Was mir gut tut
,,Wie geht es Dir?" Diese Frage wurde mir in den letzten Wochen häufig gestellt, häufiger als sonst. ,,Blendend!" lautete meine Antwort. Und dann habe ich die Ratlosigkeit in den Augen meines Gegenübers festgestellt. ,,Wie, blendend? In dieser Situation?" Nicht das übliche Jammern und Klagen über das was nicht möglich ist. Das hätte mein Gegenüber erwartet. Nun, diese Erwartung musste ich enttäuschen. Gerade die letzten Wochen haben mir sehr gutgetan. Keine (meist unnötigen und viel zu langen) Sitzungen am Abend, keine Ansammlung von mehreren Gottesdiensten pro Tag (manchmal bis zu 5 verschiedene), wenig bis gar kein Verkehr auf der Straße, die Entschleunigung im Tagesablauf, keine laute Musik auf der Straße und am Kirchenvorplatz bis tief in die Nacht, keine Kondensstreifen am Himmel, dafür ein wunderschöner Sternenhimmel. Das Zwitschern der vielen Vögel in meinem Garten habe ich gehört und Eichkatzerl beim Trinken an meinem Fischteich beobachtet.
Seelsorge mal anders
Sicher, die Seelsorge war anders als sonst, ich hatte Zeit für viele Telefonate und für Begegnungen in der Kirche und davor, wenn mal jemand vorbeikam. ,,Der Hamster ist aus dem Rad gefallen", so habe ich das einmal formuliert. Endlich hatte ich Zeit, um an der Orgel zu üben und zum Schmücken der Kirche. Ich konnte meine kreative Ader wieder hervorholen bei der Gestaltung des Kirchenraumes, passend zum Anlass des Tages oder des Sonntagsevangeliums. Am Gründonnerstag stand beispielsweise eine große Waschschüssel mit Handtuch und ein Kelch, eine Schale mit Fladenbrot und eine Flasche Wein auf dem Altar und zum Guten-Hirten-Sonntag passend zum Evangelium ein Türrahmen und eine (Blumen)Wiese, weil es im Evangelium hieß: Ich bin die Tür zu den Schafen (d.h. zum Leben).
Schöne Zeit
Das hat alles viel Spaß gemacht und mir gutgetan. Ich hatte auch Zeit, mal wieder in Ruhe ein gutes Buch zu lesen und Musik zu hören, auch das hat mich sehr bereichert. Mich hat auch fasziniert, wie solidarisch Menschen miteinander umgehen (können) und wie bewusst viele eingekauft haben, ich eingeschlossen. Insgesamt eine schöne Zeit, die mir sehr gutgetan hat.
Eigentlich schade, oder?
Nun laufen wir Gefahr, wieder sehr schnell in den alten Trott zurückzufallen. Die (Abend)Termine werden schon wieder mehr und die Hektik nimmt wieder zu. Weil mir die letzte Zeit so gutgetan hat, werde ich mich bemühen, diesen Zustand so lange wie möglich beizubehalten. Ich bin guter Dinge, dass mir das auch gelingt, vorausgesetzt, dass ich nicht mit einer ,,moralischen Keule" zu etwas gezwungen werde. Ich befürchte allerdings, dass der Hamster sehr schnell wieder in sein Rad eingesperrt wird. Eigentlich schade, oder?
Mag. Dieter Reutershahn ist Pfarrer in Linz-Hl. Geist und Pfarrmoderator in Linz-St. Magdalena sowie Linz-Stadtpfarre Urfahr.