen. Diese Tendenz spiegelt sich auch im Hinblick auf die öffentliche Meinung zu Fragen des Strafvollzugs wider. Zum einen lösen spektakuläre Kriminalfälle immer wieder eine heftige, teils emotional geführte Sicherheitsdiskussion aus, die die Gefahr einer steigenden Kriminalität als Teufel an die Wand malt, obwohl dies durch Statistiken nicht zu belegen ist. Zum anderen lässt auch die österreichische Justizpolitik bereits den Einfluss der aus dem amerikanischen Raum stammenden „Zero-Tolerance-Bewegung” (propagiert eine extrem repressive Justizpolitik) erkennen. Das Konzept der Resozialisierung, Grundlage sozialarbeiterischen und therapeutischen Handelns im Strafvollzug der letzten Jahrzehnte, scheint brüchig zu werden.
Unsere Sicht der Gefängnisrealität
Die Wirklichkeit des Gefängnisses stellt sich uns unter verschiedenen Gesichtspunkten dar: Das Gefängnis ist zunächst das Zerrbild unserer Gesellschaft, insofern dort jene versammelt sind, die in Widerspruch zu den gesellschaftlichen Regeln geraten sind. Sodann ist das Gefängnis aber auch ein Spiegel der Gesellschaft, nach dem Motto: „Sagt mir, wie Ihr mit Rechtsbrechern umgeht und ich sage Euch, wie es um die Humanität in Eurem Land bestellt ist.”
Und schließlich ist das Gefängnis der Ort, an dem augenscheinlich alles dem widerspricht, was uns das Evangelium zusagt: Vertrauen, Befreiung, gegenseitige Achtung und Hilfe, Bereitschaft zu Versöhnung und Liebe. Letzteres gilt es aber nach zwei Seiten hin zu relativieren. Einerseits ist und bleibt die Gesamtgesellschaft der Nährboden für jene Verhaltensweisen, die als evangeliumswidrig charakterisiert wurden und im Gefängnis in konzentrierter Form auftreten und andererseits findet man gerade im Gefängnis bei genauerem Hinsehen auch humane Qualitäten, wo man sie gar nicht vermutet hätte. In Anbetracht dieser komplexen Situation ist die Gefängnisseelsorge herausgefordert, ihren kirchlichen Auftrag immer wieder neu zu reflektieren.