„Die Möglichkeiten des Mit- und Füreinanders ...“
Warum ich mich als Frau in der Katholischen Kirche in Oberösterreich engagiere und einbringe ...
Schon als Jugendliche habe ich mich in der Kirche engagiert, weil ich darin einen Ort fand, meine Interessen zu leben, meine Fähigkeiten einzubringen und zu entfalten. Zum Beispiel im sozial-politischen Bereich, in der Friedensbewegung, in der Jugendarbeit der Pfarre und im Dekanat.
Meine Entscheidung, Theologie zu studieren, wurzelt in dieser Erfahrung. Das Studium hat mir dann noch weitere Wege und Möglichkeiten eröffnet, mich haupt- und ehrenamtlich einzubringen.
Ich bin gerne und überzeugt Christin, weil ich die Botschaft christlichen Glaubens als tragenden Grund und Leben spendenden Weg erfahren durfte. Das christliche Menschenbild, der Glaube, dass Mensch und Welt Orte der Gegenwart Gottes sind, haben ganz konkret Relevanz für die Gestaltung des persönlichen Lebens, des Zusammenlebens mit anderen und insgesamt gestaltende Kraft für unsere Gesellschaft. Ich glaube, dass ich als Christin einen wesentlichen Beitrag leisten kann für ein friedvolles, gerechtes Miteinander in meiner Um- und Mitwelt.
Im konkreten Berufsalltag sind mir die Menschen wichtig, denen ich begegne. Ich gehe davon aus, dass jede Person Fähigkeiten und Begabungen zum Guten hat. Dies gilt es zu heben und zu entdecken bzw. zu würdigen. Gleich ob bei Bewerbungsgesprächen oder bei Begegnungen mit Ehrenamtlichen in den Pfarren, das Potential ist groß und der Einsatz beachtlich. Auch das motiviert mich immer wieder, in der Kirche zu arbeiten.
Themen, die mir als Frau unter den Nägeln brennen ...
Der Anteil an Frauen bei den kirchlichen Berufen steigt kontinuierlich an. Das ist grundsätzlich erfreulich. Gleichzeitig besteht aber eine strukturelle Benachteiligung durch den Ausschluss von Frauen vom Weiheamt und damit von obersten Leitungsebenen in der Kirche. Ich sehe in unserer Diözese sehr viele berufene und begabte Frauen für die Leitung von Pfarren und anderen kirchlichen Ebenen. Sie können nicht entsprechend eingesetzt werden. Dies führt oftmals zu Frustrationen bei Frauen, aber gleichzeitig auch zu Überforderung von Männern in Leitungspositionen. Diese Situation ist nicht nur kränkend, sondern auch krank machend, wie es sich leider auch immer wieder zeigt. Eine Änderung steht aus meiner Sicht daher dringend an.
Diese gesellschaftspolitischen Themen stehen meiner Meinung nach jetzt an ...
Gesellschaftspolitisch beschäftigen mich neben den aktuellen tagespolitischen Ereignissen zwei Themen besonders: das Thema Beschleunigung und das Thema Verantwortung.
Ein paar Gedanken zum Thema Beschleunigung bzw. Entschleunigung: Ich sehe zunehmend öfter, dass die Schnelllebigkeit unserer Zeit Opfer fordert. Menschen können mit dem Tempo nicht mithalten, Schwächere fallen raus oder Menschen versuchen, lange Zeit mitzuhalten und sind plötzlich kraftlos und leer. Es ist dieser Machbarkeitswahn, der antreibt und kaum Zeit lässt, dass etwas wachsen, werden und sich entwickeln kann. Ein lineares Zeitverständnis, wo eins nach dem anderen kommt und es immer in derselben Logik weiter gehen muss, hat wenig bis keinen Platz für Prozesse wie trauern, sich in Beziehungen finden, in eine Rolle hineinwachsen, etwas sehnsüchtig erwarten, wiederholen, pausieren im Sinne von Brache, damit wieder Neues erwachen kann. Die Möglichkeit, alles sofort und zu jeder Zeit zu haben, verdeckt das zyklische Erleben von verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Ausprägungen. Die Geschwindigkeit der Abfolgen macht zunehmend Geschichtsvergessen, was ich aus demokratiepolitischer Sicht für ebenfalls bedenklich halte.
Entschleunigung würde nicht nur vielen einzelnen Menschen, sondern auch vielen Abläufen, Arbeitsprozessen, Gruppen und Beziehungen gut tun und sicherlich eine andere Qualität hervorbringen.
Was beschäftigt mich beim Thema Verantwortung?
Ich beginne mit einer kurzen Begebenheit. Vor wenigen Wochen hörte ich im Radio die Aufforderung: Jetzt gäbe es die einmalige Gelegenheit einen supergünstigen Flug nach Neuseeland zu buchen, weil das Computerprogramm einer benannten Fluglinie die Kommastellen falsch setze und die Flüge plötzlich spottbillig sind. Es wurde sofort eine Rechtsmeinung dazu geliefert, ab wann von der Fluglinie keine Nachforderungen mehr gestellt werden können, das Risiko sei also einschätzbar. Ich war sprachlos über diesen Aufruf zum Ausnützen des Schadens eines anderen für den eigenen Vorteil. Da wäre doch der erste Impuls die Fluggesellschaft auf diesen Fehler aufmerksam zu machen – oder?
Immer wieder begegnet mir diese Denklogik: „Wenn rechtlich nichts dagegen einzuwenden ist, warum soll ich so dumm sein und es nicht nützen?“ Mir graut vor einer Gesellschaft, in der Menschen sich immer zuerst um die eigenen Vorteile kümmern und zunächst schauen, wo kann ich für mich etwas herausholen, anstatt das Gemeinwohl und die Konsequenzen des eigenen Tuns für den anderen oder das Gesamt der Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Sich absichern gegen alle Eventualitäten und aus jedem kleinen Schaden Kapital schlagen, diese „Versicherungslogik“ setzt sich leider immer mehr durch. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern verhindert viele Möglichkeiten des Miteinanders und Füreinanders und schwächt eine Kultur der Verantwortung füreinander. Wo bleibt dann im Fall des Falles Zivilcourage und verantwortliches Einstehen für Menschen, die selber ihre Rechte nicht einfordern können?
Gott sei Dank weiß ich und erfahre ich immer wieder, dass es gleichzeitig viele (auch junge) Menschen gibt, die mit hoher Verantwortung für Werte wie Nachhaltigkeit, Solidarität und Gerechtigkeit eintreten und hoffe, dass sie die Kultur prägende Kraft werden/bleiben.
Was oder wer mich beGEISTert und mir Kraft gibt, damit Kirche lebendig wird und in Bewegung bleibt ...
Persönlich schöpfe ich Kraft beim Singen, aus der Stille, in den Bergen, in Gesprächen, aus Büchern oder in der Begegnung mit Menschen. Kirche wird für mich überall dort lebendig, wo Menschen etwas von dem erfahren und erleben, was Jesus mit einem Leben in Fülle gemeint hat und Hoffnung und Kraft für ihr Leben schöpfen können. Ich fahre sehr oft bereichert von PGR-Sitzungen nach Hause, weil ich dort Menschen begegne, die ihre Begabungen teilen und durch ihr Engagement anderen Lebensperspektiven eröffnen, die mit Zuversicht erfüllen. Das stärkt auch mich in der Überzeugung, dass Kirche lebendig bleibt. Ein Zitat des Dogmatikers Peter Eicher ist mir dabei immer wieder leitend in Erinnerung: „Nicht die Kirche ist unsere Hoffnung, sondern als Hoffende sind wir Kirche.“
Zur Person:
Mag.a Brigitte Gruber-Aichberger, PMM ist nach ihrer Pensionierung als Visitatorin bei Dekanatsvisitationen im Einsatz.