Den Weg zum Leben finden
Für mich sind die letzten Wochen eine intensive Lernzeit. Das Homeoffice ermöglicht mir mehr Kontakt mit meinen jugendlichen Kindern und ich merke, wie verantwortungsvoll sie denken und handeln. Sowohl mit Nachbarinnen als auch mit pfarrlichen MitarbeiterInnen sind die (Telefon-)gespräche länger und persönlicher geworden. Es ist offensichtlich, dass wir jetzt, wo dem sozialen Miteinander so einschneidende physische Grenzen auferlegt sind, umso mehr seinen Wert spüren.
Auch die Arbeit in der Pfarrpastoral erlebe ich als innovatives Lernfeld. Gleich zu Beginn der Einschränkungen hat unsere Pfarrjugend die Initiative ergriffen, ein Einkaufsservice für Angehörige von Risikogruppen anzubieten. Jeden Tag tauchen neue Ideen und Möglichkeiten auf, für die Menschen um uns da zu sein – von der Gestaltung des Kirchenraums über hilfreiche Links auf der Pfarrhomepage bis zum Angebot von Palmbuschen und Hauskirche-Impulsen im nächsten Einkaufszentrum. Der kreative Austausch zwischen den SeelsorgerInnen im Dekanat war noch nie so intensiv wie in diesen Wochen. Bis jetzt merke ich nichts von der ruhigen Zeit, auf die ich mich Mitte März eingestellt habe.
Im Blick auf die Situation in unserem Land bin ich sehr dankbar für unseren Sozialstaat und das verantwortungsvolle Handeln der Politiker. Es ist in unserer Welt nicht selbstverständlich, dass Menschenleben mehr zählen als wirtschaftlicher Erfolg. Umso mehr bedrückt mich der Blick über den nationalen Tellerrand. Müssen wir ohnmächtig zusehen, wie dieses kleine unsichtbare Virus die ganze Welt im Würgegriff hat, wie die Karikatur auf der letzten Seite der Kirchenzeitung vom 2. April veranschaulicht hat?
Soziologen betrachten die Coronakrise wie eine Naturkatastrophe und beobachten, dass Menschen nach bedrohlichen Ereignissen immer wieder den Weg zum Leben suchen und finden. Auch als weltweite Menschenfamilie können wir Wege finden, Corona in den Griff zu bekommen. Dafür brauchen wir die pharmazeutische Forschung genauso wie das, was wir menschlich und spirituell in dieser Krise lernen.
Wie die Jünger während des Seesturms sitzen wir heute in einem Boot. Das andere Ufer, das wir erreichen wollen - die neue Art von Normalität – verlangt nach neuen Prioritäten. Entscheidend wird, was wir als BewohnerInnen dieses Planeten zum Leben brauchen und was hingegen dafür hinderlich ist.
Mut für den Weg zum anderen Ufer macht mir die Perspektive von Ostern. Jesus Christus geht durch Sturm, Leid und Tod hindurch den Weg zum Leben. Er hat den Jüngern im Boot die Angst genommen; er sitzt auch heute mit uns im Boot.
Ursula Jahn-Howorka ist Pfarrassistentin in der Stadtpfarre Urfahr.