Organist / Organistin
Selbst wenn die Bedeutung der Orgelmusik in der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanums gewürdigt wurde, ist es nicht selbstverständlich, dass dies in den Pfarren auch stets so ist. Denn meist merkt man erst, wie wichtig sie sind, wenn sie fehlen: die Organistinnen und Organisten in den Kirchen landauf und landab.
„Wenn die Finger zu Eiszapfen werden…” - üben unter erschwerten Bedingungen
Nur selten ist es die Orgel, die bei Kindern und Jugendlichen auf der Instrumentenwunschliste ganz oben steht. Welche eine Besonderheit, wenn da plötzlich ein Volksschüler mit leuchtenden Augen Orgelklängen lauscht und nun unbedingt Orgel lernen möchte. Und man muss zugeben: selbst dann ist es nicht immer leicht, einfach mal schnell das Instrument zu lernen - einen Organisten heranzubilden ist ein langfristiges Projekt.
Denn Orgelunterricht setzt meist mehrere Jahre Erfahrung am Klavier voraus - und dann kommt die nächste Hürde: weil man sich eine Orgel - anders als eine Blockflöte oder ein Saxophon - nicht einfach mal so nach Hause holen kann, ist es meistens ein größerer Aufwand. Erst vielleicht für Eltern, später vielleicht auch für einen selbst, muss man doch erst ein geeignetes Übeinstrument finden, das sich nicht immer in unmittelbarer räumlicher Nähe befindet und zudem auch nur zu gewissen Zeiten zur Verfügung steht.
Und geübt werden will doch - ungeachtet dessen, ob es im Sommer im Kirchenraum angenehm kühl ist oder ob es im Winter so kalt ist, dass die Finger nahezu zu Eiszapfen werden.
„Entschädigt” wird man aber mit den vielen unbeschreiblichen Klangerlebnissen – welch Glücksgefühl, wenn man die Orgel in manchen Momenten mit allen Sinnen vom Kopf bis zu den Zehenspitzen spürt.
„Geht das vielleicht auch einen Ton höher?” - die Herausforderungen von Organisten
Vielen Menschen ist es wahrscheinlich nicht bewusst, was es heißt, Organist zu sein. Oftmals ist es auch nicht nur das Orgelspiel, ob allein oder korrepetierend bei Chören und Solisten - in der Praxis erstellen Organisten oft auch Liedpläne, sind chorleitend aktiv und somit für die kirchenmusikalischen Belange in ihrer Pfarre (und manchmal vielleicht sogar in den Nachbarpfarren) verantwortlich.
Als Organist gilt es darum stets flexibel zu sein. Ob da vor einer Hochzeit dann gefragt wird: „Geht das vielleicht auch einen Ton höher?” oder ob man die Improvisation spontan etwas ausdehnen muss, weil die Kommunionspendung länger dauert.
Und ein wenig „Macht” liegt zuweilen ja auch in den Händen des Organisten: ob das Danklied etwas gedehnter gespielt wird und die Gemeinde einen langen Atem braucht oder ob das Tempo ein etwas flotteres ist und alle einfach mit müssen.
Flexibel gilt es darüber hinaus auch zu sein, wenn man in verschiedenen Kirchen wunderschöne Orgeln bespielen darf: und weil jede Orgel eine eigene Persönlichkeit hat, gibt es auch stets etwas Neues, Bestaunenswertes in der Welt der Orgeln zu entdecken.
„Es spielt die Orgel…” - den Menschen hinter der Orgel wahrnehmen
Gerade in einem Zeitalter, in dem es technisch wirklich möglich ist, die Orgel mittels Computer und Steuerungen zu automatisieren, gilt es, den Blick auf denjenigen zu richten, der Messe für Messe auf der Orgelbank sitzt und einerseits den Gemeindegesang begleitet, andererseits auch meditative Oasen im Gottesdienst schafft.
Denn die Orgel spielt sich nicht von allein, sondern da sitzt ein Mensch, der bei der morgendlichen Rorate vielleicht noch etwas verschlafen drein schaut und friert, der die Osternacht nicht mit seiner Familie feiern kann, sondern mit den Händen auf Manualen tanzend, alle Register ziehend, Pedale tretend der Auferstehung des Herrn gedenkt.
Es mag zuweilen zwar auch eine kleine Herausforderung sein, das Privat- und Berufsleben mit den kirchlichen Gegebenheiten zu arrangieren. Aber das ist schnell vergessen, wenn man während des Spiels zuweilen erlebt, wie man beim Musizieren in andere Sphären und Welten eintaucht und damit eine manchmal gar nicht so geringe Zuhörerschaft zu begeistern und beseelen vermag.
Es ist jedoch nicht der Klang allein, der so manchen Organisten ins Schwärmen bringt: auch die technische Faszination der „Königin der Instrumente” ist unbestritten. Jahrelang gibt es in diesem Wunderwerk der Technik vieles zu entdecken. Oder vielleicht auch in der Geschichte: manchmal kommt man schließlich in den Genuss, auf derselben Orgel zu spielen, auf der schon das eine oder andere berühmte Vorbild gespielt hat. Und wer ist nicht stolz, wenn er beispielsweise derselben Orgel wie Bruckner Töne entlockt?
„… nicht sichtbar, aber hörbar…” - die Bedeutung des Organisten wertschätzen
Gerade weil es ein liturgischer Dienst ist, von dem wir im Gottesdienst zwar viel hören, aber selten den Menschen dahinter sehen, hat es der Organist ein bisschen schwerer als andere, wahrgenommen zu werden: der Kirchenchorleiter, der Dirigent, der Kantor, der Lektor sind für den Messbesucher sichtbar, der Organist jedoch ist in den meisten Fällen ganz versteckt auf der Orgelempore. Vielleicht am Ende der Messe doch mal einen Blick zur Orgel riskieren?
Für den Organisten ist es außerdem wohltuend, wenn die Messbesucher beim Auszug nicht gleich aufspringen und die Kirche fluchtartig verlassen, sondern vielleicht noch seinen Klängen lauschen. Und wie groß ist die Freude, wenn der Organist dann und wann auch zu hören bekommt, dass sein Tun wertgeschätzt wird. Wie wär's gleich beim nächsten Messbesuch?
Weitere Informationen zur Ausbildung für Organistinnen und Organisten:
Konservatorium für Kirchenmusik
(sp)