„Manchmal kommt es mir so vor, Frauen schupfen insgeheim den Laden.“
Warum ich mich als Frau in der Katholischen Kirche in Oberösterreich engagiere und einbringe ...
Ich bin eine der neuen Fachinspektorinnen für katholischen Religionsunterricht in den oö. Pflichtschulen. Mein Bereich umfasst über 160 Schulen. In diesen Schulen geschieht täglich ein kleines Pfingsten: Religionslehrerinnen und Religionslehrer erzählen die Frohe Botschaft den Kindern weiter und eröffnen Ihnen gleichzeitig durch Ihre eigene Persönlichkeit neue Perspektiven: dass Glaube in unserer Zeit wichtiger ist denn je, dass Glaube Menschen dazu bringen kann, ein Samenkorn des Guten in dieser Welt zu werden. „Katholisch“ heißt wörtlich übersetzt „allumfassend“. Ein beinah mütterliches Wort, ein Wort, das für mich Beheimatung bedeutet. Es darf alles Platz haben, jeder und jede einzelne ist gemeint. Gott macht keinen Unterschied, diese Kirche ist ein Haus für alle Menschen. Für mich als Frau bedeutet es, mich in dieser Kirche einzubringen, ein „Trotzdem“ und ein „Dennoch“ in unserer Zeit mit ihren mitunter schwierigen Fragen – Stichwort Weihebedingungen – zu leben.
Trotz schwindender Mitgliederzahlen, trotz Kritik an ungelösten Themen der Kirche will ich dabei sein und mittun, die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen in ihrer wertvollen Aufgabe stärken. Der Satz „Gib acht, wie du lebst, denn du könntest das einzige Evangelium sein, das Menschen lesen“ von Frère Roger findet für mich hier eine existentielle Bedeutung: Durch das Beispiel unserer gut ausgebildeten Religionslehrerinnen und -lehrer lebt täglich in den Schulen die Zuversicht weiter, dass es nicht umsonst ist, sich einzusetzen, für etwas zu brennen. Es sind die Begegnungen mit den Kindern, es ist das Leuchten in ihren Augen, wenn sie im gemeinschaftlichen Lernen und Tun und in der Auseinandersetzung im Religionsunterricht spüren und erleben: Gott ist kein Märchen, keine Phantasie, Gott ist wirklich mitten unter uns und begleitet uns. Er lädt jede und jeden ein, etwas zu tun, vertrauensvoll sein Leben und somit die Welt mitzugestalten.
Diese gesellschaftspolitischen Themen stehen meiner Meinung nach jetzt an ...
Das Thema Nachhaltigkeit und der Umgang mit Ressourcen ist für mich eines der brennendsten Themen unserer Zeit. Unsere Kinder, die allen Ernstes darüber nachdenken, ob es überhaupt noch Sinn macht, selbst Kinder in diese Welt zu setzen, stimmen mich nachdenklich und zeitweise pessimistisch. Die ungerechte Verteilung des Reichtums zeigt sich immer offensichtlicher in ihren erschreckenden Konsequenzen. Wenn die Erde wirklich ein Haus für alle Menschen ist, müssen wir bereit sein, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und lernen, mit weniger zufrieden zu sein. Weniger ist bei uns wahrscheinlich immer noch sehr viel.
Welche Werte zählen letztlich für mich und für die Gesellschaft? Was kann Kirche dazu beitragen? Was ist ein gutes Leben? Ein gutes Leben braucht die anderen. Und mein Tun hat Folgen. Diese Fragen stoßen die Religionslehrerinnen und Religionslehrer bereits in der Volksschule an. Die Kinder von heute sind die Erwachsenen und Gestalter von morgen und sie brauchen das Zutrauen, etwas bewirken zu können. Die Sorge um die Erde, die Sorge um den Nächsten sind christliche Grundhaltungen, die heute gebraucht werden.
Auch das Thema Arbeit beschäftigt mich: Was bedeutet es, dass so viele Menschen „nicht mehr können“? Mir gefällt der Gedanke, anstatt von „Work-Life-Balance“ von „Life-Balance“ zu reden. Arbeit ist eine wichtige Sinn-Säule im Leben. Arbeit und Leben sollen einander ermöglichen, den menschlichen Grundbedürfnissen nach Anerkennung und Freiheit gerecht werden und Gestaltungsräume eröffnen.
Themen, die mir als Frau unter den Nägeln brennen ...
Ich denke an die vielen Frauen in meiner Pfarre. Sie arbeiten ungesehen, kümmern sich um 1000 Kleinigkeiten, setzen sich für Schwache ein, besuchen Alte und Kranke, halten Dinge in Ordnung, bringen ihre Talente unermüdlich in den unterschiedlichsten Bereichen der Pfarre ein, sind treu immer zu Stelle. Manchmal kommt es mir so vor, Frauen „schupfen“ insgeheim den Laden. Ich denke, wir Frauen können uns gegenseitig stärken: Durch Netzwerke, durch Ermutigung, durch Freundschaften, durch Hinschauen auf Not, durch Solidarität, durch Mit-Anpacken und gegenseitigem Wohlwollen, und durch gemeinsames Feiern und Beten.
Diese Gaben sind es, die vieles überhaupt erst in den vielen Pfarren möglich machen. Dieses Licht darf nicht unter den Scheffel gestellt werden: Frauen sollen selbstbewusst und klar sagen können, was sie denken und von ihrer Stimme Gebrauch machen. Mutige Frauen sind immer ein Vorbild für mich gewesen, die klar und bestimmt ihren Weg gehen, dort, wo sie leben.
Was mich beGEISTert und mir Kraft gibt, damit Kirche lebendig wird und in Bewegung bleibt ...
Mit einer Freundin sprach ich darüber, was aus uns geworden wäre, wären wir nie in Taizé gewesen. Gottseidank durfte ich dort oft erfahren, wie man heute als Christ leben kann, und wie wichtig echte Gastfreundschaft ist. Ich denke weiter: Was wäre aus mir geworden, hätte ich nicht all die gemeinschaftlichen Erfahrungen in Jungschar, Jugend, Ausbildung zur Religionslehrerin, … gemacht. Immer waren es dabei konkrete Begegnungen mit Menschen. Persönlichkeiten, die mir etwas zutrauten, zusagten, mich bestärkten. In dieser Kirche finde ich Raum, meiner Freude, meinem Frust und meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen. Die Gemeinschaft mit den Menschen, die wie ich Gottes Spuren folgen möchten, ist mir ganz wichtig.
Aber auch im Feiern, Liedern und Chorgesang liegen für mich Quellen der Spiritualität, die tief in mein Herz hineinreichen. Innige Taizégesänge wie „Nada te turbe“ oder „Bless the lord“ begleiten mich manchmal leise in den Tag hinein. Momente des bewussten Alleinseins, ein paar Tage außerhalb des Alltags bringen mich mir selbst näher und wecken ein Gefühl der Dankbarkeit und Verbundenheit mit allem. Ein Taizélied drückt eine besondere Zuversicht für mich aus: „See, I am near, says the lord. See, I make all things new.“ Ich bin nahe, spricht der Herr. Seht, ich mache alles neu.
Zur Person:
Dipl.-Päd. Doris Schwaiger BEd ist Fachinspektorin für katholische Religion an APS im Schulamt der Diözese Linz.