Auferstehung in der Krise
Das jüdische Pessachfest und das christliche Osterfest haben eines gemeinsam, sie erinnern an eine Befreiung, an einen Neubeginn. So wie Jahwe, der Gott Israels, sein Volk in die Freiheit schickt, als er es im „Exodus“ aus dem „ägyptischen Sklavenhaus“ herausführt, so führt uns Jesus durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung zum Glauben, dass das Leben stärker ist als der Tod.
Menschen die eine Krise erlebt haben erkennen im Rückblick immer wieder, dass Gott im Spiel war.
Beim Bedenken des vergangenen Osterfestes inmitten der „Cornakrise“ kann es hilfreich sein, den Blick von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute zu werfen, um zu erkennen wo und wie Gott im Spiel war. Genau das, nennen wir Christinnen und Christen Auferstehung.
Vielleicht erinnern wir uns an die Geschichte von Emmaus und sagen:
„Brannte uns nicht das Herz“
- als sich Meereslebewesen ihren natürlichen Lebensraum zurückgeholt haben. Als Delfine in Italiens Häfen gesichtet wurden und Fische in Venedigs Kanälen schwammen!
- als die Erde aufgeatmet und der Himmel an Farbenkraft gewonnen hat. Als die Kinder in China zum ersten Mal in ihrem Leben den blauen Himmel gesehen haben.
„Brannte uns nicht das Herz“
- als Supermarktkassiererinnen, Müllarbeiter und Pflegekräfte im öffentlichen Ansehen, zu Heldinnen und Helden geworden sind und viele sich persönlich bei ihnen bedankt haben.
- als Menschen in Gesundheits- und Sicherheitsberufen Übermenschliches geleistet und junge Menschen sich reihenweise in den Dienst des Gemeinwohls gestellt haben.
„Brannte uns nicht das Herz“
- als die sozialen Verzichte, die wir leisten mussten, selten zu neuer Vereinsamung geführt haben. Im Gegenteil. Nach einer ersten Schockstarre waren viele sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt gekommen ist.
- als sich das Verhältnis zwischen Technologie und Kultur verschoben hat. Als der große Technik-Hype zu Ende gegangen ist und unsere Aufmerksamkeit wieder auf die humanen Fragen gerichtet wurde: Was ist der Mensch? Was sind wir füreinander?
„Brannte uns nicht das Herz“
- als die Ökonomie enorm schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich passiert ist, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung und jedem staatlichen Eingriff beschworen wurde. Als wir erahnen konnten, Wirtschaft ist ein atmendes Wesen, das auch dösen oder schlafen und sogar träumen kann.
- als sogar die Vermögensverluste durch den Börseneinbruch nicht so schmerzlich waren, wie es sich am Anfang angefühlt hat. Als wir erfahren haben, Vermögen spielt plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.
„Brannte uns nicht das Herz“
- als aus einem massiven Kontrollverlust plötzlich ein regelrechter Rausch des Positiven entstanden und aus Fassungslosigkeit und Angst eine innere Kraft gewachsen ist. Als aus der Erfahrung, dass wir immer noch da sind, ein neues Sein sich entfaltet hat.
- als die Populisten mit ihrer bösartigen und spaltenden Politik, mit der sie Menschen gegeneinander aufgebracht haben, zu echten Zukunftsfragen nichts beizutragen hatten und deshalb immer mehr an Bedeutung verloren.
„Brannte uns nicht das Herz“
- als die Politik in dieser Krise eine neue Glaubwürdigkeit und ein neues Ansehen bekommen hat, weil es zu einem Schulterschluss der Vernunft gekommen ist und der neoliberale Glaube, dass der Markt alles regeln kann, in ein solidarisches Denken und Handeln umgeschlagen hat.
- als Wissenschaft, Philosophie und alle Sinnfragen in dieser Bewährungskrise eine erstaunliche Renaissance erlebt haben und als von tausenden Balkonen die Hochkultur des Zusammenhaltens dargeboten wurde.
„Brannte uns nicht das Herz“
- als spürbar wurde, dass in dieser Krise die Chance für einen längst überfälligen Wandel liegt, der die Erde aufatmen lässt, die Kinder mit längst vergessenen Werten in Kontakt bringt, unsere Gesellschaft enorm entschleunigt und uns zeigt, wie schnell die Erde bereit ist, ihre Regeneration einzuläuten, wenn wir Menschen Rücksicht auf sie nehmen und sie wieder atmen lassen.
Robert Bräuer ist Leiter des Treffpunkts mensch&arbeit Rohrbach und Pastoralassistent in Rohrbach.
Seine Gedanken sind angelehnt an Gedanken der Zukunftsforschers Matthias Horx www.horx.com
Siehe auch die Zukunftskolumne FUTURE MIND und die Seite DIE ZUKUNFT NACH CORONA von Matthias Horx.