Alles ist anders
„Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.“
Diese starken Worte hat der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer im Dezember 1944 in Gestapo-Haft geschrieben. Am 9. April 1945 wurde der Widerstandskämpfer von den Nazis hingerichtet.
Als ich am Freitag, 6. März nach Hause kam, wusste ich:
Jetzt ist plötzlich alles anders.
In der einen Hand hatte ich den Rucksack mit dem hastig zusammengepackten Laptop für die Arbeit für das kirchliche Begegnungszentrum Urbi@Orbi, wo wir gerade beschlossen hatten, unser Angebot unter dem Motto „Seien Sie unser Gast!“ vom Raum der Linzer Innenstadt ins Internet zu verlagern.
In der anderen Hand trug ich eine Tasche mit Lebensmitteln, die ich im Supermarkt besorgt hatte - wie sonst oft nach der Arbeit. Dort herrschte an dem Tag eine endzeitliche Stimmung unter den Menschen. Dass es kein Klopapier gab, war das kleinste Problem.
Ich war daheim. Hinsetzen. Durchschnaufen.
Was kommt da jetzt auf uns zu?
Da fiel mir dieser wunderbare, bergende Text von Dietrich Bonhoeffer ein.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
Ich warf Youtube an. Dort gibt es eine sehr schöne Vertonung.
Ich wurde ruhiger und klarer.
„Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Seit diesem Moment begleitet mich dieser Text und dieses Lied durch diese Krise. Irgendwann postete ich den Link auf Facebook und stellte fest, dass ich damit nicht alleine bin und auch andere Menschen dafür dankbar sind.
https://www.youtube.com/watch?v=aN7dGz6NH5M
Die Mitte finden
„Mut ist die Mitte von Zuversicht und Furcht“, schrieb der griechische Philosoph Aristoteles vor mehr als 2300 Jahren.
Es ist nicht immer leicht, diese Mitte zu finden.
Am Anfang der Krise stand die Ungewissheit.
Jetzt nach vielen Wochen ist es die bange Frage, wie lange der Ausnahmezustand wohl noch dauern wird.
Es geht jetzt darum, nicht leichtsinnig und nachlässig zu werden in der Einhaltung der „Corona-Regeln“, die so stark in unseren Alltag eingreifen. Man sollte weder sich noch andere Menschen gefährden.
Es geht jetzt aber genauso darum, nicht in Panik, Furcht oder Depression zu verfallen - und damit die eigene Handlungsfähigkeit und die Selbstwirksamkeit zu verlieren.
Nur wenn ich selbst besonnen und ruhig bleibe, kann ich vielleicht auch anderen Menschen hilfreich sein. Diese Erfahrung zu machen, dass trotz Krise noch so viel Gutes im Miteinander möglich ist, gibt mir selbst wieder Kraft und Energie für die neuen Herausforderungen.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen“ ist eine „Ermutigung to go“ in der Pfarre Linz-Oed (c) Andrea Mayer-Edoloeyi.
Mut und Gottvertrauen
Immer wenn ich merke, ich könnte meine Mitte, meinen Mut, meine Zuversicht verlieren, hilft mir die Erinnerung an die Zeilen von Dietrich Bonhoeffer.
Ob morgen in meinem Leben „der schwere Kelch“ des Karfreitags oder „der Sonne Glanz“ des Ostermorgens kommt, weiß ich nicht. Das weiß niemand.
Ich weiß: Mich trägt die Hoffnung auf Gottes Gegenwart.
Am Ende wird alles gut. Das ist das große Versprechen von Ostern.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“
Andrea Mayer-Edoloeyi ist Referentin im Urbi@Orbi und Teil des Teams der Citypastoral Linz. Sie bloggt unter http://menschenmedien.at/.