Mit der Angst tanzen lernen
Eines muss ich mir und den Leser*innen des Textes gleich zu Beginn eingestehen: Ich bin ein ängstlicher Mensch. Das bin ich generell und auch besonders in dieser Corona-Zeit. Ich gehöre zu jenen Menschen, denen wohler dabei war, sich zuhause einzuigeln, als es ihnen jetzt ist, wenn es wieder nach draußen gehen soll.
Trotzdem möchte ich mit diesem Text ermutigen: Denn Angst zu haben ist zwar furchtbar unangenehm, aber auch sinnvoll. Sie hat mehrere Funktionen, biologische und psychologische und hält uns damit gesund, körperlich und psychisch.
Angst ist lebensnotwendig
Biologisch oder medizinisch betrachtet, löst Angst ein Notfallprogramm in unserem Körper aus und schützt uns dadurch. Das tut sogar die lähmende Angst, die uns vorübergehend handlungsunfähig macht. Ähnlich wie bei Tieren handelt es sich dabei um eine Überlebensstrategie, nicht vom „Feind gefressen“ zu werden. Die Angst, die nicht lähmt stellt Energie für Flucht oder Kampf zur Verfügung. Das heißt, wer Angst hat, macht Ressourcen frei, für etwas, das man bewältigen muss, wie etwa auch diese Krise.
Angst ist also wichtig, ja lebensnotwendig um mit bedrohlichen Situationen zurecht zu kommen.
Angst ist ein Indikator, wie es mir wirklich geht
Im Weg der Auseinandersetzung mit der Angst, habe ich aber auch noch etwas Anderes schätzen gelernt, nämlich die psychologische Funktion von Angst. Hier geht es um jene Angst, die nicht unbedingt aus einem unmittelbaren Bedrohungsszenario hervorgeht. Ich habe gelernt, dass diese Ängste mir etwas sagen wollen. Die Angst zeigt mir etwa, wenn etwas aus dem Lot ist, ich zu wenig auf mich achte. Angst ist ein Indikator, wie es mir wirklich geht. Angst bringt mich dazu hinzuschauen, was wirklich los ist, zu analysieren.
Deshalb möchte ich hier als Mutmacherin bestärken, Ängste ernst zu nehmen. Es wäre so verlockend sie einfach zur Seite zu schieben, sich abzulenken. Aber – das funktioniert meist und vor allem langfristig nicht. Angst bahnt sich immer ihren Weg, damit sie ernst genommen wird. Und das ist auch gut so.
Die Angst zum Tanz bitten
Insofern möchte ich ermutigen, gerade in diesen Zeiten: Die Angst, die aufkommt wahr- und ernst zu nehmen, sie als Verbündete willkommen zu heißen, sie zu fragen, was sie sagen möchte und warum sie da ist. Erst dann kann man auf sie hören, die Ressourcen die sie schenkt dankbar annehmen und sie nützen. Zu guter Letzt kann man die Angst zum Tanz bitten und ihr danach gestärkt lebe wohl sagen.
Melanie Wurzer leitet das Projekt "Plus City als pastoraler Ort" und macht Öffentlichkeitsarbeit für die Abteilung Pastorale Berufe