In der vergangenen Woche waren Bischof Manfred Scheuer, Bischofsvikar Wilhelm Vieböck, Bischofsvikar Johann Hintermaier und Brigitte Gruber-Aichberger im Dekanat Linz-Mitte unterwegs. Vielfältige Gottesdienste und Veranstaltungen ermöglichten zahlreiche Begegnungen. Sie kamen unter anderem ins Gespräch mit Caritas-Mitarbeiter:innen, Pfarrgemeinderät:innen, Mesner:innen und Kirchenpfleger:innen, Kirchenmusiker:innen, mit Pädagog:innen und Schüler:innen, mit Senior:innen und Kunstschaffenden, mit in der Pflege arbeitenden Menschen, mit Mitarbeiter:innen des TS-Werks der ÖBB, mit arbeitsuchenden und obdachlosen Menschen, mit den Verantwortlichen des neuen LASK-Stadions und des AMS.
Den gemeinsamen Abschluss der Visitationswoche – vor den Sonntagsgottesdiensten der einzelnen Visitator:innen in Linzer Kirchen – bildete am Samstagabend ein Gebet für den Frieden. Bischof Manfred Scheuer und sein Visitator:innen-Team beteten gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Ernst von der Evangelischen Kirche A. B. Linz-Innere Stadt in der Martin-Luther-Kirche, zusammen mit etlichen Gläubigen. Musikalisch eindrücklich gestaltet wurde das Gebet von Bohdan und Eva Hanushevsky („Kohelet 3“).
Dekanatsassistentin Monika Weilguni betonte in ihren Begrüßungsworten: „Der Blick in die Geschichte und das politische Tagesgeschehen zeigen, wie zerbrechlich Friede ist. Mit Kriegsausbruch in der Ukraine ist uns die Selbstverständlichkeit, mit der wir von einer stabilen Friedensordnung im europäischen Umfeld ausgegangen sind, verloren gegangen. Die Diskussion über Krieg und Gewalt, Waffen und Militärbündnisse begleitet uns seit mehr als einem Jahr verstärkt. Aber auch der Ruf nach Frieden wird immer lauter. Alle Kräfte für die Zurückgewinnung des Friedens zu aktivieren, ist ein Gebot der Stunde. Das Gebet und die Bitte um den Frieden braucht es mehr denn je. Gefordert sind aber auch unser Einsatz und unser Engagement für den Frieden. Friede beginnt bei uns selbst.“
Dekanatsassistentin Monika Weilguni
© Diözese Linz - Kienberger
Während der Visitationswoche hatten sich kirchliche Mitarbeiter:innen gemeinsam mit Bischof Scheuer und seinem Visitator:innen-Team in Pfarren und kirchlichen Einrichtungen auf die Suche nach Bausteinen für ein friedliches Miteinander gemacht. Beim Friedensgebet wurden von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen Erkenntnisse und Gedanken aus unterschiedlichsten Bereichen formuliert.
Im Krankenhaus- und Pflegebereich etwa sei es für Leitende und Mitarbeiter:innen eine Herausforderung, tagtäglich Konsens zu suchen und zu finden, um dem Kernauftrag gegenüber Patient:innen bzw. Bewohner:innen gerecht zu werden – gerade auch deswegen, weil es in Krisensituationen und am Lebensende oft um Frieden-Finden und Versöhnung mit den Brüchen im eigenen Leben gehe.
Ein anderer Aspekt: Friede und Gerechtigkeit seien untrennbar miteinander verbunden. In allen Gesellschaften und Kulturen gerieten immer wieder Menschen in Notlagen und erleben Krisensituationen. Für Getaufte und viele Menschen im zivil-gesellschaftlichen Engagement sei dies ein Auftrag, jene Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, die es gerade schwer hätten, und gesellschaftliche Teilhabe für alle zu ermöglichen. Dauerhafter Frieden sei nur dann möglich, wenn im Blick auf die Menschen, die Umwelt und die nachfolgenden Generationen nachhaltig gewirtschaftet werde.
Eine Beobachtung aus allen Bereichen: In Zeiten, in denen die Welt durch Krieg, die Corona-Pandemie, den Klimawandel und die Teuerung aus den Fugen zu geraten sein scheine, hätten viele Menschen Sehnsucht nach Frieden. Friede entwickle sich auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens, brauche Dialog- und Verantwortungsbereitschaft und das Engagement jedes bzw. jeder Einzelnen. Eine Voraussetzung für den Frieden sei der Respekt vor dem Anderssein und vor der Vielfältigkeit des Lebens. Kindergärten, Schulen und Jugendzentren seien in diesem Zusammenhang Lernorte des Friedens und der Demokratie.
Bischof Manfred Scheuer nannte in seinen Gedanken zum Evangelium einige Aspekte, die aus seiner Sicht das globale soziale Gefüge destabilisieren: die Fokussierung auf Eigeninteressen anstelle einer solidarischen Zeitgenossenschaft, das Fehlen von Geschwisterlichkeit und lebendigen Beziehungen sowie eine bereits von Papst Franziskus konstatierte Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene, die unfähig mache, auf andere einzugehen. Diese Gleichgültigkeit schaffe eine Grundlage, auf der „Situationen von Ungerechtigkeit und schwerwiegendem sozialen Ungleichgewicht fortdauern, die dann ihrerseits zu Konflikten führen können oder in jedem Fall ein Klima der Unzufriedenheit erzeugen, das Gefahr läuft, früher oder später in Gewalt und Unsicherheit zu eskalieren“, zitierte Bischof Scheuer den Papst.
Bischof Manfred Scheuer
© Diözese Linz - Kienberger
Könne nun Beten für den Frieden wirklich helfen, etwas bewirken? Bischof Scheuer dazu: „Im Gebet vollzieht sich zunächst die Aussöhnung des Menschen mit den Trümmern seiner eigenen Vergangenheit, mit begangenen Fehlern und Schuld. Es befreit vom selbstverliebten Kreisen um das eigene Ich, es bricht auch das resignative Vergraben des eigenen Talents auf. Gebet lebt aus der unverbrüchlichen Hoffnung, dass bei allem Scheitern nicht das letzte Wort gesprochen ist. Solange der Mensch betet, gibt er sich nicht auf. Natürlich hilft Beten.“
Predigt von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Danach waren alle Anwesenden eingeladen, in Stille für den Frieden zu beten und persönlich eine Kerze für den Frieden zu entzünden. Den Abschluss bildete ein von Pfarrer Wolfgang Ernst, Bischof Manfred Scheuer und den Visitator:innen gesprochenes Gebet mit der Bitte um die Kraft und den Mut, die Stimme gegen Gewalt und Unrecht zu erheben und den Frieden zu fördern.